Get your body beat

Nicht nur für Metalfans ist etwas auf dem Free & Easy geboten, auch schwarze Seelen (mit Rockaffinität) finden was in dem vielfältigen Programm. Mit Mimi Barks, Priest und Combichrist – zurzeit als Tourpackage unterwegs – sowie den schwedischen Alternative-Rockern von Smash Into Pieces ist heute Abend einiges geboten. Die Temperaturen sind hoch und werden im Lauf des Abends sicher noch höher, denn alle Zeichen stehen ganz klar auf: Party.
DSC_2128Leider sind Anfangszeit und der heutige Spielort nicht genauso klar, da gab es wohl in letzter Sekunde noch einige Änderungen, aber letztendlich finden sich dann doch Leute im Backstage Werk ein, als um 19.30 die Berlinerin Mimi Barks mit Verstärkung an den Drums die reichlich zugebaute Bühne entert. Den diversen Extrascheinwerfern nach zu schließen, werden uns Combichrist sicher rösten, aber die Party wird garantiert fett. Doch zuerst einmal präsentiert Mimi Barks eine gute halbe Stunde lang mit viel Energie und Körpereinsatz ihre Songs, die man – ich habe mich schlau gemacht – als Trap Metal bezeichnet. Eine mal rhythmische, mal eher dissonante Mischung aus Elektro und harscheren, metallischen Klängen mit aggressivem (Sprech-)Gesang, die schleppend und bedrohlich daherkommt. Beim noch recht spärlich vorhandenen Publikum geht diese Mischung offenbar ganz gut in Nacken und Füße, unterstützt von Mimis energetischer Bühnenshow, mir selbst passt da stiltechnisch noch nicht alles zusammen – aber vielleicht soll das auch gar nicht so sein. Geboten ist jedenfalls was auf der Bühne, zwischendurch kommt der Drummer – im orangefarbenen Overall – auch an den Bühnenrand und macht Show, oder Mimi nimmt für ein Drumsolo seinen Platz ein. Das ist wiederum ein richtig cooles Element, davon hätte es wegen mir mehr geben können. Das Publikum findet das auch und drängelt freundlich im Moshpit, geht dann auf Mimis Befehl aber auch brav in die Knie und springt wieder hoch. Nach einem letzten Abstecher Mimis in den Graben ist dieser Auftritt dann auch schon wieder vorbei, der mich ein wenig ratlos, viele andere Anwesende aber durchaus überzeugt zurücklässt. Macht euch am besten selbst ein Bild (YouTube, Bandcamp, live …).

DSC_2266Priest sind alte Bekannte, und ich freue mich auf den gepflegten und sehr tanzbaren Synthpop der drei mysteriösen Schweden – und welche schwarzen Kappen sie dieses Mal aufhaben. Auch wenn das letzte Konzert in München zusammen mit Rhys Fulber und Craven ein paar Fragen aufgeworfen hatte, zugegeben nach einem Sängerwechsel kurz zuvor, bin ich guten Mutes, das Tanzbein zu catchy Songs wie „Neuromancer“ oder „Obey“ zu schwingen. Eine große Frage, die ich mir nach dem äußerst mageren Publikumszuspruch vor drei Jahren gestellt habe – Kommen denn wenigstens heute Leute, die Priest sehen wollen? –, wird sogleich beantwortet. Ja, heute wollen Leute Priest sehen, und das nicht zu knapp. Die drei Schweden werden mit amtlichem Jubel und Gedrängel in den vorderen Reihen empfangen, und los geht’s mit „The pit“, das den meisten vertraut ist. Auch bei „Signal in the noise“ wird getanzt, Mercury feuert das Publikum unermüdlich an und fixiert es mit seinem rot glühenden Auge in der schwarzen Ganzkopfmaske. Ein cooler Effekt, und zusammen mit dem sehr viel brachialer als sonst dröhnenden „Blacklisted“ macht das ordentlich Stimmung. Auch Mercury singt deutlich aggressiver als sonst – hat man sich vielleicht an den harten Sound der Tourbegleiter Mimi Barks und vor allem Combichrist angepasst? Ich finde das ein bisschen schade, denn gerade die unglaublich eleganten Melodien von Priest hatten es mir immer angetan, und natürlich Tom Åsbergs Stimme (der Originalsänger von Priest). Wer dieser Stimme wie ich hinterhertrauert, denjenigen sei The Brides of the Black Room dringend ans Herz gelegt, da ist er jetzt nämlich aktiv. Sein Nachfolger am Mikro macht seine Sache schon deutlich anders. „Neuromancer“ und das abschließende „Obey“ machen trotzdem Spaß, mit sechs Songs ist das Set allerdings recht kurz geraten.

