Weit mehr als nur ein Sänger

Dickinson_BWhat_Does_This_Button_Do__185729Der Name Bruce Dickinson ist auf ewig mit der Heavy-Metal-Legende Iron Maiden verbunden, deren unverkennbare Stimme er ist. Aber der Mann ist weit mehr als „nur“ der Sänger einer berühmten Rockband. Seine erste große Leidenschaft neben der Musik ist der Fechtsport, in dem er sich bis auf Weltklasseniveau hochkämpft. Die Fliegerei wird die zweite große Leidenschaft, die ihn schließlich bis auf den Kapitänssitz der legendären bandeigenenen Ed Force One bringt, der mit dem Bandmaskottchen Eddie verzierten Boeing 747, die auf dem Flughafen von Zürich die daneben parkenden Staatsmaschinen von Merkel und Hollande locker in den Schatten stellte. Nun hat er seine Autobiografie What does this button do? geschrieben.

Dickinson hält sich recht stringent an eine chronologische Reihenfolge und beginnt daher bei seiner Kindheit. 1958 in Worksop geboren, wächst er die ersten fünf Jahre bei seinen Großeltern auf. Nach der Familienzusammenführung muss er mit seinen Eltern ungewöhnlich oft umziehen. Auf den verschiedenen Schulen ist er immer wieder Mobbing-Opfer, aber schlägt sich im wahrsten Sinne des Wortes durch. Auch bei den Lehrern ist die Prügelstrafe noch beliebt. Aber Dickinson entdeckt dort auch den Fechtsport, und, um dem Internats-Wahnsinn zu entfliehen, seine Liebe zur Rockmusik. Bei der ersten Bandprobe offenbart sich sein Talent für Gesang, dabei hatte er eigentlich Drummer werden wollen. Sein erster Bandauftritt ist mit Paradox, die sich danach aber gleich in Styx umbenennen und nach dem zweiten Auftritt wieder auflösen. Erst an der Uni in London singt Dickinson in seiner ersten richtigen Band Speed. Seine Vorbilder dabei sind Arthur Brown, Ronnie James Dio und Ian Gillan. Doch es geht nicht so recht voran mit der Band, also meldet sich er sich auf eine Anzeige im Melody Maker und landet so bei Shots. Dort wird er 1979 von den Mitgliedern von Samson entdeckt und abgeworben. Damit ist das erste Etappenziel erreicht, eine Band mit Plattenvertrag und viele Live-Auftritte. Nachdem er zwei Jahren mit Samson unterwegs ist, feuern Iron Maiden ihren Sänger Paul DiAnno, und Bruce Dickinson ist als neuer Sänger auserkoren. Das wichtige dritte Album The number of the beast wird zusammen eingespielt und bedeutet in Kombination mit der folgenden Tour den absoluten Durchbruch. Die Band gilt als Vorreiter des NWoBHM (New Wave of British Heavy Metal), wobei Dickinson selbst die Bezeichnung lächerlich findet. Die nächsten Jahre vergehen wie im Rausch, 1993 steigt er jedoch aus Iron Maiden aus.
Aus Langeweile heraus füllt er freie Stunden während einer Tour damit aus, einen Roman zu schreiben. Mit Lord Iffy und die Sex-Maschine erzielt Dickinson einen Überraschungserfolg, weitere Romane folgen. Ein Erfolg ist auch sein stetiges Fecht-Training, dank dem er die Junioren-Fechtmeisterschaft in Großbritannien gewinnt und sogar bei der EM antritt. Die nächste große Leidenschaft wird das Fliegen. Nach einer ersten Schnupper-Flugstunde gibt es kein Halten mehr, und er macht einen Pilotenschein nach dem anderen und beginnt schließlich sogar, als Pilot zu arbeiten. Mit seinem Soloprojekt erhält Dickinson das Angebot, in Sarajevo aufzutreten, und obwohl dort Krieg herrscht, kann er sich dem Reiz der Möglichkeit nicht entziehen. Letzten Endes erweist sich der Trip als lebensgefährlich, aber die geschilderten Eindrücke davon sind mit die eindringlichsten der Autobiografie.
1999 steigt er wieder bei Iron Maiden ein, ist aber mittlerweile hauptberuflich Linienpilot. Das begünstigt natürlich die Idee der Ed Force One mit der Boeing 747 bzw. 757, die man für komplett größenwahnsinnig halten könnte. Aber letzten Endes erweist es sich tatsächlich schlicht am wirtschaftlichsten, alles Gepäck und die Mannschaft in einem eigenen Flugzeug zu transportieren und unabhängig zu sein. Zum Schluss lässt Dickinson den Leser am schwierigen Kampf gegen den Zungenkrebs teilhaben und beschreibt, wie er diesen Kampf aufnimmt und schließlich auch gewinnt. Abgerundet wird die Autobiografie durch zweimal vier Doppelseiten mit Farbfotos aus den verschiedenen Stationen in seinem Leben. In den Untertiteln offenbart Dickinson seinen Sinn für Humor und Selbstironie.
Im Nachwort erklärt er, warum es im Buch quasi ausschließlich um seine Person und diese in Bezug zu Iron Maiden geht. Seine Familie möchte er nicht in den Focus der Öffentlichkeit stellen.

Fazit: Bruce Dickinson hält sich streng an die Fakten, mit fast schon eiserner Kontrolle. Vielleicht bringt das sein Beruf als Pilot mit sich, wo man schließlich stets höchst konzentriert sein und jederzeit alles unter Kontrolle haben muss. Alle Personen aus seinem Privatleben aus der Autobiografie herauszuhalten, dafür kann man Verständnis aufbringen. Aber dass so gut wie alle schmutzigen Episoden aus dem Leben eines Rockstars, die es in der Zeit einfach gegeben haben muss, seiner Selbstzensur zum Opfer gefallen sind, das ist schon sehr schade. Gerade solche Geschichten möchte man naturgemäß auch erfahren. Mötley Crüe und Billy Idol beispielsweise sind wesentlich offener damit umgegangen.
Dafür dreht sich sehr viel um die Fliegerei. Wenn man der Faszination Fliegen nicht so sehr verfallen ist wie Dickinson, ist What does this button do? daher stellenweise etwas langatmig. Für Fans ist es natürlich trotzdem eine Pflichtlektüre, denn Dickinson gewährt natürlich auch Einblicke in den Aufnahmeprozess im Studio und ins Tourleben. Gerade den Umgang mit seiner Stimme als Instrument finde ich sehr interessant zu erfahren.

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Bruce Dickinson: What does this button do? Die Autobiografie
Heyne Hardcore, VÖ: 22.01.2018
Gebundene Ausgabe im Schutzumschlag, 445 Seiten
22,00 €, als eBook 17,99 €, erhältlich über www.buecher.de

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