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Trash as trash can

Ein Abend der Extraklasse für eingefleischte Trash-Fans versprach es zu werden, und die Erwartungen wurden nicht enttäuscht.

bleed-from-withinBleed from Within

Um Punkt 20.00 betreten die schottischen Jungspunde von Bleed from Within die Bühne und legen gleich ordentlich mit ihrem hämmernden Deathcore los. Die 2005 in Glasgow gegründete Truppe sieht blutjung aus, agiert aber sehr professionell und tut ihr Bestes, das schon sehr gut gefüllte Werk anzuheizen. Allerdings scheinen nicht besonders viele Fans der neueren Metal-Stilrichtungen anwesend zu sein, die Publikumsreaktionen sind verhalten, aber zumindest höflich, als sich die Jungs durch ihr Set prügeln. Mit Songtiteln kann ich leider nicht dienen, da mir die Band bisher unbekannt war und der Sänger mit einem Scottish accent sprach, der zwar wirklich lovely, aber auch komplett unverständlich war. Die Band hat bisher drei Alben veröffentlicht: Humanity von 2009, Empire von 2010 und Uprising von 2012. Laut Setlist anderer Auftritte dieser Tour wurden von allen Alben Lieder gespielt.
Beim letzten Song kommt dann allerdings doch so etwas wie Bewegung im Publikum auf, und die Band wird mit freundlichem Applaus verabschiedet.

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Ein Pagan-Sturm in München

Das Paganfest ist mittlerweile eine feste Einrichtung, sowohl in der Festivallandschaft, als auch in München selbst. Seit dem Jahre 2007 tourt das Fest nun schon zum sechsten Mal schon durch Europa und beschert der bayrischen Hauptstadt in diesem Jahr schon Monate zuvor Vorfreude. Denn nicht nur, dass wir hier eine Extended Show spendiert bekommen haben, was bedeutet, dass zwei Bands mehr sich die Ehre geben, das Menü, sprich: die Running Order, liest sich äußerst vorzüglich. Das komplette Programm besteht aus Bands, deren Namen erfreuliches Drücken in Ohren und Magen verspricht, wenn die Bassdrumm rollt und die Gitarren schreddern. Kurz gesagt, man konnte sich auf einen gepflegten Metalabend freuen.

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Rotting slow in Europe

Im Moment scheint es angesagt zu sein, dass etablierte Bands spezielle „Frühwerk-Tourneen“ machen (zum Beispiel letztens bei Covenant miterlebt) und dem Publikum noch einmal die Lieder oder ganze Platten präsentieren, mit denen sie ursprünglich berühmt wurden. Eine großartige Sache, hat man so doch Gelegenheit, sich entweder wieder sehr jung und nostalgisch zu fühlen oder aufgrund zu später Geburt etwas nachzuholen.

Zu diesem Zweck versammelte sich eine doch ansehnliche Zahl von Langhaarigen in der Backstage Halle, um die quicklebendige Florida-Death-Metal-Legende Obituary und ihre ersten drei Alben Slowly we rotCause of death und The end complete aus den Jahren 1989, 1990 und 1992 gebührend zu feiern. Davor galt es aber noch, drei andere Bands kennenzulernen und teilweise auch zu bejubeln.

The Amenta

The Amenta - 2012 -12

Den Anfang machten um kurz nach halb acht Uhr die Australier von The Amenta, die mit viel schwarzer Farbe auf der nackten Haut, viel Engagement und düster-wahnsinniger Mimik (der Sänger) das leider noch extrem spärlich vertretene Publikum versuchten auf ihre Seite zu ziehen. Die Band existiert mit diversen Line-up-Wechseln seit 2001 und spielt eine Mischung aus Meshuggah-artigen Riffs, Industrial-Metal-Anleihen und Black-Metal-Drumming, gepaart mit aggressiv-heiserem Brüllgesang. Sie kann auf mittlerweile zwei Full-length-Alben und diverse EPs zurückblicken, aus denen ein schöner Querschnitt geboten wurde, mit leichter Konzentration auf die Alben Occasus (2004) und nOn (2008). Songs wie „Sekem“, „Mictlan“, „Erebus“ oder „Vermin“ wurden sehr sauber, präzise und brachial gespielt, die Band ist definitiv erfahren und routiniert, doch konnte sie leider das Publikum nur zu vereinzeltem Kopfnicken animieren, da der Wiedererkennungswert der Stücke doch etwas gering war. Kein schlechter Auftritt, aber nichts für die Ewigkeit. Nach einer halben Stunde Spielzeit räumten sie die Bühne für die zweite Band des Abends.

Psycroptic

Psycroptic - 2012-12

Ebenfalls vom anderen Ende der Welt angereist, präsentierten die 1999 im tasmanischen Hobart gegründeten Psycroptic eine hämmernde Mischung aus technischem Death Metal, Grindcore und einigen Hardcore-Anleihen, die die ersten Besucher vor die Bühne locken konnte. Die Band agierte sehr routiniert und präzise, Sänger Jason Peppiatt brüllte sich die Seele aus dem Leib bei Titeln wie „Carriers of the plague“, „Sleepers have awoken“ oder „Euphorinasia“. Die Songauswahl konzentrierte sich auf das aktuelle Album The inherited repression und den Vorgänger Ob(Servant) aus den Jahren 2012 bzw. 2008.
Auch hier ein grundsolider, engagierter Auftritt, der einige begeisterte Reaktionen im Publikum hervorrufen konnte, im Gegensatz zu The Amenta schienen Psycroptic etwas bekannter gewesen zu sein. Ein einsamer „Zugabe“-Ruf verhallte nach einer guten halben Stunde Spielzeit allerdings ungehört.

Macabre

Macabre - 2012-12

Um viertel nach neun betrat mit Macabre aus Chicago eine Band mit einem doch recht speziellen Thema die Bühne, die ihre Musik als „Murder-Metal“ bezeichnet. 1985 gegründet, hat man sich von Anfang an auf die berühmtesten Serienkiller der Menschheitsgeschichte konzentriert und vielen davon eigene Lieder oder sogar ein eigenes Album (Dahmer) gewidmet. Sänger Corporate Death gab dann auch zu jedem Song eine liebevoll-schwarzhumorig-augenzwinkernde Einführung in die thematischen Untiefen, was den Auftritt – gepaart mit den sehr eingängigen Death-Metal-lastigen Stücken – zu einem großen Vergnügen machte. Man gab einen schönen Querschnitt durch alle bisher erschienen Alben (u.a. mit den Songs „The Iceman“, „Nightstalker“, „Hitchhiker“, Scrub a dub dub“), würdigte auch die deutschen Serienmörder Fritz Haarmann („Fritz Haarmann der Metzger“) und den „Vampir von Düsseldorf“ Peter Kürten („Vampire of Düsseldorf“) und begeisterte die mittlerweile doch ordentlich gefüllte Halle mit einem gelungenen Venom-Cover („Countess Bathory“). Ein wirklich guter und unterhaltsamer Auftritt der seit Bandgründung in unveränderter Besetzung spielenden und entsprechend kauzig wirkenden Truppe!

Obituary

Obituary - 2012-12

Nach diesmal etwas längerer Umbaupause betraten unter frenetischem Jubel um halb elf dann endlich Obituary die Bühne, vor der sich ein dichter Pulk aus Die-hard-Fans versammelt hatte (Pech für die Fotografin des Abends, da war kein Durchkommen mehr). Instrumente umgeschnallt, beeindruckende Haarprachten ins Gesicht geschüttelt, und los ging es mit „Intoxicated“ vom Debütalbum Slowly we rot. Die Stimmung in der Halle war sofort großartig und ließ auch während der folgenden 100 Minuten nicht nach. Ohne nennenswerte Ansagen (was typisch für die eher distanzierten Amis ist), aber mit einem fetten Grinsen im Gesicht schleuderten Sänger John Tardy (diese Haare!), Gitarrist Trevor Peres (diese Haare!!) und die übrigen Mannen eine Oldschool-Granate nach der anderen ins Publikum und verursachten sicher nicht nur bei mir Herzrasen vor Begeisterung. Ich habe Obituary schon diverse Male gesehen, sie waren immer gut, aber an diesem Abend waren sie großartig. Man merkte ihnen den Spaß an, den sie beim Spielen der alten Klassiker hatten, und dieser Spaß übertrug sich eins zu eins aufs Publikum. „Immortal visions“, „Infected“, „Cause of death“, „Body bag“, „Killing time“, mein Favorit „Back to one“, „The end complete“ … es hörte gar nicht mehr auf. In der Zugabe gab es noch das obligatorische Drum-Solo von Donald Tardy (diesmal ohne die „Unterstützung“ seines Bruders John) sowie „I’m in pain“ und „Slowly we rot“ zu hören, inklusive eines kleinen Ausflugs ins Publikum des zweiten Gitarristen, den seine Bandkollegen grinsend verfolgten. Zum Abschluss bat die sichtlich bewegte und erfreute Band das Publikum vor der Bühne zum Gruppenfoto und bedankte sich vielmals mit Handschlag vom Bühnenrand aus. Generell gaben sie sich an diesem Abend sehr viel fanfreundlicher und offener, als ich sie bisher erlebt hatte, Stagediver wurden geduldet und sogar angefeuert, unzählige Plektren flogen in die Halle, Drumsticks sowieso … ein wirklich schöner und denkwürdiger Auftritt!

