Pulp Fiction in Brandenburg

Scharnow_cover.do_Als Mitglied der legendären Band Die Ärzte ist Bela B Felsenheimer einem breiten Publikum bekannt geworden, insofern muss man ihn kaum groß vorstellen. Doch auch mit seinen Solo-Aktivitäten ist er erfolgreich, und das nicht nur musikalisch. Er ist als Schauspieler, Radiomoderator und Synchronsprecher tätig, betreibt mit EEE einen Comicverlag und hat sein eigenes Rock ’n‘ Roll Plattenlabel B-Sploitation gegründet. Nach ein paar Kurzgeschichten und einem Filmdrehbuch (Nicht von dieser Welt) hat er nun mit Scharnow seinen ersten Roman geschrieben.

Im nördlich von Berlin gelegenen kleinstädtischen Scharnow in Brandenburg geschehen allerhand merkwürdige Dinge. Nicht nur, dass ein immer wieder auftauchendes Buch wie das legendäre Necronomicon vorkommt, es gibt auch einen fliegenden Superhelden. Blöd nur, dass niemand seine Fähigkeiten erkennt, was den armen Mann in die Depression treibt. Vielleicht sind ja die Weltenlenker an allem Schuld. Jedenfalls glaubt eine Gruppe Verschwörungstheoretiker, dass die feindliche Übernahme kurz bevorsteht, und bereiten sich auf bewaffneten Widerstand vor. Ganz im Gegensatz dazu verbringt der Pakt, vier völlig kaputte Kumpels, seine Tage mit exzessivem Genuss von Alkohol und Hardcore-Porno- oder Horrorfilmen. Vor allem die in Underground-Kreisen gefeierten Machwerke von Joe D’Amato haben es ihnen angetan. Als auch noch die siebzehnjährige Nami auftaucht, um Rotkäppchen-gleich ihre Großmutter zu besuchen, spitzt sich die Lage zu. Wird Hamid sie beschützen können, der syrische Flüchtling aus dem Dönerimperium?
Zur besseren Orientierung hat Bela B einen Ortsplan gezeichnet, und gleich zu Beginn gibt es ein hilfreiches Personenregister. Und dann ist da auch noch das schwule Eichhörnchen-Pärchen, das auch die Rückseite des Schutzumschlags ziert. Alles in allem ist das also so ziemlich der verrückteste Scheiß, den ich in den letzen Jahren gelesen habe! Parallelen zu Charles Bukowski und Pulp Fiction von Quentin Tarantino drängen sich förmlich auf.

Fazit: Die graue Kleinstadt-Tristesse hat Bela B sehr gut eingefangen, und mehrmals habe ich das Gefühl, dass der Roman noch zu Zeiten der DDR spielt – wenn denn da die Handys nicht wären, die einen wieder in die heutige Zeit zurückholen. Es gibt nicht DEN Protagonisten, vielmehr stellt Bela B viele verschiedene Charaktere vor, die am Ende alle nicht das sind, was sie anfangs zu sein scheinen. Da ist das Personenregister ab und an schon sehr hilfreich. Die zahlreichen parallelen Handlungsfäden werden nacheinander alle miteinander verknüpft, was für einige Überraschungen sorgt. Trotzdem fehlt mir am Ende das große Finale, das Buch endet irgendwie unerwartet unspektakulär.
Mit Scharnow ist Bela B nicht in die Welt der Hochliteratur aufgestiegen, aber das war auch gar nicht sein Anspruch an sich selbst. Stattdessen kann man in seinem Debütroman viel von Bela B selbst wiedererkennen, denn er ist ähnlich vielschichtig. Witzig, absurd, spannend und blutig geht es in Scharnow zu, und auch die Vorliebe des Autors für Splatter- und Gore-Movies kommt klar zum Vorschein. Scharnow schreit danach verfilmt zu werden. In meinem Kopfkino spult permanent ein Film ab, der das Zeug zu einem (Bela) B-Movie Klassiker hat.

:buch: :buch: :buch: :buch: :buch2:

Bela B Felsenheimer: Scharnow
Heyne Hardcore, Vö. 25.02.2019
Hardcover mit Schutzumschlag, 416 Seiten
20,00 €, als Ebook 15,99 €, erhältlich über Randomhouse www.randomhouse.de
Homepage: https://www.randomhouse.de/Buch/Scharnow/Bela-B-Felsenheimer/Heyne-Hardcore/e522211.rhd
www.heyne-hardcore.de

(2325)