Melancholie und Hoffnung nach dem Untergang der Zivilisation

 

das-licht-der-letzten-tageSchauplatz des Auftakts dieser düsteren und doch feinsinnigen Geschichte ist ein Theater in Toronto, das Shakespeares König Lear aufführt. Der bekannte Hauptdarsteller bricht zusammen und kurz darauf eine ganze Welt, die sich einer Grippe-Pandemie ergeben muss. Der Ersthelfer sowie andere Beteiligte, die auch im Theater anwesend waren, treten in der Folge immer wieder in Erscheinung, genauso wie ihre Angehörigen und Freunde. Bei der fahrenden Symphonie, die in den postapokalyptischen Orten Musik bzw. Schauspiel vorführt, gibt es zudem unterschiedliche Lebensgeschichten und Erinnerungen zu erzählen. Das Fortleben aller wird bestimmt von den Bemühungen zu überleben, das Sterben ringsum mit anzusehen, zu vergessen und sich zu erinnern. Und das bis zum großen Finale …

Die neun Kapitel in über 400 Seiten sind keine Minute langweilig. Wie mag es sein, wenn eine Grippe-Epidemie über uns hereinbräche? Das Niesen des Nachbarn in der S-Bahn kann nach dem Lesen dieses Romans zu Bedenken führen.
Das Licht der letzten Tage ist wie ein Puzzle: Man versucht ein Teilchen einzufügen, stellt fest, es passt nicht bzw. ist (noch) nicht vollständig, man schiebt es zurück, bekommt ein anderes serviert usw. bis alles passt. Dafür ist Aufmerksamkeit während des Lesens angebracht, am besten prägt man sich die Hauptakteure gut ein.
Emily St. John Mandel scheint eine Vorliebe für Comics zu haben, sehr schön und ideenreich finde ich. Ihre Beschreibungen lassen den Comic des Captain Eleven szenisch in allen Schattierungen im Kopfkino auferstehen. Bedrohlich erscheint immer wieder eine Sekte, die sich in einem kleinen Ort eingenistet hat. Und dann wieder die Überraschung, wer zu dieser Gruppierung gehört.
Es sind einige Erzählstränge, die über kurz oder lang zum Ende hin aufgeklärt werden.

George R.R. Martin beurteilte den Roman so: „Natürlich kann man Station Eleven als postapokalyptischen Roman bezeichnen, aber all die üblichen Themen dieses Sub-Genres fehlen, und die Hälfte davon besteht aus Rückblenden in die Zeit vor dem Ausbruch der Infektion… Es ist ein sehr melancholischer Roman, aber wunderschön geschrieben und wunderbar elegisch. Ein Buch, an das ich lange denken und noch öfter lesen werde.“ (Quelle: diezukunft.de)

Fazit: viel Erzählenwertes, viele Wendungen, ganz viele (bedrückende) Gedanken, feinsinnig geschrieben, interessante Charaktere – eine sehr lesenswerte Lektüre.

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Emily St. John Mandel: Das Licht der letzten Tage
Piper Verlag, VÖ. 14.09.2015
416 Seiten
€ 14,99
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