 

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Death Before Dishonor
Das erste echte Highlight an diesem Abend waren die Bostoner Hardcoreler Death Before Dishonor. Mittlerweile hat sich diese Combo einen fast schon legendären Ruf als beinharter Live-Act in der Hardcore-Szene erarbeitet, den sie bei enthusiastischer Spiellaune immer wieder unter Beweis stellt. Leider waren diesmal einige Bandmitglieder ziemlich angetrunken und taumelten streckenweise wie ein angeknockter Boxer über die Bühne. Machte aber letztendlich nicht viel aus, da der Proll-Faktor ihrer Musik ohnehin Richtung Saufen, Prügeln und einen auf dicke Hose machen zu reduzieren ist. Nichtsdestotrotz entspringt aber genau dieser Mischung ihre große Popularität in der Gemeinde, so dass man ihnen einen versoffen-verstolperten Gig eigentlich nicht ankreiden kann. Wenn dann aber noch der Sound ziemlich breiig und undifferenziert aus den Boxen quillt, gibt dies dann doch in der Schlusswertung einige Minuspunkte. Wer keinen Ohrschutz dabei hatte, dem taten danach gehörig die Lauscher weh, fast schon unerträglich schlecht war der Mix aus dem Mischpult. Hinzu kamen dann noch die halbstarken Leibesübungen der Hardcore-Turner im Moshpit, in die man ohne Helm und Schutzanzug freiwillig nicht geraten sollte, ein diesmal echt selten dämlich wirkendes und rücksichtslos-anmutendes Getrete war da am Start- keine Ahnung, wen solch kindisches Gepose beeindrucken soll, den wenigen anwesenden weiblichen Fans offenbar nicht, versteckten sich diese im sicheren hinteren Bereich der Halle. Aber gut, man weiß worauf man sich einlässt, wenn man zu Konzerten solcher Bands geht, daher kann man sich auch nicht beschweren. Selbiges konnte man dann am Ende auch nicht, da wie immer zum Abschluss eines jeden Death Before Dishonor-Gigs ihre Hymne „Boston Belongs To Me“ angestimmt wurde, die mittlerweile in einer Liga mit Pennywises „Bro Hymn“ spielt, so eingängig und beliebt ist sie. Ein immerhin akzeptabler Abschluss eines eher durchschnittlichen Gigs.

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Walls Of Jericho
Sehnlichst erwartet wurde nun schon die allseits geliebte und beliebte Metalcore-Truppe aus Detroit, die ein steter Garant für intensive und oftmals auch unvergessliche Live-Shows sind. Frontbrüllwürfel und Eye-Catcher Candace Kucsulain ist mittlerweile Mum geworden, was man ihr auch ansieht: Sie sieht besser denn je aus, fit, durchtrainiert und ist nach wie vor bereit,die Bude zu rocken. Und wie sie das tat. Als gäbe es kein Morgen, ging von Minute eins so dermaßen der Punk ab, dass einem als neutraler Zuschauer fast der Atem stockte. München ist bekannt für sein beinahe divenhaftes und bisweilen arg lethargisches Konzertpublikum, doch bei diesem Gig bewies es das genaue Gegenteil. Wildes aber gleichzeitig rücksichtsvolles Gemoshe der Güteklasse A, wahnsinnig-anmutende Stagediving-Stunts und eine dadurch mehr und mehr euphorisierte Band machten diesen Auftritt zum Besten, was ich seit langer Zeit erleben durfte. Die heimelige Club-Atmosphäre der Halle war sicherlich ein zusätzlicher Faktor. Müßig zu erwähnen, dass der perfekte und überaus druckvolle Sound sein nicht unwesentliches Scherflein dazu beitrug. Es geht also doch, dass man in die Backstage-Halle durch ihre architektonisch-bedingte suboptimale Akustik einen anständigen Sound zaubern kann. Und wenn dann noch ein intensiver Live-Act hinzukommt, ist eigentlich alles bereitet für ein anständiges Konzert. Das Zünglein an der Waage spielt dabei das Publikum.
Candace gab mal wieder alles, inklusive ermunternder und positiver Botschaften zum Zusammenhalt und der Bedeutung der Szene für jeden einzelnen Beteiligten, als auch der oftmals verwendete Spruch: „You are the best audience so far on this tour“. Diesmal wohl wahr, zu 100% nämlich. Kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Club in einer anderen Stadt dieses Level an ausgelassener Begeisterung abrufen konnte. Dabei unterstelle ich der Sängerin aufgrund ihres unglaublichen Charismas einen wesentlichen Beitrag an der explodierten Stimmung, schafft sie es doch immer wieder mit ihrer vereinnahmenden Persönlichkeit, aus einer scheinbar teilnahmslos-neutralen Menge einen wilden Hexenkessel zu machen. Eine heutzutage wirklich seltene und fantastische Eigenschaft, sollte man seines Zeichens Frontmann/-frau einer Band sein. Ich liebe einfach diese Band und ihre Frontfrau. Und rückblickend betrachtet, habe ich eigentlich nie ein schlechtes Konzert mit ihnen erlebt.

Fazit: DEATH BEFORE DISHONOR machten das, was sie immer am Besten machen, nur leider mit der abstoßend-wirkenden übertrieben aggressiven Stimmung; WALLS OF JERICHO aber das genaue Gegenteil: Positive Aggressivität, unterstützt durch ein fantastisches Publikum, welches an diesem Abend der klare Gewinner war. Würde mir wünschen, mehr Konzerte dieser Sorte zu erleben.

 

Reiter rocken im heißen Hirsch

Konzerte beginnen nicht mit dem ersten Ton, nein, sie beginnen bereits vor dem Einlass. Da stehen viele schwarzgekleidete Personen und lauschen dem letzten Soundcheck, manche hauen sich noch schnell eine Pizza rein oder trinken das Bier aus, das sie in Händen halten. Man begrüßt sich, hört im Auto Musik, raucht. Es ist eigentlich eine sehr friedliche Sache und auch wenn man es uns nicht zutraut: Wir stellen uns brav und ohne zu drängeln in einer Schlange an, auf den Einlass wartend. Dennoch ist es faszinierend, wie die Außenwelt auf uns reagiert: Da ist der ältere Herr auf seinem Abendspaziergang und wird natürlich aufmerksam. Als schließlich Musik einsetzt, mit viel Drums und Bass, bleibt er stehen, die Augen nehmen einen ängstlichen Ausdruck an. Er guckt um sich, macht noch ein paar Schritte und wendet sich dann in die Richtung, aus der er gekommen ist, um in erhöhtem Tempo wegzukommen. Und da sind die beiden Jungs, die eigentlich schon ganz cool sind und einer von ihnen hat sogar leuchtendgrüne Sportschuhe an – vermutlich hat die auch sein Fußballidol. Nein, durch die Menge der Schwarzgewandeten trauen sie sich dann doch nicht und auch nicht an uns vorbei. Man weiß ja nie… Da versagt die Coolness ein wenig. Aber schmunzeln können wir darüber, schließlich sind wir das ja gewohnt.

„Ihr habt gutes Bier!“

Im Hirsch selbst ist noch gar nicht so viel los, wie zuerst vermutet. 18:00 Uhr ist auch am Samstag zu früh, um auf ein Konzert zu gehen. Viele sitzen draußen oder stehen an der Bar. Als es dunkel wird, betreten fünf Männer die Bühne und machen bereits mit den ersten rockigen Klängen auf sich aufmerksam. Als Malrun aus Dänemark stellen sie sich vor, zunächst noch auf Englisch. Sie rocken, sind gut drauf und schaffen es, ihre gute Laune langsam auf das Publikum zu übertragen. Und tatsächlich: Der Hirsch füllt sich immer mehr und Malrun geben Gas. Jacob Lobner, Leader und kraftvolle Stimme der Band, spricht schließlich Deutsch und erklärt, dass er total begeistert davon ist, mit den Apokalyptischen Reitern unterwegs zu sein. Wir seien sicherlich überrascht, weshalb er „ein bisschen“ unsere Sprache spreche: Er habe als Kind immer deutsche Serien geguckt. Fernsehen bildet eben doch. Sofort geht es weiter. Die Dänen bieten Rock, gemischt mit Shouts und hymnischen Elementen. Es scheint kein fester Stil zu sein, kein reines Genre, das sie liefern, aber genau das macht sie hörenswert: die Abwechslung. Manchmal erinnern sie sogar ein bisschen an Queen, wenn Jacob den Arm in den Himmel – oder zumindest zur Saaldecke – reckt, die Augen schließt und seine Textzeilen ins Mikro schmettert.
Gute Riffs bieten sie, hier fällt mir spontan HammerFall ein, und dann sogar Passagen, die richtig guter Black Metal sind. Ich kann sie nicht einordnen, aber das ist vielleicht auch gar nicht nötig. Wichtig ist, dass Malrun rocken und die Stimmung schon mal gut anheizen. Nach vierzig Minuten ist es vorbei und die Dänen teilen uns noch zwei Erkenntnisse mit: „Mann, die Jungs (Anm. d. Red.: Die Apokalyptischen Reiter) können saufen!“ und: „Ihr (Anm. d. Red.: Deutschen) habt gutes Bier!“. Dem kann man einfach nicht widersprechen.

