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Was ist passiert?

 

ferne-tochterJudith Velotti lebt zusammen mit ihrem Mann Francesco in Rom. Nach einem Anruf von einer alten Schulfreundin fliegt sie nach 20 Jahren, zwei Monaten und vier Tagen zum ersten Mal wieder nach Hamburg, in die Stadt ihrer Kindheit und Jugend. Ihr Vater ist tot, ihre Mutter nach einem Schlaganfall in einem Pflegeheim, zu beiden hatte sie keinen Kontakt mehr. Sie muss sich in der alten Heimat ihrer Vergangenheit stellen, den dramatischen Erlebnissen innerhalb ihrer Familie und einem Verlust, der sie seither verfolgt. Außerdem gilt es, das Leben in Italien nicht zu vernachlässigen, was allerdings aufgrund der Geschehnisse in der alten Heimat nicht einfach ist.

Die Ferne Tochter erzählt nicht nur von einer Tochter, es gibt zwei; jede hat viel erlebt, gedacht, gefühlt. Vordergründig werden Judiths Erlebnisse in der Vergangenheit wie auch der Gegenwart eindringlich wiedergegeben. Durch sehr gut beschriebene Rückblicke und Erzählungen ergibt alles ein Ganzes, eine Information baut auf die nächste auf, eine Begebenheit führt zur nächsten und schließlich zum Ziel. Die Schilderungen sind zum Teil bedrückend, manchmal dachte ich: „Kann es das wirklich geben, dass Eltern so herzlos mit ihrer Tochter umgehen?“ Ich widerstand mehrmals dem Gefühl, dieses Buch wegzulegen und habe mich durchgehangelt, jeden Tag ein bisschen weiter – vielleicht wie Judith – und bin froh darüber.

Frau Ahrens präsentiert dem Leser eine intensive Geschichte – keine leichte Kost, aber gut interpretiert und geschrieben.

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Renate Ahrens: Ferne Tochter
Knaur Taschenbuch Verlag, 2012
276 Seiten
9,99 €
Amazon
Homepage von Renate Ahrens
Ebenfalls von der Autorin erschienen: Fremde Schwestern

„All das macht mich zu der Person, die ich bin“

 

ditto_bheavy_crossAm 22. Oktober 2012 erschien die Biografie von Mary Beth Ditto. Sie erzählt darin von ihrer Kindheit in Arkansas, die alles andere als schön war: Die Mutter meist nicht anwesend, ein Vater, der nicht ihr Vater ist, Hunger, kein richtiges Zuhause und Missbrauch durch ihren Onkel. Während der High School stylt sie sich und anderen Mädchen gern die Haare. Durch ihre Körperfülle ist sie dazu gezwungen, ihre Kleider selbst zu schneidern. Weiterlesen

Ein Loser auf der Überholspur

 

fakebookFrieder Kurtsmeier ist anfangs auf der Verliererseite: Die Freundin ist aufgrund seiner Lethargie weg, in seinem Job als Food-Designer bleiben die Ideen aus, seine Kollegen hintergehen ihn und machen sich über ihn lustig. Aus dieser Trostlosigkeit holt ihn auch sein facebook-Account nicht raus. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem er einen Hut erhält und Rocco in sein Leben tritt. Dieses sowie sein neuer Auftritt bei facebook eröffnen ihm ein anderes Dasein mit ungeahnten Erlebnissen und Möglichkeiten.

Frieder (unscheinbar, einer auf dem man rumhacken kann) hat Rocco (Selbstdarsteller, einer, der andere Menschen mitreißt) mittels Hochglanzliteratur in einem facebook-Profil erfunden und plötzlich tritt dieser leibhaftig in Frieders Leben. Der Langweiler von früher wandelt sich, nimmt am erfolgreichen facebook-Leben sowie zum Beispiel einer Szene-Party teil. Dank seinem Geschöpf zahlt er seinen Arbeitskollegen so manche Gemeinheit zurück. Aber es gibt ja auch die nette Kollegin aus dem Labor … Dies alles wird in amüsanter sowie süffisanter Weise erzählt. Die 236 Seiten wollen in kürzester Zeit gelesen werden, man will wissen, wie es weitergeht, was Rocco noch so alles einfällt, um seinen Produzenten auf die Siegesstraße zu führen. Und die irritierten Blicke in der Bahn können dem Leser egal sein, wenn er wieder über Situationskomik lachen muss. Für mich ein Must-read von leichter Literatur, die einfach Spaß macht.

