dat is Punk, Alter, saufen, ficken, Musik hören – dat is niemals Punk

Roland_AdelmannWas denn nun? Es sind die Achtziger, wir sind in einem Kleinstadt-Kaff in Deutschland nahe der holländischen Grenze. Der Natur droht mit dem Waldsterben der Kollaps, und der Menschheit droht allgemein der Strahlentod durch die atomare Bedrohung im Kalten Krieg. Das sind die Rahmenbedingungen, mit denen eine Gruppe von jungen Menschen ihren Alltag bestreiten muss. So individuell sie und ihre Probleme sind, was sie eint, ist die Ablehnung der postfaschistischen Gesellschaft, die der Nazizeit in Teilen heimlich nachtrauert. Sie wollen sich vom deutschen Spießertum abgrenzen, und die Lösung dafür lautet Punk. Springerstiefel, bemalte Lederjacke und ein stacheliger Irokesenschnitt sorgen für Risse in der Fassade der feinen Gesellschaft.

Nacheinander werden die Protagonisten in kurzen Kapiteln vorgestellt. Da sind die jungen Wilden wie Swen, der sich gegen die Bürde auflehnt, die Familientradition und die Schlachterei seines Vaters übernehmen zu müssen, in dessen blutige Fußstapfen er partout nicht treten will. Alles ist neu und aufregend und ein großer Spaß. Vorbilder sind für ihn die etwas älteren wie Koma und Krätze, die den No-Future-Lifestyle samt obligatorischem Hund schon ein paar Jahre durchziehen. Schnorren, saufen, abhängen, wozu abrackern? Wir sind eh bald alle atomisiert, also lieber eine gute Zeit haben, und der Song „Jung kaputt spart Altersheime“ kommt ja nicht von ungefähr. Jake spielt zwar in einer Punkband, kriegt aber nichts gebacken außer seinem exzessiven Alkohol- und Drogenmissbrauch, worunter seine Freundin Hanna leidet, die eigentlich mit Aktionen aufrütteln möchte. Tommy hingegen ist Punk der ersten Stunde, der gerade aus dem Gefängnis entlassen worden ist und erst wieder Fuß fassen muss und nicht so recht weiß, wie. Auch Andi gehört zur ersten Generation der Punks, der beim Nachwuchs die künstlerische Kreativität von früher vermisst, und der sich mittlerweile mit der Realität konfrontiert sieht, mit Rechnungen und einem stupiden Fabrikjob. Nele hat eine Borderline-Störung, während Marc BWL studiert, um später einen Punk-Versand für Platten und Kleidung aufbauen zu können. Und natürlich darf auch der introvertierte und stets schwarz gekleidete Schweiger nicht fehlen, gewissermaßen der Quotengruftie.
Die einen geben sich einem Leben im Rausch hin, wofür der überaus unsympathische und schmierige Eddie die Zutaten stets parat hat, solange man diese denn auch zu bezahlen weiß. Doch anderen ist das zu wenig, sie haben Visionen einer besseren Welt, sehen durchaus eine Zukunft und wollen diese verwirklichen.

Fazit: In Die Zukunft stirbt zuletzt beschreibt der Underground-Künstler und Schriftsteller Roland Adelmann, außerdem Betreiber von Rodneys Underground Press, das Leben der Punks als neutraler Beobachter, er nimmt keinerlei Wertung vor. Ihre Schlüsse müssen die Leser*innen selbst ziehen – wat is Punk und wat nicht. Dabei verwendet er einen ungewöhnlichen Schreibstil, der sich gewissermaßen gegen die Literaturgesellschaft auflehnt. Über zwei, drei Seiten hinweg besteht das ganze Kapitel aus einem einzigen endlosen Satz, damit anschließend ein extrem kurzer Satz das Kapitel beendet, am besten mit nur drei Wörtern. Damit bekommt das Buch etwas Rastloses und Getriebenes, getreu dem Credo „live fast, die young“. Die Zukunft stirbt zuletzt ist ein ein sehr unterhaltsames Buch, das zwar durchaus mit den Klischees spielt, aber letztendlich sind alle Charaktere so auch im wahren Leben zu finden, und immer wieder werden Erinnerungen wach.

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Roland Adelmann: Die Zukunft stirbt zuletzt
Edition Outbird, Vö. Oktober 2021
15,00 € erhältlich über Edition Outbird
Homepage: https://edition-outbird.de/buecher/roland-adelmann-die-zukunft-stirbt-zuerst/
https://www.undergroundpress.de/biografie.html

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