Nebel macht Unsichtbares sichtbar

So etwas habe ich bislang im Haus der Kunst auch noch nicht gesehen. In diesem monumentalen Gebäude an der Prinzregentenstraße gab es bislang oft interessante Ausstellungen, gerne mehr Installationen als Bilder, doch diesmal wähne ich mich wie in einer Wellnesslandschaft! Ein großer, heller Raum, oben eine lichte Glasdecke, vor mir stilles, blau glitzerndes Wasser, außen herum und in der Mitte ein Holzsteg, den man betreten darf. An den Wänden außen herum stehen und sitzen einige Besucher, in der Mitte ein paar Wagemutige.

Denn plötzlich steigt aus den Düsen am Rand des Beckens Wasser hoch, und Nebel steigt auf, viel Nebel, die Figuren versinken darin, die verträumte asiatisch anmutende Musik oder Klanginstallation macht einen ganz ruhig. Das muss ich mir unbedingt noch einmal ansehen.

Die Besucher lösen sich auf und betreten andere Räume, dann beginnt es in ein paar Minuten erneut. Das sind also diese Installationen der Nebelkünstlerin Fujiko Nakaya. Sie ist 1933 in Sapporo, Japan, geboren und seit den 1960er Jahren bekannt. Internationales Renommee erlangte sie für ihre Nebelkunstwerke. Seit Anfang April ist im Haus der Kunst die erste große Werkschau von Fujiko Nakaya außerhalb Japans zu sehen. Nakaya, die Wissenschaftlerin war, hat sich schon früh mit ökologischen Fragen beschäftigt. Sie arbeitete mit Wasser und Luft, Rohstoffen sozusagen, die heutzutage immer mehr an Bedeutung gewinnen. Die Ausstellung zeigt frühe Gemälde, Studien, Zeichnungen, technische, mit Hand gezeichnete Dokumentationen, Videos und Installationen. In einem Raum kann man Poster und Plakate von Teilnahmen an Ausstellungen, von Preisen, von Studien über Nebel sehen.

Davon ist einiges sehr detailliert und technisch, alles sehr informativ. Ich frage mich, wieso ich das erste Mal in meinem Leben von dieser mittlerweile fast 90-jährigen Künstlerin höre. Weil Nebel vielleicht vergänglich ist? Ihre Kunstwerke nicht hängen oder liegen bleiben sondern verwehen? Viele ihrer Nebel-Arbeiten wurden nur einmal gezeigt. Dokumentationen darüber gibt es nicht viele. Einige kann man hier in der Ausstellung als Fotos oder Videos sehen, manche wurden rekonstruiert, zwei aber für München neu geschaffen. Dazu gehört das oben beschriebene „Munich Fog (Wave), #10865/I“. Die andere Arbeit heißt „Munich Fog (Fogfall) #10865/II“. Sie ist außen angebracht, an der Seite, die zum Eisbach und zu den Surfern rausgeht.

Oben unter dem Dach spritzt aus kleinen Düsen ganz feines Wasser, mit einer Technik, die Frau Nakaya bereits für die Expo 1970 in Osaka entwickelte. Diese Arbeit ist auch noch einmal eine kleine Sensation. Unglaublich wie der sonnige, warme Apriltag sich bei diesem Nebel in eine graue, kalte Suppe verwandelt und die Stimmung sich ändert. Jede*r Zuschauer*in will das einmal erleben. Die Türen zur Terrasse und zum Eisbach sind weit geöffnet. Manche gehen danach fröhlich Pläne für den weiteren Tag schmiedend nach außen in den Englischen Garten, manche gehen noch einmal nach innen, denn für Detailverliebtere an der Technik oder der persönlichen Entwicklung und dem Schaffen von Fujiko Nakaya steht noch viel in der Ausstellung bereit. Die Kunst dieser Frau, die schon früh Künstler wie Andy Warhol oder Robert Rauschenberg kennenlernte, erinnert an frühere außergewöhnliche Ausstellungen im Haus der Kunst wie die von Ai Weiwei. Das gefällt mir sehr, und ich freue mich darauf, was der neue Direktor Andrea Lissoni noch alles für uns bereithalten wird.

Fujiko Nakaya: Nebel Leben
Haus der Kunst
Prinzregentenstraße 1, 80538 München
08.04.-31.07.2022
Öffnungszeiten:
Mo, Mi, Fr, Sa, So 10—20 Uhr
Donnerstag 10—22 Uhr
Dienstag geschlossen
11 € / ermäßigt 8 €

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