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Im Bundesstaat Washington in Lock Haven befindet sich die Bird Street. Hier leben die Familien McKinley, Lewis da Silva, Wachowski und Aikman. Die Bewohner haben das ganze Jahr Glück, sind super erfolgreich und ihre Kinder quasi Wunderkinder. Ralph Lewis da Silva zum Beispiel ist angesehener Richter, seine Tochter Kaila ist eine fantastische Turmspringerin, ihr Bruder Django großartig am Klavier, und die McKinleys sind unsagbar reich. Allerdings reicht das Glück nur elf Monate im Jahr. Denn dann kommen die dunklen Tage und der Verwalter zu Besuch, um den jährlichen Pakt mit den Familien zu erneuern. Er fordert sein alljährliches Opfer, und wenn nicht geliefert wird, ergeht es den Familien schlecht.

Im Laufe des Novembers muss dem Verwalter ein Mensch geopfert werden, damit der Vertrag erfüllt und die Menschen der Bird Street wieder die nächsten elf Monate im Glück schwelgen können. Sie haben sich hohe moralische Standards auferlegt, wie sie ihre „Opfer“ finden, doch dieses Jahr geht alles schief. Nach und nach brechen ihnen die Optionen weg. Die Familien sind verzweifelt, die Gedanken werden immer düsterer, die Missgeschicke immer größer und gefährlicher. Doch dann ist der November vorbei, das normale Leben zieht wieder ein in die Bird Street. Doch der November 2023 naht und es geschieht bereits vorher ein Unglück, sodass alle die grundlegenden Punkte des Paktes anzweifeln.

Wie weit würdet ihr für euer Glück gehen? Dieser Frage geht der niederländische Autor Thomas Olde Heuvelt nach. Sein neuer Roman November der auch passend am 01.11.2023 erschien, ist ein Mix aus Fantasy, Horror und Psychothriller. Die Geschichte wird aus wechselnden Perspektiven der vierköpfigen Familie Lewis da Silva, also von Ralph, seiner Frau Luana und ihren Kindern Kaila und Django erzählt. Schon im ersten Kapitel sind wir in den dunklen Tagen des Jahres 2022. Langsam wird die zunehmende Eskalation in der Bird Street dargestellt. Heuvelt beleuchtet anschaulich die Frage von Schuld, aber auch Skrupellosigkeit und Egoismus sind ein wichtiges Thema. Mir hat auch sehr gefallen, wie die moralischen Grenzen immer weiter verwischen, je weiter der November fortgeschritten ist. Heuvelt versteht es, atmosphärisch und flüssig zu schreiben. Die Kapitel sind etwas zu lang, man muss sich hin und wieder regelrecht zwingen, an einer passenden Stelle das Buch aus der Hand zu legen. Er schildert gekonnt die düsteren Gedanken der Familie Lewis da Silva, die im November zwischen Realität und Geisterscheinungen teilweise nur noch schwer unterscheiden können.
Mir waren jedoch die Juden – Nazispiele von Django und seinem Freund Liam echt zu krass. Das hätte einfach nicht sein müssen. Auch für diejenigen unter euch, die eine starke Vorstellungskraft haben: Bei einigen Passagen sind ein robuster Magen von Vorteil, da sage ich nur: Pulled Pork! Die ein oder andere Beschreibung war mir gelinde gesagt ein wenig zu blutig bzw. eklig. Auch das Ende war nicht ganz so meins, die Auflösung etwas zu simpel. Trotzdem hallte sie bei mir noch eine Weile nach. Ein Epilog wäre noch schön gewesen.

November von Thomas Olde Heuvelt ist ein intelligenter Thriller mit spannenden Fragen zu Egoismus, dem selbstbestimmten Tod, aber auch von Depressionen, Moral und Ethik. Ich fühlte mich sehr gut unterhalten, auch wenn November meiner Meinung nach ein wenig schwächer als sein Vorgänger Echo ist. Also, ab auf die Couch – viel Spaß beim Gruseln.

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Thomas Olde Heuvelt: November
Übersetzung Janine Malz
Heyne​, 01.11.2023
632 Seiten, Hardcover
18,00 €

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