Neue Schuhe

Der Umbau geht schnell vonstatten und auf der Bühne gibt es für den zweiten Support etwas mehr Bewegungsfreiheit. Diese hatte Malrun absolut gefehlt.
Mit Drums, Percussion, Bass, Gitarre, einem Sänger und einer fetzigen Sängerin geht es weiter. Bevor Kontrust die Bühne erobern, ertönt Jahrmarktsmusik, dann diabolisches Lachen, als beträte man ein Gruselkabinett. Diese Elemente wiederholen sich auch während des Auftritts immer wieder.
Nun stürmt aber endlich die Band auf die Bühne und legt sofort los. Aus Wien kommen sie und einmal mehr wird festgestellt, dass Bayern und Österreich ja doch irgendwie zusammengehören.
Sänger Stefan zeigt sich omnipräsent: Er nimmt die gesamte Bühne ein, tanzt, springt, rennt von einer Seite zur anderen, spielt mit den Mikroständern, die mit Fahnen geschmückt sind und ist kaum zu fassen. Voll in seinem Element singt er, flirtet mit Publikum und Bandkollegin Agatha, die ebenfalls wilde Textzeilen ins Mikro schreit.
Ihre Ansagen sind lang, die beiden unterhalten sich, haben Spaß und übertragen diesen auf die Zuschauer, die mittlerweile zahlreich geworden sind und ordentlich mitfeiern.
Einen politischen Song wollen sie darbieten und fragen, wo die Streber sind. Doch wer würde sich schon freiwillig als ein solcher outen? Niemand, genau. Daher meint Agatha auch „Keiner? Das ist so, wie: Keiner wählt FDP. Wobei, mittlerweile tuts doch jeder!“ Sogar an deutscher Politik scheinen sie interessiert zu sein, ist einen Tag nach dem Konzert doch Landtagswahl in Schleswig-Holstein.
Kontrust werden sehr gut angenommen: Bei ihnen klatscht man den Takt mit, singt einzelne Zeilen nach und macht auch mit, wenn es gefordert wird. Bei einem Song werden Feuerzeuge geschwenkt, beim nächsten schüttelt das Publikum begeistert die Köpfe und schwingt die Arme durch die Luft. Ihre Musik zu beschreiben ist gar nicht so einfach. Teilweise könnte man sie als Punk bezeichnen, am besten kann man sich Kontrust aber vorstellen, wenn man an die Guano Apes denkt. Eine sehr sympathische Frontfrau, ein äußerst agiler Sänger und die Instrumentalisten verstehen ihr Handwerk.
Vergangene Woche erst wurde das neue Album „Second Hand Wonderland“ veröffentlicht und natürlich bekommen wir einige Songs daraus zu hören. Zwischendurch erfahren wir auch noch, dass Stefan neue Schuhe braucht, mit Klettverschluss, aber keiner möchte seine abgeben. Schade. Doch es bleibt keine Zeit für Traurigkeit, denn das nächste Lied reißt mit: Mit viel Bass, schnellem Rhythmus und der Aufforderung, zu „jumpen“, wird weitergefeiert. Nach 45 Minuten steht fest: Nürnberg mag die Österreicher – und die finden die Stimmung „leider geil“!

„Die Sonne scheint mir aus dem…“

Der Umbau ist rasch abgeschlossen an diesem Abend. Das reicht für eine Zigarette, den letzten Schluck Bier und das Vordrängeln in die ersten Reihen. Der Hirsch ist mittlerweile bis auf den letzten Platz gefüllt und das Publikum wird unruhig. „Wir wollen die Reiter sehen!“, wird lautstark bekanntgegeben und es missfällt manchen, dass ein schwarzer Vorhang aufgehängt wurde, damit die Umbauarbeiten nicht verfolgt werden können. Außerdem wird dieser bei Konzertbeginn von hinten mit grünen Lichtern angestrahlt, während ein langer Text vorgetragen wird – der niemanden zu interessieren scheint und der leider in oben genannten Rufen untergeht. Doch endlich stehen die Reiter auf der Bühne, der Vorhang fällt, die Musik erklingt und man sieht… nicht ganz so viel: Hauptsächlich ist da Nebel, der nur die Silhouetten von Gitarrist Ady und Bassist Volk-Man enthüllt. Die legen sich auch gleich ins Zeug, genauso wie der unsichtbare Schlagzeuger Sir G. Von einer kleinen Erhöhung im hinteren Teil der Bühne springt schließlich Fuchs nach vorne und beginnt eine exzellente Show. Die Töne sitzen, die Texte werden uns entgegen geschmettert und der Sänger läuft hin und her, dreht sich, grinst und gibt bereits jetzt alles.
Die Menge dankt es ihm. Es wird gemosht, wild mit den Haaren um sich geschlagen, im Takt geklatscht. Auch erweisen sich die zahlreichen Fans als äußerst textsicher: Eigentlich könnte Fuchs still bleiben, jeder noch so kurze Vers ist bekannt. Die Stimmung ist großartig! Einige Mutige lassen sich auf Händen von der Menge tragen, einmal durch den ganzen Hirsch. Zwischendurch wird auch die Kanone gezündet, die auf der Bühne steht und Papierschnipsel in die ersten Reihen pustet.
Es wird wärmer, nein, es wird brütend heiß! Wie das die ersten Reihen aushalten, die so dicht stehen, dass die sprichwörtliche Maus nicht mehr dazwischen passt, ist mir ein Rätsel. Immerhin wird auf Bitte des Sängers hin Wasser verteilt – das scheint auch dringend notwendig zu sein.
Bewundernswert ist der Gitarrist, der die ganze Zeit über ein Lächeln auf den Lippen trägt, das zeigt, wie viel Freude er an dem Gig hat.
Ach ja, nicht zu vergessen der Keyboarder. Dr. Pest im gewohnten knappen Lederoutfit und hin und wieder die aufgebaute „Schaukel“ benutzend, steht zwar im Hintergrund, trotzdem ist seine Show perfekt. Sichtlich Freude bereitet ihm das Schwingen der Lederpeitsche.
Musikalisch bieten die Reiter das, was sie versprochen haben: The greatest of the best. „Wir reiten“ animiert zum Feuerzeug-Schwenken und ist nahezu das einzige ruhige Lied auf der Setlist. Die Nebelmaschinen sprühen drei Rauchsäulen in die Höhe, die mit rotem Licht angestrahlt werden: Die Effekte sind gekonnt eingesetzt.
Wo es passt, stimmt das Publikum „Hey“-Rufe an, da bedarf es nicht einmal mehr einer Aufforderung.
Die Reiter hauen ordentlich rein. Gewohnt schnelle Rhythmen, viel Bass, wirklich guter Sound und eine tolle Show. Auch die Hitze kann die Fünf von nichts abhalten. Anfangs wechselt Fuchs noch sein Hemd, tauscht es gegen Weste oder gar einen langen Mantel ein, schließlich aber steht er oben ohne da.
Ein Keyboardsolo sorgt für eine kurze Verschnaufpause, doch die ist auch schnell wieder vorbei. Es geht weiter mit Songs wie „Die Flut“, „The Iron Fist“ oder „Reitermania“. Auch das „Seemannslied“ fehlt nicht. Ein weiblicher Fan wird in ein knallschwarzes Gummiboot gesetzt und einmal durch den Hirsch über die Köpfe der Zuschauer getragen. Die Seemannsbraut wagt dann auch noch ein Tänzchen mit Fuchs auf der Bühne und grölt den Refrain mit.
Ob es die danach geforderte Wall of death wirklich gibt, kann ich nicht sehen.
Nach etwa einer Stunde verschwinden die Reiter, aber man will sie noch nicht gehen lassen. Klar, sie lassen sich nicht lange bitten und kommen zurück. Drei Songs werden gespielt und der emotionalste Moment des Abends ist wohl der Refrain von „Roll My Heart“, der einstimmig von den Anwesenden gesungen wird. Es klingt nach eher tausend Zuschauern, nicht nur nach geschätzten 300.
Die Musiker sind noch nicht einmal von der Bühne gegangen, da ertönt erneut der einstimmige Ruf nach einer weiteren Zugabe. Wir haben noch lange nicht genug, auch wenn es brütend heiß ist.
Ja, es gibt noch ein letztes Lied und auch wenn es unmöglich scheint, drehen Band und Publikum noch einmal auf. Die letzten Reserven werden zusammengekratzt, nun headbangen auch die hintersten Reihen und grölen mit. Und ja, uns allen scheint in diesem Moment „die Sonne aus dem Arsch“. Es ist eine berauschende Stimmung, wie auf einem Festival vor der Hauptbühne. Unglaublich, wie Die Apokalyptischen Reiter begeistern, wie stark die Anwesenden mitgehen.

Fazit für diesen Abend: Drei tolle Bands und ein fantastisches Publikum. Die Reiter haben das Beste vom Besten gezeigt – nur leider viel zu kurz.