DSC_2378Viel umgebaut werden muss danach nicht, und dann wird auch klar, dass das massive Leuchtstrahlergeschwader auf der Bühne gar nicht zu Combichrist gehört, sondern den Schweden Smashed Into Pieces, die zumindest dem heute anwesenden Schwarzvolk völligst unbekannt sein dürften. Wie gut, dass sie ihr eigenes Publikum mitgebracht haben, das den Pit vor der Bühne füllt und für ordentlich Stimmung sorgt. Smash Into Pieces existieren bereits seit 2008, stammen aus dem schwedischen Örebro und haben sich mit bisher sechs Studioalben durchaus einen Namen in der Alternative-Rock-Szene gemacht. Diesen Sound bringen sie druckvoll und höchst professionell auf die Bühne, bleiben dabei aber sympathisch, und – wenn man mal ignoriert, dass sie überhaupt nicht in den Abend reinpassen – die insgesamt vierzehn Songs tun auch überhaupt nicht weh. Der Schwerpunkt liegt mit „Broken parts“, „Glow in the dark“, „Running away from home“, „Big bang“, „Forever alone“ und „Wake up“ auf den letzten zwei Alben A new horizon und Arcadia, das neue Album Disconnect ist für Anfang September angekündigt. Smash Into Pieces erfinden mit ihrer eingängigen Rockmusik das Rad nicht neu, haben aber ein paar richtig gute Melodien im Repertoire, große Spielfreude und hätten an einem anderen Abend allein mit „ihrem“ Publikum sicher auch noch mehr Leute vor die Bühne gezogen. Auch die Lichtshow ist von weiter hinten sehr beeindruckend und wäre vielleicht sogar in einer größeren Halle noch passender gewesen. Smash Into Pieces machen heute also alles richtig, sind nur zusammen mit dem harschen Elektro-(Metal)-Bandpackage aus Combichrist und den anderen am falschen Ort.

DSC_2536Nach einem erneuen Publikumswechsel – und jetzt ist die Hütte auch richtig, richtig voll – giert alles nach Andy LaPlegua und seinen Mannen, um eine zünftige Party zu feiern. Ich gestehe, bei Combichrist bin ich eindeutig Team Elektro und Oldschool, mir gibt der metallastige Sound der letzten Jahre nicht viel, aber die Energie, die Andy und die anderen ab den ersten Sekunden von „Heads off“ und „Not my enemy“ (zwei neue Songs) auf der Bühne entfachen und die sich sofort ins Publikum überträgt, ist auch ganz objektiv faszinierend. Andy wetzt unermüdlich über die Bühne, Elliott Berlin an Keyboard und Bass ist wie üblich ein Blickfang, und auch die anderen Bandmitglieder – Eric13 und Jamie Cronander an Gitarre, Dane White am Schlagzeug – ziehen ständig die Blicke auf sich. Bei „Get your body beat“ kommt auch mein Body in Schwung, denn das ist noch ein relativ alter Song, über den ich mich sehr freue. Auch das kurz darauf folgende „Blut royale“ mag ich noch gern, weil es wirklich schön brutal und blutig aus den Boxen peitscht, zum restlichen Konzert zitiere ich lieber Freund*innen von mir, die mir später glücklich verschwitzt ins Notizbuch diktieren: „Soooo geil!“ „Bestes Combichrist-Konzert seit Langem!“ „Viiiel besser als auf dem WGT, weil hier das Publikum auch viel geiler mitgegangen ist!“ Und ja, das Publikum gibt heute wirklich alles. Hüpfen, Moshpit, Mitbrüllen – es wogt und pogt bis weit nach hinten, und was für ein besseres Qualitätssiegel gibt es wohl für ein Konzert? Eben, kaum eins. Andy selbst muss auf der Bühne auch immer wieder grinsen und lässt den Blick über die Menge schweifen. Nach dem letzten Song „Can’t control“ gibt es natürlich noch eine Zugabe, die mit vier Songs ziemlich üppig ausfällt und die die Stimmung noch mal hochkochen lässt. Bei „Never surrender“ und „Modern demons“ geben die Leute noch mal alles, und bei „Maggots at the party“ und „What the fuck is wrong with you?“ (bei dem Mimi Barks mit Andy zusammen singt und Elliott einfach mal seine Tom ins Publikum wuchtet und vom Graben aus weiterspielt. Kann man machen!) tropft der Schweiß von der Decke. Um Mitternacht wanken dann sehr viele sehr erschöpft an die frische Luft und sinken erst mal im Biergarten auf eine Bank oder ziehen gleich weiter zu DJ Sconans Blackstage in die Halle, wo es dann auch ein bisschen mehr Elektro auf die Ohren gibt.

Für Fans der neueren (okay, nicht ganz alten) Combichrist ein großartiger Abend, und selbst mich hat die Band an sich überzeugt (wenn ich auch gern mal ganz alte Songs gehört hätte), die hier zusammen mit einem feierwütigen Publikum einen echten Abriss auf die Beine gestellt hat. Smash Into Pieces würde ich mir in einem anderen Rahmen gern noch mal anschauen, Priest konnten ihr Publikum begeistern, und bei Mimi Barks schaun wir mal, was die Zukunft noch bringt.

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:

Setlist Combichrist
1. Heads off
2. Not my enemy
3. Guns at last dawn
4. Throat full of glass
5. Get your body beat
6. Satans propaganda
7. Blut royale
8. Exit eternity
9. Compliance
10. Hate like me
11. No redemption
12. Zombie fistfight
13. Slakt
14. Shut up and swallow
15. Can’t control

16. Never surrender
17. Modern demons
18. Maggots at the party
19. What the fuck is wrong with you?

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