Ein Pagan-Sturm in München

Das Paganfest ist mittlerweile eine feste Einrichtung, sowohl in der Festivallandschaft, als auch in München selbst. Seit dem Jahre 2007 tourt das Fest nun schon zum sechsten Mal schon durch Europa und beschert der bayrischen Hauptstadt in diesem Jahr schon Monate zuvor Vorfreude. Denn nicht nur, dass wir hier eine Extended Show spendiert bekommen haben, was bedeutet, dass zwei Bands mehr sich die Ehre geben, das Menü, sprich: die Running Order, liest sich äußerst vorzüglich. Das komplette Programm besteht aus Bands, deren Namen erfreuliches Drücken in Ohren und Magen verspricht, wenn die Bassdrumm rollt und die Gitarren schreddern. Kurz gesagt, man konnte sich auf einen gepflegten Metalabend freuen.

Nur ein Name, nämlich der des Openers Bornholm, ist zumindest mir gänzlich unbekannt. Und scheinbar nicht nur mir, denn auch Wikipedia kennt die ungarischen Black Metaller nicht. Dem eher verhaltenen Genicke des noch recht lichten Publikums beim Auftritt der besagten Band nach, sind Bornholm auch hier nicht sehr bekannt, oder beliebt. Man muss leider zugeben, dass ein guter Teil des Desinteresses der Menge der Band selbst anzulasten ist. Abgesehen davon, dass der Platz des Openers fast immer sehr undankbar ist, war die Bühnenperformance doch eher dürftig. Schade, denn musikalisch konnten die Budapester Musikanten durchaus einiges vorweisen, technisch gut und auch stilistisch zum Paganfest passend. Dennoch, die Menge war am ‚kochen‘, also mit anderen Worten: am Bierstand.

Zeit, sich in der Halle umzusehen. Das Backstage Werk ist auch in diesem Jahr sehr gut besucht, zahlreiche Freunde der harten Musik haben sich eingefunden. Gefühlt werden es jedes Jahr mehr, denn selbst bei der geringen Resonanz zu Bornholm war doch die Fläche sichtbar gefüllt. Einziges Manko wieder einmal: ein viel zu kleiner Merchandise-Stand. Ewig ein Fluch für die Gemeinde der kaufwütigen Festivalbesucher. Andererseits wissen Kenner des Backstage-Werks, dass im Eingangsbereich ohnehin nie viel Platz ist und somit dieser Zustand auch sein Gutes hat.

 

 Weiter im Programm, denn nun spürt und hört man schon, dass sich die Laune der Anwesenden hebt. Denn jetzt kommen ein paar niederbayrische Krieger aus dem schönen St. Oswald auf die Bühne, die ich zuletzt vor sieben Jahren als Headliner eines kleineren Festivals genießen durfte. Sobald sie loslegen kommt Bewegung in die Menge, es wird lauter. Wolfchant brettern uns was! Und das Ganze recht gewaltig, nicht zuletzt dank der Aufteilung von Shout- und Klargesang zwischen den Herren Lokhi und Nortwin, wenn auch letzterer etwas leise war. Aber auch der Rest der Band heizt ein und so kommt nun endlich das Festival ins Rollen, bestens daran zu erkennen, dass nun die Stimmung für den ersten Moshpit des Abends ausreicht. Ein starker Auftritt, allerdings drängt sich mir die Frage auf, warum eine Band wie Wolfchant bereits als zweiter Act des Abends spielt. Andererseits bietet der komplette Abend noch eine ganze Reihe weiterer guter Bands.

Eine davon betritt die Bühne schon nach einem kurzen Change (man muss schon sagen, zeitlich hat alles perfekt gepasst an diesem Abend) und es gibt den nächsten Leckerbissen, der nicht eines gewissen Humors entbehrt: Eine Lektion in römischer Mythologie, erteilt im Death Metal-Gewand, vorgetragen von Franko-Kanadiern, der Band Ex Deo. Und wem die Sache mit den metallenen  Kanadiern bekannt vorkommt, hat recht: Es handelt sich um die Band Kataklysm unter anderem Namen und mit schicken Römer-Rüstungen. Und da man bei solchen Mannen erfahrene Musiker erwarten darf, die wissen, wie man es live angeht, waren meine Erwartungen recht hoch. Und sie wurden auch nicht enttäuscht. Der Sound ist fett und hart, die Lieder machen Spaß. Ex Deo kommt gewaltig und brachial daher, da tut es der Qualität des Auftritts auch keinen Abbruch, dass Frontmann Mr Iacono unter seiner Rüstung ein Samtkleidchen trägt und ganz offensichtlich sehr gerne posiert. Ein sehr nettes Detail war eine Wall of Death, die Iacono zum Song „The Final War“ zu Ehren seiner kürzlich verstorbenen Großeltern veranstalten ließ.