Stimmengewalt aus St. Pauli trifft Münchener Härte


Chris „The Lord“ Harms in seinem Element
Der Löwensaal ist gut gefüllt mit Eisbrecher-Fans und wir warten sehnsüchtig darauf, dass es losgeht. Um 20 Uhr kommt dann auch schon ein gut gelaunter Alexx auf die Bühne und begrüßt uns mit einem Lächeln. Im Zoo war er gewesen, er hat den Eisbären – Flocke, wie wir dann herausfinden – besuchen wollen. Nur ist Flocke in der „für Eisbären typischen Umgebung“, nämlich in Frankreich. Dafür waren die Geschwister da und der Papa, der etwas seltsam im Kreis lief. Kleine Anekdoten aus dem Hause Wesselsky und wir haben Spaß dran.
Doch dann wird es ernst, denn Alexx kündigt endlich seine guten Freunde aus St. Pauli, Hamburg an: Lord of the Lost. Die kommen nach und nach auf die Bühne, die von blauem Licht erhellt wird. Ganz zum Schluss läuft Chris Harms ans Mikro und es geht los. Die Band gibt von Beginn an alles, lässt gleich einen Song hören, der auf das neue Album kommen soll, das aber erst im September erscheinen wird. Die Menge geht mit. Nürnberg scheint die Hamburger zu lieben, die eine tolle Show abliefern. Nicht nur der neue Drummer Disco, der zum ersten Mal in der Frankenmetropole spielt, gibt Vollgas und bewährt sich bei dieser Show. Gared Dirge ist an der Gitarre zu sehen und gibt ein wirklich gutes Bild ab, wenngleich für einige etwas ungewohnt. Bo Six spielt wie immer mit viel Leidenschaft auf seiner Cyan, „Musik ist meine Religion“, gibt er selbst an, was bereits nach den ersten Akkorden überdeutlich ist. Class Grenayde bedient seinen Bass, während er ordentlich headbangt und leider sehr schlecht beleuchtet wird. Lord of the Lost spielen ein Gemisch aus alten und neuen Songs und heizen damit ordentlich ein. Die Temperatur im Löwensaal steigt und das Publikum steht nicht mehr still. Es wird geschrien, geklatscht, mitgesungen – und da ist es egal, ob das Lied noch gar nicht auf Platte ist, die Refrains sind eingängig genug. Sänger Harms mit seiner unverkennbar tiefen Stimme beweist einmal mehr, was er kann. Ob es sanfte Klänge sind oder die Schreie ins Mikro, die zeigen, wie er lebt, was er singt: Es gelingt und begeistert bis in die letzten Reihen.
Selbst auf der Empore, wo der Sound nicht ganz klar ankommt, findet man die teilweise komplett unbekannten Hamburger spitze und möchte mehr, mehr, mehr!


Hochkonzentriert an der Gitarre: Bo Six

Für eine Supportband selten, darf die Truppe fast 50 Minuten auf der Bühne stehen und nutzt das auch voll aus. Mit dabei das Lady Gaga Cover „Bad Romance“, das wohl nur ein Chris Harms derart überzeugend adaptieren kann, das wundervolle „Dry The Rain“, dessen Refrain kurzerhand das Publikum singen darf und zum Schluss ein Schmankerl, „Eure Siege“. Denn Alexx und Chris waren nicht faul und haben sich zusammengesetzt und ein paar Lieder geschrieben. „Eure Siege“ klingt so sehr nach dem Eisbrecher-Sänger, dass Chris diese Info gar nicht weiterleiten bräuchte. Vollkommen untypisch ist das Stück auch noch auf Deutsch. Er passt nicht in das Lord of the Lost-Konzept, das sich dem Englischen verhaftet sieht. Daher sind die eingefleischten Fans der Band auch skeptisch. Und doch: Der Lord wäre nicht der Lord, wenn er nicht auch diese vermeintliche Hürde meistern würde und zwischenzeitlich fragt mich wirklich jemand – der keine Sicht auf die Bühne hat: „Wer singt denn da? Steht Alexx schon da vorne?“ Nein, tut er nicht. Deutsche Songs – gerne mehr, aber unter anderem Namen.
Unter großen Jubel verlassen sie die Bühne und haben in Nürnberg mit Sicherheit viele neue Fans dazugewonnen. Chris Harms verabschiedet sich und stellt gleichzeitig „meine besten Freunde, meine Familie“ vor; schöne Worte, die zeigen, wie sehr die „LotLs“ zusammengehören.
Die Hamburger sind eine Band zum Anfassen, nehmen sich danach viel Zeit für jeden Fan und jeden Fotowunsch und können sich selbst kaum losreißen, als die Halle bereits geräumt wird.


Alexx Wesselsky heizte die Stimmung an

Die Umbaupause ist vor allem dadurch gefüllt, dass die Security verzweifelt, weil der Support einen Teil des Equipments durch das Publikum tragen muss und natürlich niemand zur Seite gehen will. Jeder drängt nach vorne, auch wenn dort nicht einmal mehr für die sprichwörtliche Maus Platz ist. Das Konzert ist ausverkauft, manch einer kommt auch erst zum Hauptact in den Löwensaal, der kocht. Es ist derart heiß, dass die Frauen tiefe Einblicke gewähren und die Herren, sofern sie denn im Anzug gekommen sind, ihre Krawatten lockern. Auf der Empore sind die Türen zu den kleinen Balkonen geöffnet worden, um dort frische Luft zu schnappen – doch es dringt derartig viel heiße Luft nach draußen, dass man von der Kühle überhaupt nichts abbekommt.
Endlich wird es dunkel, endlich beginnt das Intro und endlich kommen die Eisbrecher auf die Bühne und rocken den Saal. Textsicher wird mitgegrölt, Alexx lautstark empfangen, der sogleich den ersten Song ins Publikum drischt. Der Sänger ist bester Laune und überträgt diese auf jeden Anwesenden. Immer wieder spricht er uns an, freut sich, dass so viele da sind, dass die Tour und das aktuelle Album „Die Hölle muss warten“ derart erfolgreich sind. Er bedankt sich bei den Fans, „weil man das ja auch mal sagen muss“, dabei haben wir zu danken für einen solch grandiosen Auftritt.
Wo es nur geht wird getanzt, die Arme sind oben, der Takt wird mitgeklatscht. Nicht nur das neue Album kommt zur Sprache, auch alte Songs werden dargeboten und gerne einmal mehr live erlebt.
Die herumgereichte Flasche findet nicht den Weg zurück zu Alexx – das sei in München auch schon so gewesen, aber so seien die Bayern halt. Immerhin ist er sich bewusst, dass Franken doch etwas ganz anderes ist und nur auf dem Papier zum Freistaat gehört. Dafür brillieren wir aber damit, dass wir das erste Publikum sind, das den Takt richtig mitklatscht. Verwunderte Blicke, denn bei „Vergissmeinnicht“ sollte diese Aufgabe eigentlich leicht zu bewerkstelligen sein.
Aber Alexx kommt dann doch noch zu seinem Wodka und der Sprechchor „Trink, trink, trink“ beginnt. Natürlich kommt der Sänger dieser Aufforderung nach, setzt dann aber doch die Flasche ab und meint schmunzelnd: „Die restlichen Lieder müsst ihr singen!“ Damit haben wir kein Problem, nur hätte Wesselsky seine Setlist nicht verunstaltet, wüssten sowohl er als auch wir, welches überhaupt das nächste Stück sein wird.
Aber zum Glück sind wir ja alle verrückt – das beweist auch unsere Anwesenheit in dem viel zu engen, viel zu stickigen Löwensaal. Da wundert es auch nicht, wenn sich jemand nicht mehr auf den Beinen halten kann.


„Zum Glück bin ich verrückt“ – Noel Pix tobte über die Bühne

Vor zwei Wochen entbrannte – angestoßen von Lord of the Lost Fans – eine Diskussion über die Kommerzialisierung deutscher Bands. In diesem Rahmen wagte es auch eine Person, Eisbrecher als „Schlager“ abzustempeln, eine etwas unglückliche Formulierung, die eine heiße Debatte nach sich zog, an der sich auch Alexx beteiligte. Ob er sich deshalb den Scherz erlaubt und tatsächlich Schlager anstimmt? Nun, das weiß keiner so genau. Zuerst gibt es vereinzelt Buhrufe, was aber Eisbrecher nicht von ihrem Vorhaben, „Tränen lügen nicht“ zu performen, abbringt. Viel irritierender ist die Textsicherheit der Anwesenden, die kurzerhand den Gesang übernehmen, Feuerzeuge oder sogar Wunderkerzen auspacken und das Schunkeln anfangen. Vielleicht waren wir alle einmal jung und dumm und wir können das als Jugendsünde abtun. Und „Mir san a bairische Band“ ist ja nun auch korrekt und auch wenn die Franken mit dem Dialekt so ihre Probleme haben, sie singen trotzdem mit – und können auch hier jede einzelne Zeile. Wie seltsam das Eisbrecher-Völkchen doch manchmal ist.
Der Spaßfaktor ist allerdings nicht zu unterschätzen und die Band tut uns dann auch den Gefallen und haut den nächsten Kulthit raus.
Über eine Stunde stehen sie auf der Bühne und geben alles. Ich frage mich ernsthaft, wie man das bei der Hitze, die durch das Scheinwerferlicht und die körperliche Betätigung noch verstärkt wird, aushalten kann – zumal sich Eisbrecher im Vergleich zu den St. Pauli Jungs nicht ihrer Oberbekleidung entledigen. Großen Respekt dafür!
Ja, wir bekommen eine Zugabe und ja, man kann eine Bombenstimmung toppen, auch wenn ich das nicht für möglich gehalten hätte. Alexx hat vor Jahren für seine ehemalige Band Megaherz einen Song geschrieben, der Männern und auch so mancher Frau aus der Seele spricht: „Miststück“. Wir singen, brüllen, die Wut kommt raus, die Köpfe werden geschüttelt, die Arme fliegen in die Luft. Ein bisschen wird noch geübt, damit das Publikum dann auch seinen Einsatz nicht verpasst, noch einmal der Refrain, und noch einmal und noch einmal. Keiner scheint genug bekommen zu können und Eisbrecher unterlegen das Ganze zusätzlich mit viel Drums und schließlich mit noch mehr Bass. Der Song scheint endlos weiterzugehen und als es dann doch vorbei ist, besteht der ganze Löwensaal nur aus Jubel und „Eisbrecher“-Rufen.
Es war ein derart gelungener Auftritt, dass man kaum nach Hause gehen möchte und vor allem einen Wunsch hat: Kommt bitte ganz schnell wieder nach Franken – „Die Hölle muss warten“, aber wir bitte nicht zu lange!