Alexander Broicher, Jahrgang 1973, schreibt seit über zehn Jahren für Zeitungen, Magazine, sowie für Film und Fernsehen. 2009 wurde er ausgezeichnet mit dem Literaturpreis des Deutschen Schriftstellerverbands des Landes Rheinland-Pfalz. Co-Autor des Spiegel-Bestsellers »Die Spur der Kinder«.

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Alexander Broicher: fakebook
Heyne Verlag, Aug. 2012
ISBN: 978-3-453-67614-5
€ 12,99
Amazon

Al Andalus

 

Die MaurinGranada am Ende des 15. Jahrhunderts: Hier lebt die 13-jährige Zahra as-Sulami inmitten ihrer wohlhabenden Familie. Ihr Vater ist einer der Berater des Emirs von Granada und Zahra hat als Gesellschafterin von Aisha, der Erstfrau des Emirs, Zutritt zur Alhambra, der Perle Andalusiens. Aisha benutzt Zahra immer wieder als Spitzel, um über die Vorgänge am Hof informiert zu sein, da sie selber im Comaresturm arrestiert ist. Bei einem ihrer Lauschgänge begegnet Zahra Gonzalo, einem Abgesandten der Königin Isabel von Kastilien; dieses männliche Wesen fasziniert sie, bis sie später auf seinen Bruder Jaime trifft…
Im Auftrag von Aisha erlebt Zahra einige geheime und gefährliche Reisen innerhalb ihrer Heimat, die sie auch gegen den Willen ihres Vaters und ihrer Familie macht, um dem muslemischen Andalusien im Kampf um dessen Freiheit und gegen die Christen zu helfen. Sei es um Boabdil, den Sohn der Herrscher ihrer Heimat zur Rückkehr zu bewegen oder auch als Begleiterin des Sohnes von Boabdil als Pfand zu den königlichen Hoheiten des christlichen Kastilien.
Zahra ist anders als ihre Geschlechtsgenossinnen, rebellischer, möchte mehr Eigenverantwortung für ihren Lebensweg (entgegen den muslemischen Gepflogenheiten) – und erkämpft sich dies im faszinierenden, untergehenden Reich al-Andalus mit einigen Mühen, Rückschlägen und auch Erfolgen.

Diese Geschichte birgt viele interessante Schilderungen der muslemischen Bräuche im Reich des Emir von Granada: Man ist beim Besuch im Hamam, der abenteuerlichen Befreiung eines Sklaven durch Zahra und ihrer Schwester innerhalb der Mauern Granadas dabei, man erlebt die Kampfbereitschaft der Mauren, um ihre Heimat zu verteidigen und die der Christen, um Andalusien endgültig zu erobern und vieles mehr. Ferner gibt es auch aufregende Geschehnisse innerhalb der Familie von Zahra, die dieses Buch lesenwert machen. Der Zauber der einstmals herrlichen Alhambra wird darin gut beschrieben – für mich ein gutes Buch (wenn auch erst für mich fesselnd nach dem ersten Viertel der 661 Seiten).
Sehr hilfreich ist die namentliche Vorstellung der Hauptpersonen am Anfang des Buches. Aus dieser ersieht man auch, dass einige der Beschriebenen wirklich in der Geschichte Andalusiens nachgewiesen sind. Interessant wäre auch eine Karte, die hier allerdings fehlt (aber da hilft Wikipedia weiter).
Im Kopf entstehen während des Lesens Bilder der Alhambra, Andalusiens, von Kämpfen der Mauren gegen die Christen, man ist verstrickt in die Glücks- wie Unglücksfälle innerhalb der Familie as-Sulami, Zahra nimmt den Leser mit auf ihre Reisen bzw. ihren Lebensweg. Die Geschichte zieht einen förmlich zu diesem Ort und der damaligen Zeit.