 Heutzutage sind die Nordeuropäer eine ganz große Nummer in Sachen Metal. Deswegen kann auch unser Paganfest dieses Jahr nicht ohne Schweden steigen und so besteigen nach Ex Deo nun fünf Viking Metaller die Bühne. Nein, nicht die, an die manch einer jetzt denkt, die Rede ist von Thyrfing. Aber auch die wissen ihren Sound wunderbar rüber zu bringen. Die Texte sind hauptsächlich schwedisch, die Lieder häufig eher Richtung Midtempo und nicht so opulent oder brachial ausgebaut, aber das interessiert niemanden. Zu dieser Band passt es wie die Faust aufs Auge und die Stimmung knickt nicht ein, schwächt sich nicht ab. In der Menge geht es richtig los.

 Das ändert sich auch nicht danach, als das Festival mit Kalmah weiter in Nordeuropa bleibt. Die Melodic Death Metaller sind einem wohl vor allem deswegen im Kopf, weil sie permanent mit ihren ebenfalls finnischen Kollegen von Children of Bodom verglichen werden. Auch wenn ich finde, dass der musikalische Stil deutliche Unterschiede aufweist (mehr Thrash bei Kalmah, mehr Melodie dafür bei CoB), so kann man eine gewisse  Ähnlichkeit kaum von der Hand weisen, noch vor dem ersten Lied. Schlicht aus dem Grund, dass Pekka Kakko von Kalmah mit ebenso einer Flying V Gitarre auftritt und beinahe die selbe Pose gern einnimmt, wie auch Alexi Laiho von Children. Der Sound jedenfalls wird wieder brachialer und rauher, ein starker Auftritt, auch wenn es stilistisch vielleicht nicht  so perfekt ins Programm des Paganfests passt. Und vor der Bühne wird es spätestens jetzt richtig voll. Kakko und seine Mannen heizen noch einmal richtig ein, drücken noch einmal voll aufs Trommelfell, ehe es endgültig in den Countdown hinein geht und wir uns mit großen Schritten dem Hauptact nähern.

 Nachdem Kalmah die Bühne verlassen und der Change geschafft ist kommt Arkona, meine persönliche Überraschung des Abends. Zwar hatte ich schon einmal etwas von einer Band diesen Namens gehört, aber entweder war sie falsch benannt oder trägt zufällig den selben Namen in exakt gleicher Schreibweise. Tatsache ist, dass ich nicht mit derart energiegeladenen Russen mit einer Frontsau wie Maria Archipowa gerechnet hatte. Etwas vollkommen anderes, als ich unter dem Namen Arkona zuvor gehört hatte. Die Mischung aus Pagan und Folk Metal zündet sofort, ebenso die Fähigkeit Archipowas sowohl clean zu singen, als auch zu shouten. Schnelle Parts wechseln mit langsamen, teilweise auch akkustischen, denen man die starke folkloristische Färbung deutlich anhört. Das alles, zusammen mit den russischen Texten, ergeben eine erfreulich frische Mixtur. Zusätzlich verstehen sich Arkona sehr gut auf die Interaktion mit der Menge, in der es kocht. Die Haare fliegen nur so!

 Zum Verschnaufen ist allerdings nur in den recht kurzen Umbaupausen Zeit, denn schon der nächste Punkt der Tagesordnung tritt wieder so richtig in den Allerwertesten. Mit Varg tritt wahrscheinliche die umstrittenste Band des Paganfestes als Co-Mainact auf. Kontroversen um politische Gesinnungen seien absichtlich vollkommen ignoriert, es geht um Musik. Aber auch in diesem Punkt ist man sich nicht einig. Die einen bezeichnen die Lieder der Coburger als Brecher, die anderen als platt, primitiv und einfallslos. Unbestrittene Tatsache ist aber, dass die Herren um die Bandgründer Seiler und Grundmann live nichts anbrennen lassen. Die verwandeln es direkt in Asche. Die ‚primitive‘ Musik kommt beim Publikum sehr gut an, die lautstark mitgesungenen Texte entlocken Seiler sogar Lob an die Menge. Jetzt wird sogar von den Fans selbst nach einer Wall of Death verlangt, die bei „Blutaar“ auch nur allzu willig gewährt wird. Witziges Highlight dieses Auftrittes: Bei der Zugabe „Rotkäppchen“ holen Varg rund fünfzehn Mädels aus dem Publikum auf die Bühne, die tanzen, bangen und mitsingen dürfen, während Seiler eine als Rotkäppchen verkleidete Maid zum Lied über die Bühne führt. Definitiv eine schöne Show