Für Alexx ist es noch lange nicht Zeit zu gehen


Setliste Lord of the Lost
Intro 2012
Live Today / Black Lolita
Sex On Legs
Die Without A Scar
Heart For Sale
Bad Romance
Prison Piano
Prison
Epiphany
Break Your Heart / Prologue
Dry The Rain
Verabschiedung 
Eure Siege

Setliste Eisbrecher

Exzess Express
Willkommen Im Nichts
Angst
Abgrund
Verrückt
Antikörper
Leider
Herz aus Eis
Amok
Tränen Lügen Nicht / Mir San A Bairische Band
Die Engel
Prototyp
Vergissmeinnicht
Schwarze Witwe
Heilig
This is Deutsch
Zugabe I
Kann Denn Liebe Sünde Sein
Ohne Dich
Miststück
Zugabe II
Die Hölle Muss Warten

„Ohne Sünde wär’s hier so langweilig“

Der Hirsch in Nürnberg füllt sich nur langsam. Die erste Reihe ist dichtbesetzt, Hauptsache eine Hand am Gitter, dahinter ist es leer. An der Bar tummeln sich einige Besucher, aber es scheint nicht voll zu werden heute Abend.
Weit gefehlt. Denn kurz bevor Hämatom auf die Bühne stürmen, füllt sich die Location doch und die ersten Sprechchöre rufen nach der Band. Die startet gleich voll durch, holzt drauf los und gibt mit dem ersten Song an, wo der musikalische Hammer an diesem Abend hängt. Das Publikum ist zweigeteilt: Entweder sind da kreischende Fans, die allem Anschein nach dieser Band hinterher reisen und jede einzelne Note der Songs im Schlaf kennen, oder aber es sind verwunderte Blicke derer, denen Hämatom noch fremd ist.
Während Sänger Nord sich die Seele aus dem Leib singt, drischt Drummer Süd auf sein Drumset ein. Die Hände sind oben, die Köpfe werden geschüttelt und die Texte laut mitgesungen. Mir fällt auf, dass viele Passagen der Lieder aus Sprichwörtern oder Kinderreimen bestehen, da fällt es nicht sehr schwer, beim zweiten Refrain auch die Stimme zu erheben.
Mit Totenkopfmasken, Spitznieten auf dem Kopf oder einer Henkersmaske präsentieren sich die vier Musiker gut gelaunt einem Publikum, das immer mehr Spaß an der Musik entwickelt. Man rückt nach vorne, klatscht mit, jubelt – und findet es toll, dass beim EAV-Cover „Willkommen im Neandertal“ ein Gorilla auf die Bühne kommt und sich hinter Percussions stellt. Selbiger tritt aber auch an den Bühnenrand und headbangt, wenn er sonst nichts zu tun hat. Ein gelungener Gag. Auch der Schnipselregen, der über die Fans ergossen wird, ist eine nette kleine Idee.
Viel Leidenschaft zeigt neben dem Sänger, der noch schnell „Spieglein“ zum Besten gibt und seinen Hass auf Heidi Klum und Topmodels rausbrüllt – sehr zur Freude der anwesenden Weiblichkeit -, auch Schlagzeuger Süd hinter seinen Drums. Dabei muss das arme Instrument dran glauben und ein Becken geht zu Boden.
Auch kritische Töne werden angeschlagen und so wird ein Schild hochgehalten, auf dem der letzte Refrain zum Mitsingen steht: „Schau, sie spielen Krieg. Ob er ihn wohl besiegt? Jetzt bluten sie aus Kopf und Bein, so doof muss man erst sein.“
Ein gelungener Auftritt von Hämatom, die dem Publikum ordentlich einheizen und Nackenschmerzen verursachen. Sie haben heute Abend sicherlich neue Fans dazugewonnen.

 


„Halb ausgezogen, aber glücklich.“

Die Umbaupause dauert nicht allzu lange. Es müssen schließlich nur die Bühne leergeräumt und das Schlagzeug ausgepackt werden. Es wird dunkel, Drummer Bam Bam stolpert auf die Bühne, findet aber doch noch seinen Platz. Nach und nach erscheinen die anderen Musiker, bis schließlich unter lauten Jubelrufen Lex nach vorne kommt und auch sofort loslegt. Das Publikum ist erstaunt, aber begeistert: Megaherz beginnen nicht mit den Songs des neuen Albums, sondern mit altbekannten Liedern, wie „Glas und Tränen“, „Beiß mich“ und „5. März“. Da kann jeder mitsingen und das wird auch getan. Auf diese Weise können auch die mithalten, die mit den neuen Texten noch nicht so vertraut sind. Lex spricht Nürnberg an, nimmt die ganze Bühne ein, läuft herum, tanzt, bangt, flirtet mit den Kameras und der ersten Reihe. Er ist gut gelaunt und auch wenn er einige Tage zuvor ankündigte, die Stimme sei angeschlagen: Davon ist nichts zu bemerken und der Sänger gibt wirklich alles. Die Band hat sichtlich Spaß, grinst, bewegt sich, animiert immer wieder zum Mitklatschen oder -singen.
Mit „Jagdzeit“ wird dann aber endlich Neues vom aktuellen Album „Götterdämmerung“ präsentiert. Der Hirsch kocht geradezu. Es wird gemosht, was das Zeug hält und in den ersten Reihen steht man dicht gedrängt, obwohl nach hinten viel Platz wäre. Die auftretenden Soundprobleme werden rasch behoben, viele bekommen davon nicht einmal was mit.
Zwischen den einzelnen Songs steht Lex lächelnd auf der Bühne, ruft den anderen Bandmitgliedern etwas zu oder zieht sich kurz um. Das schwarze Sakko wird gegen ein weißes ausgetauscht, das Licht wird zu einem bläulichen Schimmer und der „Mann im Mond“ steht allem Anschein nach wahrhaftig vor uns. Mit Gefühl präsentiert der Sänger den neuen Song und kommt damit gut an. Wie spontan der Ausflug ins Publikum war, weiß ich nicht. Jedenfalls stand „Freiflug“ nicht auf der Setlist. Der Sänger rutscht von der Bühne, dreht sich auf den Rücken und wird auf Händen getragen. Passend dazu sein Gesang: „Und ich flieg…“. Lex fliegt auf den Händen seiner Fans einmal quer durch den Hirsch. Mit einem Grinsen gelangt er schließlich wieder auf die Bühne und zupft seine Klamotten zurecht. „Halb ausgezogen, aber glücklich“, murmelt er.
Beim „Rabenvater“ wird sowohl auf als auch vor der Bühne der ganze Hass rausgebrüllt, ein ernstes und unschönes Thema, das Megaherz hier anschneiden.
Nach einer Stunde ist es vorbei und die Band verlässt die Bühne. Es gibt nicht einmal groß Applaus dafür, im Gegenteil: Sofort ertönen die Zugabe-Rufe und man muss Megaherz auch nicht lange bitten. Wunderkerzen werden verteilt und angezündet, „Happy birthday“ wird angestimmt und Lex setzt sich auf einen Barhocker auf die Bühne, grinst und bedankt sich. Überhaupt lacht der Frontmann ziemlich viel. Die gute Laune ist überdeutlich und ich habe noch nie einen Sänger derart gelöst auf der Bühne stehen sehen.
Drei Lieder gibt es, das Publikum wird zum Tanzen aufgefordert und interpretiert das ziemlich frei: Irgendwas zwischen Hüpfen, Bangen und tatsächlichen Tanzschritten wird versucht. Doch auch danach hat der Hirsch noch nicht genug und Lex kommt erneut nach vorne. Da die „alten Herren“ noch eine kurze Raucherpause brauchen, die Sucht will schließlich befriedigt werden, unterhält er die Fans mit einer etwas wirren Geschichte über lange Unterhosen, die er aber nicht trägt trotz der Kälte und seinen deshalb abgefrorenen Eiern, alles natürlich nur uns zuliebe.
Nach „Heute Nacht“ wird noch mal eines der schönen, alten Stücke ausgegraben. Denkt man, dass die Stimmung nicht noch besser, noch aufgeheizter werden könnte, wird man nun eines Besseren belehrt. Der Saal tobt! Lautstark wird mitgesungen, sich in den Armen gehalten, gebangt und mit den Fäusten in die Luft geschlagen, als jeder voller Inbrunst „Miststück“ brüllt. Vermutlich haben alle Anwesenden ein solches vor dem inneren Auge, das er gerade anbrüllt.
Zufrieden verlassen Megaherz nun die Bühne.

