Celebrating fucking life!

Nach drei langen Jahren ist es endlich wieder soweit: Free & Easy im Backstage! Fast drei Wochen Konzerte, Lesungen, Partys, Filme auf dem Gelände, und (fast) alles umsonst. Metal nimmt traditionell einen wichtigen Teil des Programms ein, und das Backstage hat da wieder einige großartige Bandpakete geschnürt. Heute Abend freue ich mich zum Beispiel sehr auf Sweeping Death, Fateful Finality und Death Angel. Letztere habe ich auf meinem letzten Konzert vor Corona gesehen, nämlich bei der legendären „The Bay strikes back“-Tour Ende Februar 2020 mit Exodus und Testament zusammen. Nicht nur deswegen wird das heute ein besonderer Abend für mich, sondern auch, weil der halbe Tourtross damals an Corona erkrankte und Death-Angel-Schlagzeuger Will Carroll sogar einige Zeit zwischen Leben und Tod schwebte. Doch er hat es geschafft und sich hinters Drumkit zurückgekämpft. Das will gefeiert werden!
DSC_0870Der Fünfer Sweeping Death aus Wildsteig/Oberbayern lockt schon zu Beginn des Abends eine beachtliche Meute vor die Bühne der Backstage Halle, die junge Band hat viele eingefleischte Fans, und die Stimmung ist ab den ersten Tönen von „Death and legacy“ vom Debütalbum Astoria fantastisch. Die live etwas brachialer als auf Konserve ausfallende Mischung aus Prog, Death und Thrash macht höllisch Spaß, und nach der Ansage von Sänger Elias „Nach scheiß zwei Jahren ist es wieder Zeit zu tanzen!“ bildet sich schon ein erster kleiner Moshpit, ein „Devil’s dance“. Da geht aber natürlich noch mehr, bei den nächsten Songs („The world as will“ und „Sublime me“ von der aktuellen EP Tristesse) herrscht ordentlich Bewegung in der vorderen Hallenhälfte, wenn nicht gerade alle mit „Hey, hey“-Chören und Fäusterecken beschäftigt sind. Elias erzählt dann noch die Anekdote, warum dieser Abend auch für Sweeping Death ein besonderer ist: Vor fünf Jahren sei man nämlich drüben im Werk bei Death Angel gewesen und habe spontan beschlossen, eine Band zu gründen. Gute Idee! Danach will er „in der Mitte Action sehen!“ Zu Befehl, „Pioneer of time“ wird schwungvoll aus dem Publikum begleitet. „‚Astoria‘ kennen schon einige, es gibt also keine Entschuldigung, nicht mitzusingen!“ – ganz klappt der Chor dann doch nicht, der Song wird aber anderweitig gebührend abgefeiert.
Mit zerstörter Frisur und bestens aufgewärmten Nackenmuskeln werden Sweeping Death unter großem Applaus nach dem letzten Song „Horror infernal“ verabschiedet. Feine Sache, dieser Auftritt, bitte gerne wieder!

DSC_1048Weiter geht’s mit Fateful Finality aus Weil der Stadt/Nähe Stuttgart, die astreinen Thrash spielen und viel gute Laune mitbringen. „München, habt ihr Bock?“ Haben wir. Die Band knüppelt und grinst sich durch Songs wie „Fire and brimstone“ vom aktuellen Album Executor (Nachschub wird für Dezember angekündigt), „Hate kill and death“ (Kostprobe vom Nachschub) oder „Now more than ever“ vom dritten Album Mankind, findet alles am heutigen Abend „geil“ – da kann man auch überhaupt nicht widersprechen – und freut sich über die „Riesenehre“, zum ersten Mal im Backstage und zusammen mit den anderen Bands spielen zu dürfen. Nach „Fox devils wild“ vom Debütalbum King of torture und einer amtlichen Wall of Death fragt Sänger Simon, ob wir denn noch können. Gegenfrage aus dem Publikum: „Könnt IHR denn noch?“ Antwort: „Klar, wir haben noch Bier.“ Alle sind beruhigt, und bei den letzten drei Songs wird noch mal eine muntere Thrash-Party gefeiert.
Eine gelungene Backstage-Premiere für Fateful Finality, die mit starkem Songmaterial und sympathischer Ausstrahlung voll und ganz überzeugen.