 Endlich ist es schließlich soweit. Die Stunde ist fortgeschritten, der eine oder andere ist schon recht erschöpft. Aber noch ist es nicht vorbei. Nun entert der Headliner die Bühne, die Heavy Metal Pirates aus Schottland: Alestorm! Mit Energie und guter Laune stürmen sie nach vorne, Christopher Bowes ans Mikro: „We are Alestorm an this is the quest!“ Er greift in die Tasten seines Keytars…und dann nichts. Er muss das Lied stoppen, bringt seine Bandkollegen zum Schweigen. Gitarrist Daniel Evans hat Probleme, verlässt die Bühne. Aber nach wenigen Momenten ist er wieder da, die peinliche Unterbrechung wird überspielt, Bowes wiederholt seine Ankündigung

„We are Alestorm an this is the quest…No?“ Wieder nichts. Anscheinend haben wir hier einen Gitarristen, der schon vor dem ersten Lied eine Saite zerrissen hat, denn dieses Mal dauert es auffallend lang. Aber ein Metaller wäre kein echter Metaller, wenn er sich davon die Laune verderben lassen würde. Also lässt sich Oberpirat Bowes nicht unterkriegen und als Evans wieder auf der Bühne ist geht’s endlich richtig los.

„We are Alestorm an this is the fucking quest!!!“

Und endlich rollt es wieder. Die Fans nehmen es den Freibeutern nicht übel, denn die Kerls schonen weder sich, noch die Menge. Die Lieder handeln von Piraten und dem Trinken, womit sie per se schon richtig liegen. Man kann gut mitsingen, auch nach ein paar Bier…Verzeihung: Rum. Und die dank insgesamt zweier Keyboarder synthielastige Musik könnte anders nicht besser zu dem passen, was Alestorm sich auf die Fahnen geschrieben haben. Wehrmutstropfen leider: Obwohl das ganze Festival bisher soundtechnisch erstaunlich gut war sind bei Alestorm die Gitarre und die Snare des Schlagzeugs zu leise, während die Bassdrum beinahe störend laut klingt, alles in allem nicht wirklich perfekt an die tragenden Keys angepasst. Allerdings ein Punkt, über den man dank des Charmes des Frontmannes gerne hinweg sieht, der zwischen den Liedern oft mit der Menge redet und spaßige Geschichten zum Beispiel über „chopping off midgets“ zum besten gibt, oder das Lied „Shipwrecked“ als Titellied zu einem gewissen Kinofilm mit Tom Hanks ankündigt. Alestorm sind Könner auf der Bühne, dort gehören sie hin. Sie sind so sehr Profi gar, dass sie es kaum zu stören scheint, dass bei mehreren Liedern die verschiedensten Leute über die Bühne tanzen und gar mitsingen…echte Piraten stören sich eben nicht an so etwas.

Als sich auch dieses Konzert dem Ende neigt kann es sich Bowes nicht nehmen lassen, er bedankt sich und springt daraufhin von der Bühne und lässt sich bequemerweise von den Händen des Publikums bis direkt vor die Bar tragen. Mit dieser genialen Aktion des Sängers endet das Paganfest 2013, die Lichter gehen wieder an und die Menge strömt sogleich dem Bier, Merchandise oder dem Ausgang zu. Also verabschieden wir uns von einem harten Abend, neun Stunden prall gefüllt mit Metal vom feinsten. Die Ohren fiepen, die Füße schmerzen, aber ein Gefühl der Zufriedenheit um gut investierte Lebenszeit macht sich breit. Und das nächste Paganfest wird kommen.

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Bilder: Knüppel Photographie
Text: Hammer Artikel

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