Es war ein toller Abend, beide Bands haben alles gegeben und berauschende Auftritte hingelegt. Der Nacken wird noch etwas schmerzen und die Stimme erst morgen zurückkommen, aber das war es wert.


Setlist Megaherz
Intro
Glas und Tränen
Beiss mich
5. März
Kopfschuss
Jagdzeit
Prellbock
Mann im Mond
Herz aus Gold
Dein Herz schlägt
Freiflug
Rabenvater
Feindbild
Gott sein
1. Zugabe
Licht am Ende der Welt
Abendstern
Heuchler
2. Zugabe
Heute Nacht
Miststück

Umbra und Niko spalten den Hirsch

Es ist 20 Uhr in Nürnberg und die Bühne betritt ein einsamer Mann mit seinem Cello. Darf ich vorstellen: Umbra, so heißt das Instrument und der Musiker ist Nikolaus Herdieckerhoff. Zusammen sind sie Cellolitis. Bereits hier merkt man die Leidenschaft und die Freude an der Musik. Bei der allgemeinen Abstimmung über die Vorgruppe bei einem Konzert von Coppelius im Dezember in Berlin – damals gewannen die Piraten von Vroudenspil – bewarb sich der Künstler. So entstand der Kontakt zum Kammercore und anscheinend auch eine Freundschaft. Begeistert erzählt Niko auf der Bühne, dass er mit den Herren im Tourbus, ein Nightliner, fahren darf und welche Ehre es ist, gemeinsam mit ihnen auf der Bühne zu stehen. Ja, manchmal redet er ganz schön viel und erzählt von sich, aber es wird nicht langweilig. Seine Lieder sind selbstgeschriebene Kompositionen oder Eigeninterpretationen großer Werke. Das spricht nicht jeden an. Manche verlassen den Hirsch für die Dauer des Auftritts. Ein bisschen fehlt die Freude in der Musik, die Leichtigkeit, das Einstimmen auf das Konzert. Getragen und sehr ernst geht es auf der Bühne zu, wenn Niko über die Saiten streicht, aber er spielt mit viel Bass und Leidenschaft. Da oben ist es ziemlich dunkel. Nur ein grünlicher Scheinwerfer beleuchtet den Mann mit Hut und Umbra. Irgendwann folgt eine lange Ansage, die davon berichtet, wie Niko zum Cellospielen gekommen ist. Niemand scheint richtig hinzuhören, aber als er am Ende sagt, dass es ihm „scheißegal“ ist, dass das nächste Stück ein recht Bekanntes Werk von Bach ist, da jubeln viele. Hinter mir werden Stimmen laut, die vermuten: „Es wird nur gejubelt, weil er scheißegal gesagt hat.“ Vielleicht ist das so.
Niko scheint teilweise etwas nervös zu sein, wie das Publikum meint, vergreift er sich, spielt falsche Töne. Doch später erfahre ich im Gespräch mit dem Künstler, dass dies keineswegs der Fall war. Das war seine eigene Interpretation und gehörte dazu. Natürlich betritt bald der selbsternannte beste Klarinettist der Welt die Bühne und spielt mit Cellolitis zusammen „Begala E Vena“, die ein paar Tage zuvor schon auf youTube gestellt wurde. Sie passen gut zusammen, die Klarinette und das Cello.
Das vorletzte Stück stellt eine musikalische Untermalung zu Radionachrichten dar. Es geht um Krieg, Leid, Hunger, Tod. Schüsse sind zu hören und wenn man die Augen schließt, sieht man die Bilder aus dem Fernsehen, Bilder vom Krieg, die leise unterlegt werden mit Musik, damit sie noch tragischer rüberkommen. „2017“ heißt das Stück und es gefällt absolut nicht jedem. Die Leute, die um mich herumstehen hoffen, dass dieses Jahr die Welt untergeht, wenn das die Musik ist, die es 2017 geben wird.
Das Publikum ist geteilter Meinung, jubelt und applaudiert aber trotzdem und zollt dem jungen Künstler Respekt. Ich selbst bin sehr zwiegespalten und werde erst mal die beiden CDs anhören, bevor ich mich festlege.

Der Bart ist ab – Coppelius präsentieren sich bestens gelaunt

 

Die Umbaupause ist ziemlich sinnlos, es gibt nämlich gar nichts, das umgebaut werden müsste. Aber die Herren Coppelius lassen sich Zeit. Man ist ja schließlich im gesetzten Alter und das Auditorium kann ruhig warten. Als es endlich dunkel wird, schleicht Butler Bastille mit seiner Laterne auf die Bühne. Wie immer sieht er sich um, ob alles in Ordnung ist, entdeckt die Zuschauer und wählt eine Person aus, die die Lampe auspusten soll. Danach geht alles schnell. Unter großem Jubel des gut gefüllten Hirschs schreiten die Herren auf die Bühne. Kleiner Besetzungswechsel: Der Butler ergreift die Sticks und bearbeitet das Drumset. Nobusama steht stattdessen am Mikro und grölt den bekannten Iron Maiden Song „Running Free“ durch den Saal. Es ist ein sehr guter Auftakt, der gleich die richtige Stimmung bringt. Nach dem ersten Lied werden aber die Plätze wieder getauscht. „Der Advokat“ wird mit passendem Abscheu vorgetragen und bereits jetzt kann man erkennen, dass die Herren ungewöhnlich gut drauf sind. Comte Caspar – mit überraschend wohlgestutztem Bart – lässt sich zu kleinen Scherzen hinreißen, auch musikalischer Art, die seinen Kollegen Max Coppella beinahe aus dem Konzept bringen, muss er doch lachen und gleichzeitig singen. Graf Lindorf schneidet hinter seinem Cello Grimassen, wie der treue Fan es zwar gewohnt ist, jedoch wirkt er gelassener als sonst. Dieses Mal geht er sogar ein Risiko, hat er anscheinend beim Textlernen geschludert. Vielleicht hat ihn auch die besungene „schöne fremde Frau“ aus dem Takt gebracht. Während die Musik brav weiterspielt, sucht er nach Worten, blickt sich verzweifelt um und das Auditorium ist ausnahmsweise nicht schnell genug und kann nicht aushelfen. Prof. Mosh Terpin wuselt immer wieder auf der Bühne herum. Mit seinem Werkzeugkasten ist er mittlerweile zum festen Bestandteil der Liveauftritte geworden und spielt Cembalo.
Dem Butler scheinen die Feiertage nicht ganz so gut bekommen zu sein. Er ist noch schüchterner als sonst, druckst gespielt herum und gibt schließlich zu, dass ihn Menschen nervös machen. Dabei deutet er auf die Herren, die ihre Instrumente neustimmen. Coppelius haben nachgefragt, was die werten Hörer gerne auf der Setlist hätten. Anscheinend wünschte man vor allem die älteren Stücke, denn es wurde auf „Morgenstimmung“, „Urinstinkt“ und das Motörhead-Cover „1916“ zurückgegriffen. Doch das neuere „Ma Rue A Moi“ darf nicht fehlen und Comte Caspar fordert einmal mehr lautstark Anerkennung. Dabei läuft ein gespielt eifersüchtiger Max Coppella hinter ihm auf der Bühne – sein Mienenspiel spricht Bände und sagt genau, was er von seine Kollegen hält.
Auf mehrfachen Wunsch hin haben Coppelius das von Eric Fish geschriebene und auf dem Album „Tumult“ veröffentlichte Lied „Rightful King“ neuinterpretiert. Bastille singt nun auf ganz eigene Weise von dem hochgelobten König. Auch die Melodie wurde abgeändert, beginnt sanfter, erhabener, was zum Text passt. Erst als der Mob im Text auftritt, kann man wieder nach Herzenslust headbangen. Genau das wird auch getan.