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Lea Korte: Die Maurin
Knaur Taschenbuch Verlag, Febr. 2010
€ 9,95
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Homepage von Lea Korte

Die Liebe einer Mutter ist unendlich

 

xinran

Chinesische Hebammen auf dem Land bekommen für die Geburt eines Jungen den dreifachen Lohn – weibliche Säuglinge müssen sie ertränken oder werfen sie in einen Abfalleimer. Oft muss die Mutter selbst diese Aufgabe übernehmen – ein Mädchen ist eine Schande, keine Hilfe für die Familie, kann kein Land erben, und die chinesische Ein-Kind-Politik ist strikt.
Junge Frauen geben ihre neugeborenen Kinder – fast immer Mädchen – weg, setzen sie vor Waisenhäusern und Krankenhäusern aus, weil sie sich nicht um die Kleinen kümmern können, weil sie Schande über die Familie bringen, weil sie ihre Arbeit verlieren würden.
Selbst Eltern geben gemeinsam ihre Kinder weg – setzen eine Tochter an einem Bahnhof aus, geben eine Tochter zur Adoption frei.

Sind diese Menschen, diese Einwohner eines modernen Chinas, alles herzlose Monster? Nein, im Gegenteil. Jede Mutter, die sich aus welchem Grund auch immer von ihrer Tochter trennen, sie im schlimmsten Fall auf Druck der Familie sogar töten muss, leidet ihr Leben lang Höllenqualen. Von diesen Frauen berichtet die bekannte chinesische Autorin und Journalistin Xinran, die im Laufe der Jahre auf ausgedehnten Recherchereisen durch ganz China die erschütternden Lebensgeschichten gesammelt hat.

Seit den Achtziger- und Neunzigerjahren werden immerhin vermehrt chinesische Mädchen ins Ausland adoptiert, doch aufgrund der katastrophalen Verhältnisse in den örtlichen Waisenhäusern und der nicht existenten Aktenführung wissen diese Mädchen nicht das Geringste über ihre Herkunft und wachsen in dem Glauben auf, ihre chinesischen Mütter hätten sie schlicht nicht gewollt.

Für diese Mädchen hat Xinran Wolkentöchter geschrieben und um den chinesischen Müttern die Chance zu geben, ihre Trauer und die Umstände der Trennung von ihrem Kind zu schildern. Das Buch ist ihr aber auch ein persönliches Anliegen, da sie von beiden Seiten betroffen ist. Zwar kennt Xinran ihre leiblichen Eltern, doch die gaben sie schon als Kleinkind zu Verwandten, um sich voll und ganz der Kulturrevolution und der Umgestaltung des Landes widmen zu können. Xinran weiß also sehr gut, wie es sich anfühlt, nicht gewollt zu sein. Und sie hat eine Tochter verloren – eine wenige Monate alte Waise, die sie einige Zeit als Pflegekind bei sich aufnahm. Adoptieren durfte sie Kleiner Schnee nicht, da sie bereits einen leiblichen Sohn hatte, selbst die Pflege hätte ernsthafte Konsequenzen nicht nur für sie, sondern auch für ihre Kollegen beim Rundfunk gehabt. Schweren Herzens musste Xinran die geliebte Tochter an ein Waisenhaus geben, das schon kurz darauf abgerissen wurde; die Kinder wurden auf andere Institutionen verteilt … die Spur von Kleiner Schnee verliert sich an diesem Punkt.

Wolkentöchter ist ein herzzerreißendes Buch, das stellvertretend am Beispiel einiger Frauen vom Leid ganzer Generationen von Müttern erzählt. Von einer teils immer noch archaischen Gesellschaft – vor allem auf dem Land –, die sich nur langsam wandelt und auch weiblichen Säuglingen Achtung entgegenbringt. Von zwar moderneren Städten und einer moderneren Lebensweise, doch auch sexueller Unaufgeklärtheit und unerwünschten Schwangerschaften. Und von der Möglichkeit der Ultraschalluntersuchung, von den staatlichen Repressionen, wenn die Ein-Kind-Politik nicht eingehalten wird.
Gleichzeitig ist es auch ein wunderschönes Buch, weil darin so viel Liebe enthalten ist – die Liebe von Müttern zu ihren Töchtern. Unbedingt lesenswert!

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Xue Xinran, 1958 in Beijing geboren, war in China eine sehr bekannte Journalistin und Moderatorin einer einflussreichen Radiosendung namens „Verborgene Stimmen“. Seit 1997 lebt die Autorin mit Mann und Sohn in England.
Einen Namen hat sie sich vor allem mit einfühlsamen Interviews gemacht; sie besitzt das einzigartige Talent, dass Chinesen und vor allem chinesische Frauen sich ihr öffnen und ihr ihre Lebensgeschichten erzählen. In ihren Büchern verarbeitet Xinran seit Jahren ihre Erfahrungen, mal in dokumentarischer, mal in romanhafter Form. Alle ihre Werke geben hervorragende Einblicke in eine für uns Westler immer noch sehr fremde Gesellschaft, in ein Land, das wie kaum ein anderes dieser Welt während der Kulturrevolution von Grund auf umprogrammiert wurde und dessen Einwohner sich erst seit einigen Jahren davon emanzipieren.

