Fühlen Sie sich wohl! Werden Sie zur Katze!

Drei Jahre hat das Haus der Kunst recherchiert und konzipiert, bis es uns eine ganz besondere Ausstellung bieten konnte. Gezeigt wird das Werk dreier Generationen von Künstlerinnen aus Asien, Europa und Nord- und Südamerika. Diese Künstlerinnen haben sich mit der Rolle von Frauen auseinandergesetzt und genau die entscheidenden Themen aufgegriffen bei der Entwicklung immersiver Kunst. Zwölf Schlüsselwerke werden vorgestellt, alle haben einen nachhaltigen Einfluss auf die bildende Kunst ausgeübt. Hierbei handelt es sich um maßstabsgetreue Rekonstruktionen und die dazugehörige Dokumentation folgender Küntlerinnen: Judy Chicago (geb. 1939), Lygia Clark (1920–1988), Laura Grisi (1939–2017), Aleksandra Kasuba (1923–2019), Lea Lublin (1929–1999), Marta Minujín (geb. 1943), Tania Mouraud (geb. 1942), Maria Nordman (geb. 1943), Nanda Vigo (1936–2020), Faith Wilding (geb. 1943) und Tsuruko Yamazaki (1925–2019). Die Kunst dieser Damen kann man „Environments“ nennen. 

Ein Environment ist ein dreidimensionales, immersives Kunstwerk, das sich an der Schwelle zwischen Kunst, Architektur und Design befindet. Es erschafft und verändert Räume und lädt ihre Besucher*innen zur Interaktion ein. Sie haben meist einen experimentellen Charakter, man kann sie begehen, berühren, und so wurden sie meist unmittelbar nach ihren Ausstellungen zerstört. Deshalb ist es sehr schön, diese originalgetreuen Rekonstruktionen mit fast allen Sinnen zu erleben. Andrea Lissoni, der künstlerische Leiter des Hauses der Kunst, hat sich Gedanken zum Museumserlebnis gemacht. Neun Tipps hat er im ersten Raum anbringen lassen, dort, wo jede*r die Schuhe ausziehen muss:
 
Fühlen Sie sich wohl
Treten Sie in die Kunstwerke ein
Bitte behandeln Sie die Werke mit Sorgfalt
Nehmen Sie sich Zeit
Hören Sie in sich hinein
Schauen Sie überall hin
Gehen Sie hinein, umher, beobachten Sie
Teilen Sie Ihre Erfahrungen
Werden Sie zur Katze
 
Ich hatte den Eindruck, bei den meisten hat es geklappt!
Den riesigen Hauptraum füllt Aleksandra Kasubas Environment „Spectral Passage“. Wunderschöne Farben, imposant außen, aufregend innen reinzugehen und durchzulaufen:
 
Nanda Vigos „Ambiente cronotopico“ ist der Hit!

Copyright Bild: Haus der Kunst/Agostino Osio

Hier wollen die Leute nicht mit Fremden eintreten, lieber hübsch eine Familie zusammen oder Freundinnen oder Pärchen, um schöne Bilder für Instagram in dem über und über verspiegelten Raum machen zu können. Was der Raum zu bedeuten hat, ist hier nebensächlich. Doch diese Instagram-Tauglichkeit macht dem Haus der Kunst nichts, und den Künstlerinnen erst recht nicht, sie werden sicherlich durch die schönen Bilder in den sozialen Medien ein bisschen mehr beachtet oder wiederentdeckt. Man sollte nur nicht vergessen, dass einige dieser Environments auch eine ernsthafte Message oder eine nicht ganz so witzige Seite haben.

Dieser bunte Plastikkanal, durch den alle gerne krabbeln, „Penetración/Expulsión (del Fluvio Subtunal)“ von Lea Lublin stellt einen Geburtskanal dar, die Eizellen sind Spielbälle, und es ist eine Antwort auf einen Tunnelbau der argentinischen Diktatur sowie auf die Zensur sexueller Inhalte:

Faith Wilding hat 1972 für ein Womanhouse in San Francisco einen „Womb Room” geschaffen:

Etwas verspielter geht es zu im Environment von Marta Minujin von 1964. Auf Deutsch heißt es „Wälz dich herum und lebe!“ Es ist im Prinzip ein quietschbuntes Matratzenlager zum Herumwälzen (verschiedene Interpretationsmöglichkeiten), im Hintergrund erklingen Hits der Beatles, naheliegend beim Baujahr des Kunstwerks.

Und dann kommt schließlich der vieldiskutierte und medial schon viel beachtete Feather Room von Judy Chicago. Hier kann, wer will, in 150 Kilogramm weichen Hühnerfedern versinken, umgeben von einem hellen, gleichmäßigen LED-Licht. Kinder tollen herum, bewerfen sich gegenseitig mit ganzen Händen voll mit Federn – draußen liegen Fusselbürsten bereit. Mir war es zu viel, die Federn sind echt, es stinkt natürlich auch nach Tier, und das ist auch das Ziel dieser Installation, genau darüber nachzudenken.

„Inside other spaces – In anderen Räumen“ will Geschichten und Erzählungen neu untersuchen und die Künstlerinnen hervorheben, die in historischen Schilderungen fehlen. Es will den meist männlich dominierten künstlerischen Kanon neu aufmischen, denn auch Frauen hatten und werden auch immer einen nachhaltigen Einfluss auf die bildende Kunst haben.

Die Ausstellung ist so gut besucht, dass ein Eintrittszeitfenster zu buchen an Wochenenden und Feiertagen unbedingt anzuraten ist.

„Inside other spaces – In anderen Räumen“
bis 10. März 2024
Haus der Kunst
Prinzregentenstr. 1
www.hausderkunst.de

 

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