Comte Caspar hatte sich etwas Besonderes ausgedacht: Dieses Mal sollten nicht zwei sondern vier Gruppen den Gumbagubanga-Kanon anstimmen. Seine Aufteilung in „Gum“, „Bagu“, „Bang“, „Ga“ erwies sich als etwas unglücklich. Das Publikum nicht in der von ihm gewünschten Lautstärke – und mit fehlendem Ernst – seiner Aufforderung zum Singen nach.
Die bekannten „Ausziehen“-Rufe werden von der Band unterstützt, der Butler ist allerdings wenig begeistert und fordert seinerseits das Publikum dazu auf. Drei junge Männer werfen erst ihre Shirts auf die Bühne und dürfen selbige dann betreten, um ein Becken zu schlagen – und dabei Drumsticks zu zerstören.
Begeistert ist man von der Stille im Saal, als die Herren einmal mehr ihre Instrumente neu stimmen. Das war bisher nie der Fall.
Auf die Bühne geworfene Gerbera werden liebevoll in Empfang genommen, eine wird gerupft und schließlich teilweise verspeist. Dem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war sie nur mäßig delikat.
Ein Geburtstagskind wird schließlich nach vorne geholt, bekommt eine Blume geschenkt und darf den „Guten Ton“ auf der Triangel anschlagen. Dann kommt auch schon das letzte Lied, die Herren verbeugen sich und gehen. Aber das geschätzte Auditorium klatscht und ruft voller Inbrunst „Da capo“, so dass schon bald wieder der Butler – mit Staubwedel – zurückkommt. Nach zweimaligem Schreien stürmt die Band an ihre Instrumente und weiter geht’s. Für ein Stück dürfen Niko und Umbra noch mal ihr Können unter Beweis stellen. Da haben sich wohl zwei Bands gefunden. Der Cellist bringt als kleines Dankeschön eine Flasche Met mit auf die Bühne, die Caspar sogleich köpft. Allerdings fehlen Gläser, was Graf Lindorf von gar nichts abhält. Er müsse arbeiten, spricht er und nimmt einen tiefen Schluck aus der Flasche. Schließlich tun es ihm seine Kollegen gleich und die Musik geht wieder los.
Das letzte Lied zwingt uns wieder auf die Knie. „Ade mein Lieb“ braucht eben einen entsprechenden Rahmen.
Unter großem Jubel und frenetischen Applaus verlassen die Herren die Bühne und freuen sich auf die kommenden Konzerte.

Es war ein toller Abend. Coppelius haben viel Freude an der Musik und ihrer Show und haben dies heute außerordentlich unter Beweis gestellt. Auffällig: Sie haben in Instrumente und Verstärker investiert, die Klarinetten klingen klarer und Herr Voss am Bass ist endlich auch zu hören. Einen neuen Silberling gibt es zwar erst 2013, aber bei solch grandiosen Auftritten, warten wir doch gerne.
Meine Herren: Da Capo!

Die Könige der Spielleute zu Gast in Franken

Noch werden die letzten Handgriffe auf der Bühne gemacht und das Publikum wartet immer ungeduldiger. Teilweise zumindest. Manche stört es auch gar nicht, dass Corvus Corax nicht um Punkt 20 Uhr beginnen. Sie reden, lachen, knipsen Erinnerungsfotos oder sitzen auf dem Boden und lesen.
Doch dann wird es dunkel, Jubel bricht los und Castus Rabensang betritt alleine die Bühne. Mit gewohnt dunkler Stimme begrüßt er das Publikum und erzählt von der langen Reise in den Norden. Tatsächlich haben die Spielmänner mehrere Länder bereist, um sich Inspiration für ihr aktuelles Album „Sverker“ zu holen. Dieser Abend steht nun ganz im Zeichen des dänischen Königs und der nordischen Mythologie.
Mit Umhängen und Masken bekleidet betreten nach und nach alle sieben Musiker die Bühne. Vier von ihnen haben Hörner dabei, in die kräftig geblasen wird, unterstützt vom Getrommel der Kollegen.
Es macht großen Spaß, der Band zuzuhören, die einen tollen Auftakt gibt. Nach dem ersten Lied werden fix Masken und Mäntel abgelegt, die Instrumente gewechselt und weiter geht’s.
Dies ist überhaupt ein sehr auffälliger Punkt: Eben noch ein Horn in der Hand, im nächsten Moment einen Dudelsack und dann wird das Organistrum (die größte Drehleier der Welt) in den Vordergrund geschoben. Das Team hinter und neben der Bühne ist flink und fleißig, weiß genau, wann Sackpfeife, Schalmei, Trumscheit oder die Cister angereicht werden müssen. Der Ablauf ist reibungslos – zumindest erscheint es so.

Corvus Corax bieten eine Vielzahl an Instrumenten und es ist stets faszinierend, welche Apparaturen beherrscht werden. Sie machen viel Show, drehen sich mit ihren Dudelsäcken um die eigene Achse, schwingen die Hüften, springen in die Luft. Castus spricht immer wieder das Publikum an. Wim, Vit und PanPeter fordern zum Klatschen, „Hey“-Rufen oder Tanzen auf.
Anfangs ist letzteres noch ein Problem und scheinbar niemand bewegt sich zur Musik. Doch nach etwa zwanzig Minuten hält kaum einer mehr die Füße still, sondern lässt sich von den schnellen Rhythmen mitziehen.
Nicht nur die Stücke der „Sverker“-CD werden geboten, auch die schönen alten Lieder, wie „Venus Vina Musica“ oder später „In Taverna“ werden gespielt. Die Zuschauer sind bei diesen Songs sehr textsicher. Schwierig wird es erst, als Castus den Refrain von „Havfru“ vorsagt und wir ihn nachsingen sollen. Es bedarf erheblich mehr Training unsererseits.
„Trinkt vom Met, vom Bier und vom Wein“ lässt man sich nicht zweimal sagen. Wer ein Bier in der Hand hat, prostet den Spielleuten zu – und die erste Reihe wird mit Met aus einem Schlauch verköstigt. Nur wer will, natürlich, und anfangs ist man sehr zurückhaltend.
Die Band scheint bester Laune zu sein und ist auch zu kleinen Späßen aufgelegt, kündigt Castus doch an, dass als nächstes die „Großmaultrommel“ dargeboten wird. Als wir schließlich die Hände erheben sollen und der Band im Takt zuwinken, fehlt selbiger erst mal– aber wen stört das? Wir winken trotzdem, wenngleich auch ziemlich taktlos.
Mittlerweile ist die Stimmung großartig und der Jubel vor, während und nach den Liedern wird immer lauter. Es ist gigantisch, was uns geboten wird. Hatz, Norri und Steve trommeln, was die Arme hergeben: schnell, langsam, noch schneller. Was Corvus Corax auf der Bühne präsentieren, ist nicht nur eine perfekte Show, die nie langweilig wird, sondern auch körperliche Anstrengung, vor der ich großen Respekt habe.
Schließlich wird es ernst. „Die Welt geht unter! Nächstes Jahr“, sagt Castus und lächelt. „Aber wie Martin Luther schon sagte: Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch eine Weinrebe pflanzen!“ Wie der Musiker feststellt, wollte der Reformator zwar ein Apfelbäumchen in die Erde setzen, aber Weinreben sind doch passender. Es folgt ein schnelles Stück mit viel Rhythmus und Percussion, das wie das Grande Finale des Abends klingt. Doch was könnte das Konzert besser abschließen, als „Ragnarök“, der Weltuntergang in der nordischen Mythologie?
„Die Welt geht unter, lasst uns feiern“, so die Aufforderung und der kommen wir sehr gerne nach. Live klingt dieser Song wesentlich besser. Das Licht ist in dunklem Grün und einem Lilaton gehalten, Busine und Trommeln gehen durch Mark und Bein und der Gesang ist viel ehrfurchtsgebietender. Unbeschreiblich beeindruckend!
Dann verlassen Corvus Corax die Bühne unter lautem Applaus, der gar nicht enden will. Wir zeigen Durchhaltevermögen und die Band erscheint noch einmal und spielt die erste Zugabe – 25 Minuten lang! Die Stimmung ist auf dem absoluten Höhepunkt und der Jubel derart stark, dass man meinen könnte, der Hirsch sei ausverkauft.

Es gibt noch einmal Met für diejenigen aus der ersten Reihe, die möchten. Dieses Mal traut sich sogar eine Dame, die den „Schluck!“-Rufen nachkommt und „etwas von ihrem Handwerk versteht“, wie Castus zwinkernd mitteilt. Ein scheinbar letztes Lied, frenetischer Applaus und Corvus Corax verschwinden hinter der Bühne. Nach einer solchen Zugabe wagen viele gar nicht, um eine weitere zu bitten und einige wenden sich bereits dem Ausgang zu.
Ein fleißiger Helfer der Band schleicht nach vorne, nimmt zwei Dudelsäcke und geht wieder. Da muss doch noch etwas kommen, denkt man sich und applaudiert und jubelt einfach weiter.
Wir werden nicht enttäuscht. Gemächlichen Schrittes und die Dudelsäcke spielend, kommen die sieben Musiker erneut auf die Bühne. Mit zwei Liedern, die noch einmal alles von ihnen abverlangen, verabschiedet sich die Band endgültig. Zuvor wird noch mit den kleinen Becken gespielt. Castus zumindest lässt das Kind im Manne raus, winkt mit den roten Puscheln, die daran befestigt sind und missbraucht das Instrument als Hütchen.
Dann ist es aber wirklich vorbei. Die Musiker verbeugen sich artig und unter großem Applaus.
Sogar nach dem Konzert nehmen sich Corvus Corax noch viel Zeit für ihre Fans. Sie signieren geduldig CDs, Plakate und nackte Haut; lächeln in unzählige Kameras und sind zu einem Plausch bei Bier oder Met bereit.
Es war ein grandioser Abend! Die Könige der Spielleute haben zwei Stunden eine tolle Show geliefert und das Publikum sehr gut unterhalten. Die Freude an der Musik wurde auf die Zuschauer übertragen und Nürnberg freut sich auf ein (hoffentlich baldiges) Wiedersehen.