DSC_1220Bei Death Angel wird es dann ziemlich kuschlig direkt vor der Bühne, das Publikum ist ausgehungert nach den Bay-Area-Veteranen, und Sänger Mark geht’s andersrum genauso. „It’s been far too long! And it’s brilliant to see you again!“, begrüßt er uns strahlend und auch ein bisschen gerührt und hält noch eine längere Rede darüber, wie lange Death Angel die unglaubliche Metalszene in Deutschland und München schon kennen und lieben. „And look where we are now, together!“ Jedes Wort kommt von Herzen, kein Wort ist zu viel. Musik gibt’s natürlich auch, mit „The ultra-violence/Mistress of pain“ sowie „Voracious souls“ vom Debüt The ultra-violence (aus dem Jahr 1987) eröffnet man ein zweistündiges Feuerwerk – die erste Headlinertour seit 2017 will schließlich ausgenutzt werden. Mark, Rob, Ted und Damien suchen ständig die Nähe zum Publikum, kommen ganz dicht an den Bühnenrand, und das Publikum sucht die Nähe zur Band – nicht zuletzt durch die regelmäßig über die Monitorboxen purzelnden Crowdsurfer. Mark ist natürlich bestens bei Stimme (keiner kann so schön und langgezogen „Fuuuuck yoooou“ röhren wie er), alle sind bester Laune, im Publikum fliegen Haare, Fäuste und andere Körperteile, während sich die Band durch eine beeindruckende Setlist prügelt. „The dream calls for blood“ widmet Mark „all of you beautiful motherfuckers“, weil wir uns nicht verbiegen lassen und stolz auf das sind, was wir sind, und kündigt „some obscure shit, in your face shit“ an, schließlich hat man als Headliner viel mehr Zeit und kann aus dem Vollen schöpfen. Und das tut man auch. Neben Songs wie „The devil incarnate“ oder „The moth“ gibt’s natürlich auch „Humanicide“ zu hören, für das die Band 2020 für einen Grammy nominiert war. Mark nimmt sich auch die Zeit, ausführlich die Band vorzustellen – begleitet von Damien, der lässig an einem Verstärker lehnt und ein paar Basslinien zupft -, und erzählt noch mal ergriffen die Geschichte von Wills Corona-Erkrankung und Genesung. „Make some fucking huge noise for our drummer!“, was natürlich mit extralautem Applaus und Jubel quittiert wird. Im Eifer des Gefechts wird allerdings Gitarrist Ted bei der Vorstellung vergessen, was hiermit nachgeholt werden soll: Auf der rechten Seite der Bühne Gitarrenwizard Ted Aguilar, verehrtes Publikum!
Nach einer letzten inbrünstigen Aufforderung Marks, das Leben und den Metal zu feiern, gibt’s einen „obscure track“ vom Debütalbum, nämlich „Thrashers“, der „von uns allen handelt“. Die Halle kocht, die Band strahlt, heute feiern wir alle wirklich das Leben und den Metal. Doch irgendwann muss Mark leider sagen: „This is my least favourite part of the evening, this is the last song. The last song to make a lasting impression on each other.“ Da muss er sich keine Gedanken machen, diesen Abend vergisst so schnell niemand, diesen Abend zusammen mit der Metal-Familie und der Gemeinschaft, die Mark immer wieder anspricht und die ihm so wichtig ist. Für den letzten Song „Thrown to the wolves“ gibt er die Parole aus: „2,5 years of pent up aggression have to get out“, und genau das machen wir alle auch. Danach ist dieser unglaubliche Abriss leider wirklich vorbei. Wahnsinn!

Ein rundum fantastischer Abend, der sicher nicht nur mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Drei hochklassige Bands, explodierende Spielfreude, Spaß, tiefe Emotionen und: Celebrating fucking life!
:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

Setlist Death Angel:

The ultra-violence/Mistress of pain
Voracious souls
Seemingly endless time
The dream calls for blood
Son of the morning
The devil incarnate
Caster of shame
The moth
Humanicide
Absence of light
Thrashers
Bored
Thrown to the wolves

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