2004 hat Xinran eine Organisation namens Mother’s Bridge of Love gegründet, die adoptierten chinesischen Mädchen helfen soll, ihre leiblichen Mütter zu finden bzw. ihnen die Gründe zu vermitteln, warum sie in ein Waisenhaus gegeben wurden. Mehr Infos dazu unter: http://www.mothersbridge.org/

Wer mehr von dieser großartigen Autorin lesen möchte: Verborgene Stimmen, Die namenlosen Töchter, Chinesen spielen kein Mao Mao, Gerettete Worte sowie Himmelsbegräbnis (mein persönliches Lieblingsbuch von ihr und auch sonst), sind auf Deutsch erschienen, alle bei Droemer bzw. im Taschenbuch bei Knaur.

http://www.xinranbooks.co.uk/

Titel der englischen Originalausgabe: Message from an unknown chinese mother. Stories of love and loss
Übersetzer: Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Verlag: Droemer
Preis: 18,99 € (HC-Ausgabe) bzw. 16,99 € (Kindle-Ausgabe)

 

Verlag

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 Eine Insel für Kinder mit besonderen Fähigkeiten – und Monster, die auf der Suche nach ihnen sind…

978-3-426-28368-4Riggs, Insel der Kinder_Druck

Cover

Jakob liebt seinen Großvater und dessen abenteuerlichen Geschichten aus dem Waisenhaus über alles: Geschichten von kleinen Mädchen, die schweben können, von Hugh, dem Jungen, in dem Bienen wohnen, und dem unsichtbaren Zimmergenossen begleiten ihn durch seine Kindheit hindurch, bis Jakob zu alt wird, um ihm die Märchen zu glauben. Sein Vater sagt ihm, dass sein Opa durch pures Glück den Nazis und ihrer Vernichtungsmaschinerie entkommen ist und seine augenlosen Monster nicht mehr sind als übersteigerte Phantasien. Weiterlesen

Vampire!

 

Kismet Knight ist in der Welt der Vampire, gute wie böse, angekommen. Ihre Arbeit als Vampirpsychologin wird von der Um- wie Unterwelt zur Kenntnis genommen und genutzt. Während eines Radiointerviews mit dem unverschämten Carson Miller meldet sich erstmals der Vampir Lyren Hallow bei ihr. Er gibt an, ein Vampirjäger auf der Suche nach seinem nächsten Opfer zu sein, das aus ihrem Bekanntenkreis kommt. Devereux, ihr so eleganter, beeindruckender Vampirfreund, will sie daraufhin in Gewahrsam nehmen, da er um die Gefährlichkeit von Lyren Hallow weiß. Kismet lehnt dies ab und begibt sich mit ihrer neuen Freundin Maxie Westhaven, Reporterin des National Skeptic, zu einer Vampirpfählung. Dieses Erlebnis verändert mal wieder ihren Lebensweg und bringt sie in so manche Gefahr.

Der zweite Teil der Vampirgeschichte um Kismet Knight enthält eine Ansammlung von bekannten und unbekannten Menschen bzw. Vampiren im Leben der Vampirpsychologin, die durch Kämpfe, Leidenschaft, Widerwillen, Vampirbisse, Blut, Zerstörung, Verwirrung, Liebe, Wandlung und neue Erkenntnisse diese Erzählung beleben sollen. Dies wurde von der Autorin sehr fantastisch (Ableitung von Fantasie!) und monströs niedergeschrieben. Der Witz aus dem vorhergehenden Buch ist nicht mehr so gut beschrieben bzw. vorhanden. Leider konnte ich diesem Teil nicht so viel abgewinnen, wie dem ersten Band: siehe hier.

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Lynda Hilburn: Kismet Knight, Vampire lieben länger
ursprünglich PAN-Verlag / Droemer Knaur Verlag, Dt. Erstausgabe 2011
€ 9,99
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Vampire?

