Wo das Tageslicht stirbt
Tulpa ist eine italienische Viererband aus Parma, die 2017 von Sänger und Gitarrist Alessandro Coletta (Nocturnal Depression), Bassist Andrea Artusi (Arcana Liturgia) und Drummer Kyoo Nam „Asher“ Rossi (Forgotten Tomb, Caronte, Whiskey Ritual) gegründet worden ist. Der zweite Gitarrist Matteo Cordani ist nach dem ersten Auftritt dazugestoßen. Ihre erste EP Fear of fades ist 2017 erschienen, und diese machte mich nun mit ihrem Blackened Crust Punk auch neugierig, als die Rezensionsanfrage für das Debütalbum Unhealed in der Redaktion eingetrudelt ist.
Leider ist die Promo als ein durchgehender langer Track aufgenommen worden. Das ist zwar insofern konsequent, da man auch meiner Meinung nach ein Album möglichst als Ganzes hören sollte. Zum Rezensieren ist das aber schon etwas unpraktisch, und ich hoffe, dass ich die Songeinteilung richtig getroffen habe.
Mit „Meet us where the daylight dies“ wird der Hörer angenehm begrüßt. Der Song ist trotz des vom D-Beat inspirierten Drumming im Midtempo angesiedelt, und eine Growlstimme ist vorherrschende Gesangsart, die auch einmal ins Kreischen kippt. Für Crust Punk ist der Song noch zu melodisch, für Black Metal zu sanft. Tulpa bewegen sich irgendwo dazwischen und scheuen das Experimentieren nicht, wenn ich da ein Banjo richtig heraushöre. Auch auf „Unhealed“ rollt der D-Beat, und erst in der zweiten Songhälfte kommt Black-Metal-mäßiger Schreigesang hinzu, der genretypisch mit einem Speedblast aller Instrumente begleitet wird. Nach einem gefühlvollen, für Metal jedoch nicht untypischen Intro nimmt „Fear of fades“ Fahrt auf. Neu ist hier, dass die Gitarre Soloausflüge übernimmt und die Band hiermit Heavy-Metal-Einfluss offenbart. „The melatonist“ startet mit einem minimalistischen und auf die Gitarren reduzierten Intro, doch dann rasen zu einem klagenden Schrei die Instrumente los. Die Stimmung und das Tempo variiert, und passend dazu wechseln sich auch die Stimmen gesanglich ab. Spätestens hier ist alles Licht ausgelöscht worden, auch wenn der Song am Ende wieder gefühlvoll ausklingt. Im Anschluss knallt „We drown“ richtig rein und geht mehr in Richtung Crust Punk wie ich ihn mag, und kleine Tempovariationen sorgen für Abwechslung. Im Mittelteil kommt es zu einem schwermetallischem Break, der von Krächzgesang dominiert wird, und der sich bestens einfügt. Diese Kombination beider Welten ist mein Favorit der Scheibe.
Im Anschluss liefert „Vultures wait for me to die“ eine fachgerechte Raserei, bei der Tulpa trotz aller Brachialität fast schon spielerisch zwischen beiden musikalischen Genres springen. „Tulpa“ hingegehen ist deutlich im Black Metal behaftet, das macht schon der schmerzerfüllte Schrei gleich zu Beginn deutlich. Mehrstimmiger Gesang erzeugt eine Stimmung wie die von gregorianischen Mönchsgesängen, vielleicht beeinflusst von Batushka. Aber auch Motörheadscher Rock ’n‘ Roll ist spürbar. Der wird auf dem wieder crustigen „Inner kyosaku“ im Anschluss noch stärker betont. Das überaus zarte und zerbrechliche „Clinomaniac“, das rein Instrumental gespielt wird, sorgt für eine Überraschung und ein Wechselbad der Gefühle. Vor allem, weil man sofort mit „S.O.U.R. feat. L.Lokhraed“ wieder etwas brutal vor den Latz geknallt kommt, bei dem der Black Metal deutlich überwiegt. Da wirkt „Except one“ zum Abschluss schon fast wie Balsam, so widersinnig das im Zusammenhang mit Crust Punk auch erscheinen mag.
Fazit: Tulpa bewegen sich stilsicher zwischen Crust Punk, D-Beat und Black Metal, inklusive einer Prise Hardcore und Motörhead. Ihre lange Erfahrung als Musiker kommt ihnen hier zugute. Als stilistische Vorbilder möchte ich näherungsweise auf Martyrdöd und Nocturnal Expressions verweisen, damit bekommt man eine gute Vorstellung, wie Tulpa klingt. Als Band machen sie alles richtig, sprengen die Genregrenzen und erreichen so einen eigenen Sound. Für meinen persönlichen Geschmack ist aber zum Teil zu viel Black Metal mit drin (ich bin beim Reinhören auch mit den anderen Bandprojekten nicht warm geworden), daher rührt der Punktabzug. Aber wie immer gilt: selbst austesten.
Anspieltipps: The melatonist, We drown, Vultures wait for me to die
Tulpa: Unhealed
Talheim Records, Vö. 28.09.2019
CD und MP3 Download 10,00 € erhältlich über Bandcamp
Homepage: https://www.facebook.com/TulpaOfficial/
https://store.talheim-records.de/
https://www.facebook.com/TalheimRecords/
Tracklist:
01 Meet us where the daylight dies
02 Unhealed
03 Fear of fades
04 The melatonist
05 We drown
06 Vultures wait for me to die
07 Tulpa
08 Inner kyosaku
09 Clinomaniac
10 S.O.U.R. feat. L.Lokhraed
11 Except one
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