Menschenzucht
Doro ist ein Unsterblicher, der seit Jahrtausenden in neue Körper schlüpft, wenn der alte verbraucht oder für seine Zwecke unnütz geworden ist. Denn sein Ziel ist es, den perfekten Menschen zu züchten. Dafür sucht er Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, die nach Generationen im Erfolgsfall in übernatürliche Macht münden. Und doch ist Doro stets allein, denn trotz ihrer Superkräfte müssen seine Kinder im Alter sterben wie die normalen Menschen auch. Doch das ändert sich schlagartig, als er auf die Heilerin Anjanwu trifft. Sie ist eine weitere Unsterbliche, die ihre Gestalt beliebig in jedes Lebewesen verwandeln kann. Sie ist wilde Saat und für sein Zuchtprogramm von unschätzbarem Wert. Mit ihr kann sein Plan gelingen, und so muss er die nächsten Jahrhunderte durch Höhen und Tiefen stets aufs Neue um sie kämpfen.
Als er in einem seiner afrikanischen Dörfer nach dem Rechten sehen will, sind ihm Sklavenhändler zuvorgekommen. Seine Kinder wurden verschleppt oder getötet, und Doro muss seine Arbeit neu beginnen. Er macht sich auf den Weg zu seiner Siedlung in der neuen Welt, in Amerika, und auf dem Weg begegnet er Anjanwu. Die unsterbliche Gestaltwandlerin verkörpert Fähigkeiten, die er unbedingt für sein Zuchtprogramm benötigt, das ist ihm sofort klar. Denn sie ist wilde Saat, eine frei und natürlich Geborene. Er überredet sie, mit ihm zu kommen in seine Kolonie in Amerika. Dabei hat Anjanwu ihre Gegend noch nie verlassen und auch das Meer noch nie gesehen. Darüber hinaus hat sie eine große Bindung zu ihren Kindern, die sie zurücklassen muss. Der Neuanfang gestaltet sich schwierig für sie, und auch die Beziehung zu Doro gestaltet sich alles andere als einfach. Denn Doro tötet, zum einen wenn er einen neuen Körper benötigt, zum anderen wegen fehlenden Gehorsams oder wenn es ihm in den Kram passt. Und Anjanwu als Heilerin ist das Töten zuwider. Kann es eine gemeinsame Zukunft geben, vor allem wenn Zukunft für Unsterbliche die Ewigkeit bedeutet?
Octavia Estelle Butler (* 22.06.1947, † 24.02.2006) war eine amerikanische Schriftstellerin und eine der wenigen Schwarzen Vertreterinnen des Science-Fiction-Genres. Sie gewann diverse Literaturpreise und hatte mit dem Roman Kindred 1979 ihren ersten großen Erfolg. Stets wiederkehrende Themen in ihrem Werk sind Feminismus, Genderfragen und Diskriminierung.
Diese kann man jeweils auch deutlich in Wilde Saat ausmachen. Zu Beginn ist Doro die gottgleiche Herrengestalt, der sich Anjanwu als Frau unterwerfen muss, doch sie lehnt sich immer mehr dagegen auf. Beide können das Geschlecht wechseln und haben in beiden Geschlechtern Kinder, wobei Doros Zuchtprogramm das Feuer der Thematik zusätzlich schürt. Dazu gesellen sich Rassismus und Sklaverei. Es gibt also einiges, über das sich anhand von Wilde Saat reflektieren und debattieren lässt.
Fazit: Zugegeben, es ist vor allem der Pressetext gewesen, der mich auf Wilde Saat aufmerksam gemacht hatte. Den Namen Octavia Butler hatte ich noch nie zuvor gehört. Das Thema ist an sich spannend und bietet auch humorige absurde Momente, doch leider wird das große Potential der Geschichte nicht richtig ausgeschöpft. Mir fehlt ein richtiger Spannungsbogen, und abseits der Hauptpersonen Doro und Anjanwu tauchen die meisten Charaktere nur kurz am Rande auf. Dabei wären einige für die Geschichte wichtige Personen es wert gewesen, stärker beleuchtet und herausgearbeitet zu werden, was dem Buch meiner Meinung nach insgesamt gut getan hätte.
Octavia E. Butler: Wilde Saat
Heyne, Vö. 12.07.2021 (Erstveröffentlichung 1980)
Taschenbuch, 480 Seiten
9,99 €, als Ebook 9,99 €, erhältlich über Penguin Randomhouse
Homepage: https://www.penguinrandomhouse.de/Taschenbuch/Wilde-Saat/Octavia-E-Butler/Heyne/e576367.rhd
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