 

Kismet Knight 1Die Psychologin Kismet Knight betreibt eine Praxis in Denver. Zu ihren Patienten gehört unter anderem Midnight, die ihr von ihren Vampir-Freunden berichtet. Kismet ist aus ihrer rationalen Sichtweise heraus nicht bereit, sich auf diese Geschichte einzulassen. Aber die Zusammentreffen mit den vermeintlichen Vampiren Devereux und Bryce, dem FBI-Agenten Stevens, sowie die tote und blutleere Emerald belehren sie eines anderen. Kismet kann sich auch nicht ihrer Eindrücke aus dem Club „Crypt“ und weiterer eigenartiger Vorfälle (u.a. ihrer Entführung, nach der sie in einem Sarg auf einem Friedhof erwacht – Erfahrungen während eines Schutzrituals – die Erlebnisse mit Luzifer) entziehen. Ihre normale, erklärbare Welt wird gehörig auf den Kopf gestellt – und auch ihr Liebesleben profitiert davon.

Lynda Hilburn lässt ihre Hauptdarstellerin in die Welt der Vampire eintauchen. Ihr Widerwillen bzw. Unglauben demgegenüber werden dem Leser amüsant geschildert („Devereux‘ Privatbad! Hätte ich vor der Tür einen Knicks machen sollen?“ S. 262). Dies entlockt einem so manches Lächeln während der Lektüre.
Die Spannung wird immer wieder durch Kismets Gegenspieler und die Vampirkämpfe erzeugt. Wer gewinnt? Was passiert als nächstes?
Schöne, gut gebaute Männer entfachen auch so manche erotische Situationen, die schon mal dazu führen können, seitenweise beschrieben zu werden. Dies würzt sicher die ganze Geschichte, aber für mich hätten diese Beschreibungen gerne kürzer ausfallen können.

Als unerfahrene Leserin von Vampir-Geschichten finde ich diese Erzählung unterhaltend und amüsant. Die Anspannung der Protagonistin ist immer wieder nachvollziehbar und auf einen selbst übertragbar – wird aber nicht überreizt. Mir ist nur so manch andere beschriebene Person zu schön, um nicht zu sagen, „zu kitschig“.

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Lynda Hilburn: Kismet Knight, Vampirpsychologin
ursprünglich PAN-Verlag / Droemer Knaur, 2010
ISBN 978-3-426-28302-
€ 9,95
Amazon

„Nichts ist blöd genug, um nicht mal darüber nachzudenken“
– Sylvia Witt –

Jedes Festival gleicht der Wildnis und die Besucher der bunten Fauna, die man dort antrifft. Keiner weiß das besser als Oliver Uschmann, der in seinem Buch die über Jahre hinweg gesammelten Erkenntnisse vorstellt. Neben den Besuchern, werden auch die Künstler in Kategorien unterteilt, das Festivalessen unter die Lupe genommen und – ganz wichtig: alle Rituale erklärt. Ein Musikfestival ist eine eigene, kleine Welt, mit speziellen Regeln und Gattungen, die hier allesamt ausführlich vorgestellt werden.

Oliver Uschmann ist Musikjournalist und Autor. Er hat sie mitgemacht, die großen Festivals wie Wacken oder Rock am Ring. Die dabei gesammelten Erfahrungen waren viel zu wertvoll, als dass er sie für sich behalten konnte. Gut so, denn nun hat jeder eingefleischte Besucher von Rock im Park oder der schüchterne Neuling beim Summer Breeze den ultimativen Führer. So kann man schnell und einfach herausfinden, welcher Kategorie der Nachbar auf dem Zeltplatz zuzuordnen ist.
Gut: Die Krankenschwester, weil sie alles dabei hat, was man auf jeden Fall braucht; der Kegler, weil keiner großherziger selbstgemachten Nudelsalat und gutes Bier anbietet.
Schlecht hingegen: Der Barbar, der ist dann doch etwas rauer; der Choleriker, weil man von vornherein verloren hat; die Vandalen – da ist es egal, ob sie in direkter Nachbarschaft randalieren oder weiter entfernt: Sie finden immer ihre Opfer, zünden Müllberge und Dixiklos an und vermöbeln gerne mal jemanden. Ihre Trophäen sind die Kabelbinder der Security, mit denen sie endlich dingfest gemacht wurden.
Bereits hier erkennt man sich selbst, seine Mitreisenden und die umgrenzenden Festivalbesucher des letzten Konzertsommers wieder und kann sicherlich uneingeschränkt zustimmen. Uschmann bietet einen besonderen Service: Die fünf Lieder einer jeden Kategorie, das Motto derselben und Verhaltenshinweise, trifft man auf ein Exemplar dieser Spezies.