Welcome to nature


Trobar de Morte

Pünktlich um 20 Uhr ertönen zarte Klänge. Die Augen sind in erster Linie auf die dunkelhaarige Sängerin gerichtet, die mit starker Stimme loslegt. Dabei kann ich nicht einmal ausmachen, ob es nur „Ahs“ und „Ehs“ sind, die sie von sich gibt, oder wirklich ein Text dahintersteht. Das ist auch relativ egal, denn das Gesamtbild zählt. Die Flöte, die von einem ihrer Kollegen an den richtigen Stellen eingesetzt wird, erscheint sehr dominant, aber nicht störend. Der E-Bass im Hintergrund wirkt dagegen fremd und unterstreicht dennoch nahezu malerisch den Auftritt. Doch das erste Stück ist wahnsinnig getragen und ernst, zumindest meine Stimmung geht ins Untergeschoß. Es passt in meinen Augen nicht auf ein Konzert dieser Art und schon gar nicht an den Anfang. Vielmehr erinnert mich die Musik an Filmszenen aus „Braveheart“ oder „Gladiator“, vielleicht auch „Troja“, wenn die Kampfgeräusche ausgeblendet werden und der Zuschauer zu trauriger Musik einzelne Nahaufnahmen der Schlacht vorgesetzt bekommt. Für Rollenspieler wären „Trobar de Morte“, so heißt die spanische Band, perfekt als Hintergrundmusik geeignet, wenn sie gegen Orks und Drachen in den Krieg ziehen.
Doch die Spanier geben Gas und ich muss fast alles revidieren, was ich mir bis dahin notiert habe. Die Abfolge ihrer Songs war sicherlich nicht ganz geschickt gewählt, denn sie können mehr und sie zeigen mehr. Eine Instrumentenvielfalt wird geboten, Flöten, Lauten, E-Bass, Trommeln, Schellen und noch anderes, nichts kommt vom Band, alles ist live. Sängerin Lady Morte hat eine sehr kräftige Stimme, die kaum die Verstärkung durch das Mikro zu benötigen scheint. Mit mehr Rhythmus als zu Beginn werden die Lieder kräftiger und tanzbar und das Publikum, geschätzt 200 Leute, geht mit. Es wird geklatscht und gejubelt und irgendwann ringt sich Lady Morte, die anfangs überaus schüchtern wirkt, sogar ein Lächeln ab. „Sehr lyrisch“, kommentiert ein Zuhörer und blickt verträumt auf die Bühne. Die Deko dort tut das Ihre dazu: Um die Mikroständer sind Efeuranken gewunden und das Licht ist dezent gehalten, der weiße Vorhang, der bei Faun noch Bedeutung haben wird, ist locker beiseite gezogen worden.
Eine halbe Stunde spielen die Spanier und lassen wirklich Stimmung aufkommen, was ich ihnen anfangs nicht zugetraut hätte. Sehr schade: Bei einem der letzten Stücke brüllt die Sängerin gegen Armands Percussions an. Vielleicht klingt es auf der CD besser, live wird das ansonsten geniale Stück ein Flop.
Doch die Menge ist begeistert und würde gerne mehr hören, was aber nicht möglich ist. Die Zeit drängt ein wenig.


v.l.n.r.: Fiona, Oliver, Riarda von Faun

Umbau gibt es nicht, nur der dünne weiße Vorhang wird geschlossen, es wird dunkel im Hirsch und von der Bühne schallen die Drums herüber. Faun beginnen mit einem gut durchdachten Schattenspiel, die beiden Musikerinnen tanzen und man sieht nur ihre vergrößerten Umrisse, bevor sie auseinandergehen und ihre Plätze einnehmen. Manchmal kann man schwach beleuchtet Fiona oder Rairda erkennen, in ihren roten Kleidern, mit der Flöte an den Lippen oder die Harfe spielend.
Oliver stellt sich schließlich in die Mitte, sein unverkennbarer Gesang beginnt und das Schattenspiel hinter ihm, ein kleiner Film, der abläuft, verzaubert. Ein Wald ist zu sehen, Bäume, die vorüberziehen, als stünde man nicht in einem engen, heißen Raum, sondern liefe barfuß über den bemoosten Waldboden und sähe die Natur vorbeirauschen. Das Publikum ist gefangen von diesem Augenblick der Flucht. Die Faune wissen aber, wie man mit Sehnsüchten spielt und haben einen Adler gefilmt. Kraft und Freiheit scheint er auszustrahlen, als er hoch hinauf fliegt, über die Baumwipfel steigt und seine erhabenen Schwingen ausbreitet. Man kann ihn sehen, wie er neben oder hinter Oliver zu kraftvollen Flügelschlägen ausholt und die Musik ist nur ein kleines schmückendes Beiwerk, das malerisch seinen Flug unterstreicht. Aus dem Schattenspiel wird ein Farbenspiel, als bunte Scheinwerfer aus dem Hintergrund den Vorhang anstrahlen, der nun beiseite gezogen wird und die Faune präsentiert. Mit großer Begeisterung wird „Rosmarin“ aufgenommen und es gibt tatsächlich ein paar Fans, die ein Büschel des Krautes mitgebracht haben und es schwenken.
Der viele Nebel unterstützt die Farben der Scheinwerfer, die immer noch dezentes Licht spenden und keine grellen Effekte, wie man das von anderen Konzerten gewohnt ist. Die Menge klatscht den Takt mit, der bekannte Doppelklatscher fällt dabei niemandem schwer und kann sogar beim Tanzen ausgeführt werden. Getanzt wird viel. Entweder drehen sich die Leute im Kreis, oder sie hüpfen von einem Bein auf das andere, liegen sich in den Armen, springen und jauchzen dabei ausgelassen.
Bei einem Streifzug durch die Menge stelle ich fest, dass der Altersdurchschnitt bei Mitte 40 liegt, was mich etwas verwundert. Aber es hat sich ein buntes Volk eingefunden. Da stehen die Metaler grinsend im Bondagerock neben in Leinen gekleideten Endvierzigern, die eindeutig auf dem Esoteriktrip sind. Viele haben die Augen geschlossen und wiegen sich im Takt, irgendwo schwingt eine Frau die Hüften und scheint sich in Trance zu tanzen. In der ersten Reihe hat ein Gothic-Pärchen einen Platz ergattert und begattet sich im Rhythmus der Musik. Das fällt kaum und schon gar nicht negativ auf, nur ich bin etwas konsterniert und vergesse kurzzeitig, dass vor mir eine Wand ist.
Den Faunen fällt das anscheinend gar nicht auf. Sie singen und spielen, Oliver interagiert mit dem Publikum und legt nahe, die bösen Geister nicht immer zu vertreiben, sondern Frieden mit ihnen zu schließen. Sogar Lady Morte betritt noch einmal die Bühne und unterstützt mit ihrem Gesang. Fiona und Rairda lächeln fortwährend fröhlich, Oliver wirkt sehr ausgeglichen und in sich ruhend, dass es fast ansteckend ist.


v.l.n.r.: Fiona und Riarda von Faun

Sie nehmen das Publikum mit zu den Wikingern, lassen uns tanzen, feiern und schließlich sogar mitsingen, als es um die Faun-Hymne „Hymn to Pan“ geht. Lautstärke oder technische Probleme werden sehr dezent geregelt, dass es die meisten gar nicht mitbekommen.
Wer sich nun wundert, nein, die Faune sind nicht weniger geworden, aber Rüdiger und Niel fallen wenig auf. Zwar sieht man Rüdiger des Öfteren im Vordergrund stehen und seine Trommel schlagen, aber Niel verschwindet mit seinem Zylinder im hinteren Teil der Bühne. Dafür erstrahlt sein Laptop, das die Soundeffekte beisteuert und unübersehbar das „Apple“-Logo präsentiert.
Viel zu früh kündigt Oliver das letzte Lied an, „aber wir sind beeinflussbar“, sagt er lächelnd.
Tatsächlich betreten die Faune noch zweimal die Bühne. Die erste Zugabe besteht aus der oben genannten „Hymn to Pan“ und einem weiteren Song. Dazu gibt es den Hinweis, dass Faun im nächsten Jahr mit einer ruhigen Akustiktour zurückkehren werden. Bei der zweiten Zugabe ist der Vorhang wieder geschlossen, Rairda spielt liebevoll Harfe und dem Publikum stockt der Atem. Mit videographischen Hilfsmitteln entsteht ein Baum, der wächst und gedeiht und schließlich in voller Blätterpracht auf den Vorhang projiziert wird. Ein wundervolles Bild, das die Stimmung ein letztes Mal zum Höhepunkt bringt.

Fazit: Was Faun im Hirsch präsentiert haben, sucht seinesgleichen. Ein tolles Konzert, bei dem für Augen, Ohren und Seele etwas geboten wurde. Die Zuschauer wurden für knapp 90 Minuten entführt aus Hirsch und Alltag, hinein in die Welt der Faune, in die Natur.


Der wachsende Baum