Weiter geht es mit den Rockern selbst, die auf, hinter, vor der Bühne stehen und das Publikum anschreien, begeistern, ignorieren oder mit lustigen roten Kappen amüsieren.
Da ist die Elfe, die fein über die Bühne schwebt und mit zartem Stimmchen ihre Lieder ins Mikro haucht, etwa eine Katie Melua oder Björk. Daneben steht die Röhre, ebenfalls weiblich, die so manchem männlichen Frontmann die Show stiehlt und ihm zeigen kann, wie man nun richtig growlt – man denke an Bonnie Tyler oder Arch Enemy-Frontfrau Angela Gossow.
Manche Musiker können ohne Nikotin gar nicht mehr überleben, frische Luft würde zum sofortigen Tod führen, daher sieht man Peter Maffay, E-Gitarren-Gott Slash oder Lemmy Kilmister nur mit Glimmstängel im Mund.
Tragisch wird es, so weiß Uschmann zu berichten, wenn man auf die Kategorie Männerherzen trifft: Der Sänger war unsterblich und leider auch unglücklich verliebt. Das gebrochene Herz spiegelt sich fortan in jeder Platte und ausnahmslos jedem Song wider, etwa bei Bruce Springsteen oder Jupiter Jones.
Schließlich wird die Fangemeinde endlich mal aufgeklärt, wie das mit den „Amtlichen Brettern“ ist: Todesbretter, Britische, Satanische, Wahre, Christliche Bretter stehen da auf den Bühnen. Dazu zählen unter anderem Marduk, Korn, Manowar oder Overkill.
Überhaupt glänzt der Autor nicht nur mit viel Wissen über Bands und kategorisiert diese übersichtlich, nein, für den Laien bietet er auch nach jeder Beschreibung eine Auswahl an Musikgruppen und Alben, damit das Einordnen beim nächsten Open Air leichter fällt.

Auch die Verhaltensrituale sind genauestens aufgeführt. Schließlich wäre es kein guter Festivalführer und ein Überleben auf diesen Veranstaltungen unmöglich, kennte man sich nicht mit Dingen wie der Bierrutsche, dem Beflaggen, Crowdsurfing oder gar der Festivalreligion „Helga!“ aus. Wichtig ist auch die richtige Benutzung der aufgestellten Dixiklos, nämlich … genau: Mit dem Einkaufswagen reinfahren, die blauen Häuschen anzünden oder sie einfach ignorieren. Außerdem darf man nicht die Skulpturen, die Beuys Tränen der Rührung in die Augen treiben würden, oder gar die Schilder mit hochgeistigen Sprüchen, wie „Titten raus, es ist Sommer!“ vergessen.

Wenn sich Uschmann um die Ernährung bemüht, denkt man sicherlich lächelnd an die eigenen Vorräte, die unbedingt dabei sein müssen: Bier. Das Grundnahrungsmittel eines jeden Festivalbesuchers. Keine Mixgetränke, denn: „Das vorgefertigte Biermischgetränk ist der Untergang des Abendlandes.“ (S. 263), und untergräbt zudem das strikte Obstverbot auf dem Gelände.
Obst, genau: Obst sieht man teilweise verschüchtert bei Lese-Lauras rumliegen, wird der Genuss desselben aber entdeckt, drohen harte Strafen. Bleiben noch nie verzehrtes Toastbrot, das die Weltherrschaft plant, Fertignudelgerichte, die süchtig machen und das Grillen. Ohne Grillen geht gar nichts! Dazu gehört ordentliches Fleisch. Vegetarier-Weltverbesserer legen lieber Auberginen und Zucchini auf den Rost, eine Freude für Gott, der beide Gemüsesorten nur zum eigenen Amüsement erschaffen hat.

Auch die Schlafplätze sind beschrieben. Dabei sollte man die Finger von 1er-Zelten lassen und alleine in einem 2er-Zelt nächtigen! Sofa nicht vergessen und tunlichst die Nachbarschaft zur lautbrummenden Generatorhölle vermeiden, rät Uschmann.
Ganz zum Schluss kommt die Security: die Sicherheitskräfte der Finsternis und des Lichts. Der Autor behält auch hier recht, sollte sich aber bei zukünftigen Festivalbesuchen vor ersteren in Acht nehmen, möchte er das Gelände lebend verlassen.
Im Anhang befindet sich ein Register aller genannten Bands.

Das kleine Büchlein würde sich schnell lesen lassen, denn es ist flüssig geschrieben. Doch beim Lesen denkt man an vergangene Festivalbesuche und küsst des Öfteren den Boden, weil man vor Lachen vom Stuhl gefallen ist, das unterbricht den Lesevorgang. Mit viel Witz und Charme beschreibt Uschmann das Rockreich. Da kann keiner widersprechen, denn der Autor hat recht: So ist es! Das Buch macht sehr viel Spaß und es erscheint zum richtigen Zeitpunkt, beginnt doch gerade wieder die Festivalsaison, hängen die Tickets für Wacken, Summer Breeze oder RIP schon lange an der Pinnwand und wird bereits fleißig geplant, wer wann wie zum Campingplatz kommt.
Zusätzlich amüsiert Uschmann mit Vor- und Nachwort. Darin sind zwei Dialoge mit seiner Frau Sylvia Witt enthalten.
Um das Beschriebene zu veranschaulichen, enthält das Buch noch ca. 30 Schwarzweißfotos vom Open-Air-Leben.

Ein sehr gelungenes Buch, das jedem Hardcorefestivalbesucher ans Herz zu legen ist, wenn er die Zeit zwischen Wachwerden und der ersten Band, die er sich anhören wird, überbrücken möchte. Aber auch für jeden Grünschnabel, der endlich alt genug ist, um sich in die Hölle zu begeben, ist die Lektüre geeignet, sollte man doch niemals unvorbereitet Neuland betreten.
Vielleicht wird man in diesem Sommer nicht nur bei Lese-Lauras die neue Pflichtlektüre mit entsprechenden Markierungen auf dem Zeltplatz vorfinden.


Zukünftiger Anblick auf Festivals?

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Oliver Uschmann – Überleben auf Festivals. Expedition ins Rockreich
Heyne Hardcore, 2012
368 Seiten, Broschiert
12,99 €
Oliver Uschmann bei Heyne
Amazon.de

Frisch, frech, fröhlich, freizügig

GeschlechtsteilchenZwölf (oder zweimal Sex) Geschichten über Sex, den Spaß, der damit einhergeht oder einhergehen kann, humorvoll verpackt von einer neuen Autorin, die uns an ihren fantasiereichen intimen Gedanken und Erzählungen teilhaben lässt.
Schon die Eröffnungsgeschichte mit dem Titel „Kopfharem“ hat mich viel grinsen lassen und zeigt einer Frau eine Möglichkeit auf, wie man sich so manche Stunden am Tag vertreiben könnte. Aber die ist eher zum „Warm“-werden.
Bei „Aufpeppen“ wird dem weiblichen Wesen unter anderem erzählt, dass „die Qualität des Sex von der Lust der Frau bestimmt“ wird. Und dass so manches dafür getan werden kann, um selbst eingefahrene Beziehungen im Bett wieder zu erfrischen.
Dann gibt es da noch die zwischenmenschlichen Berührungen einer Hundehalterin und dem Trainer ihres Vierbeiners, obwohl anfänglich nicht klar ist, dass dies so enden könnte.
In „VIP“ wird auch mithilfe von Boshaftigkeit erzählt, wie mit einer guten Portion Fantasie eine sexuell unterforderte Frau in den Mittelpunkt gestellt wird.
Das Highlight für mich war das große Kopfkino in „Geburtstag“. Mit ihrer Sprachgewandtheit und ihrem erotischen Feingefühl hat die Autorin eine Geschichte konstruiert, die viel Spannung und Knistern beinhaltet.

Lulu Bachmanns Wortwitz und ihre sehr gut ausformulierten Situationen sind es wert, gelesen zu werden. Die Frau von gestern, heute und morgen wird daran bestimmt Gefallen finden – ein Buch, das man gerne auch ein zweites Mal aus dem Bücherregal holt.
Einzig der Untertitel hat mich etwas irritiert: Ist eine Frau mit einer so reichen erotischen Fantasie gleich versaut? Ich kann das eindeutig mit „nein“ beantworten und würde mich auf ein Nachfolgewerk der Autorin freuen.

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Lulu Bachmann: Geschlechtsteilchen – Offenbarungen einer versauten Frau
Heyne HardCore Verlag, 2012
€ 7,99
Heyne Verlag
Amazon