Die Fee und der Zauberer aus dem dunklen Wald

Der Tag neigt sich gen Ende, ein schöner herbstlicher Sonnenuntergang zeigt sich am 9. Oktober über München. Für mich ist es die richtige Einstimmung auf ein lang ersehntes Livekonzert mit The Beauty of Gemina. Beim letztjährigen Auftritt war ich verhindert, aber heute ist es endlich soweit. Unsere SchwarzesBayern-Fotografin torshammare hat mir schon von den Livequalitäten der Schweizer vorgeschwärmt, die Vorfreude ist demnach auf beiden Seiten groß. Als Support ist die französische Wave-Formation Saigon Blue Rain dabei, zur Einstimmung habe ich sie mir auf YouTube angehört. Ja, das könnte ein wirklich schöner Abend werden.

DSC_0995Das Konzert beginnt um 20 Uhr ohne Einleitung und Begrüßung, Saigon Blue Rain erscheinen auf der kleinen Bühne des Backstage Clubs und beginnen gleich mit ihrem ersten Stück. Ophelia, Franck und Gilles erzählen mit ihrem Gesang und ihrer Musik ruhige, melodiöse, gitarrenlastige Geschichten. Die Frontfrau legt viel Gefühl in ihren Gesang, Franck wechselt nach dem zweiten Song vom Synthesizer zur Gitarre und ist der bewegungsfreudigste Part während ihres Gigs, Gilles ist zurückhaltender, konzentriert sich auf seinen Bass und genießt den Auftritt. Das Publikum vor dem Podium tanzt in den vorderen Reihen, hinten wird abgewartet, was da kommt. Nach dem dritten Titel gibt es eine charmante kurze englische Begrüßung und ein „thank you for coming“. Das folgende „Only“ hat’s mir angetan, dazu kann ich meinen Kopf wippen lassen und zum ersten Mal an diesem Abend tanzen. Ophelia wiegt sich zumeist während ihres Gesangs im Takt und spielt mit dem Mikrofonkabel um ihren Hals. Danach wird etwas Zeit auf die Abstimmung von Francks Gitarre verwendet, leider scheint die nicht so gut gelungen wie gedacht. Später muss das Instrument ausgewechselt und neu gestimmt werden, die Unterstützung durch den Roadie des Hauptacts wird vom Publikum beklatscht, eine unkomplizierte Hilfe, danke! Das folgende Cover zu „Goodbye Horses“ gefällt mir wieder sehr gut. Nach 45 Minuten ist Schluss, das Publikum dankt Saigon Blue Rain mit einem großen Applaus und dem folgenden Besuch am Merchandise, viele CDs wechseln den Besitzer und werden von den Bandmitgliedern signiert.
Saigon Blue Rain könnte für Fans von Psyche oder auch neueren Acts wie Linea Aspera, Keluar oder Hante interessant sein, aber auch für alle anderen, denen minimalistischer, eher ruhiger Wave mit viel Seele gefällt. Die Band spielt seit 2012 zusammen, eventuell waren sie etwas aufgeregt, aber das hat dem positiven Auftritt nicht geschadet. Die Band muss noch an Sicherheit gewinnen, und ihrem Repertoire sollten sie etwas musikalische Abwechslung beimischen. Das Publikum wurde aber auf jeden Fall mit den ruhigen Songs bzw. schönen Gitarrenriffs unterhalten und hat getanzt, was braucht es mehr. Ein herzliches „Merci“ geht noch einmal an Ophelia für die unkomplizierte Übergabe der Setlist, die man in manchen Fällen im World Wide Web nachhören kann – wenn man sich nicht sowieso gleich einen Tonträger gekauft hat.

Setlist Saigon Blue Rain:
Intro (Dancing Trees)
01 No longer cry
02 The Unknown
03 What I don’t see
04 Fading Fantasies
05 Only
06 Mori Chimaeris
07 Queen Ephemeria
08 Goodbye Horses
09 Whispering Eyes
10 Inside my Asylum
11 L’Offrande

DSC_1057So, aber jetzt bin ich gespannt, The Beauty of Gemina stehen als Nächstes an. Nach der Umbaupause verdunkelt sich die Bühne, im Backstagebereich hört man, dass Drummer Mac Vinzens sich nochmal kurz fingertechnisch aufwärmt. Kurz nach 21 Uhr nehmen die Musiker nach dem klassischen Intro vom Band unter dem eingespielten Gewitter ihre Plätze ein. Als Letztes erscheint Michael Sele, der Mann, dem ich seit zwei Wochen täglich lausche. Mit dem tanzfreudigsten Track aus dem neuen Album Minor Sun, „End“, und „Bitter-sweet Goodbye“ erfolgt ein verheißungsvolle Einstieg ins Set. Das Publikum reagiert entsprechend, die Club-Temperatur steigt um gefühlte 10 Grad, und die ersten Reihen tanzen bereits ekstatisch. Der eingesetzte Nebel passt zur rockig-düsteren Natur der Songs, die Gesten des Sängers sind wahre Fingerzeige von oben. In der Begrüßung weist uns Sele darauf hin, dass heute der letzte Auftritt auf deutschsprachigem Boden stattfindet, mittlerweile wurden etliche Konzerte gespielt und gut 5000 Kilometer gefahren, um das 10-jährige Bandbestehen ordentlich zu feiern. Die Frage „Are you ready?“ wird begeistert beantwortet, es folgen viele Tracks aus unterschiedlichen Alben und Zeiten, der Club tanzt hingebungsvoll dazu. Mit „Another Death“ erlebe ich live, was mir in den letzten Tagen immer wieder gefallen hat: In dieser besonderen Stimme kann man sich verlieren, es soll immer weitergehen, nur gut, dass das Tanzen die Hypnose unterbricht. Der weiß-blonde Sänger lässt uns rock’n’rolln, zuhören, erzählt uns in seiner eigenen Art Geschichten, lässt vor allem die Tänzerinnen jeder Altersschicht in den vorderen Reihen tanzen, sei es ekstatisch oder zurückgenommener. Mac an den Drums lässt bei seinem Solo zu „Hunters“ den Boden unter meinen Fußsohlen erbeben, die satten Basstöne von Andi Zuber sind eine effektive Begleitung, und Ariel Rossi bekommt durch seine Riffs immer wieder Aufmerksamkeit. Vor „Darkness“ wird für den Frontmann der Synthesizer aufgebaut, den dieser genauso wie die Gitarre zu spielen weiß (etwas anderes hätte mich auch gewundert). Die Band setzt erst später ein, das rot-weiße Lichtspiel trägt die ganze Zeit über zur positiven Wirkung bei. Mit ihrem ersten großen Hit „Suicide Landscape“ vom Album Diary of a Lost erreicht die Bewegungsleidenschaft selbst den Merchandise im hinteren Bereich, fast niemand kann sich diesem Sog entziehen. „Kingdom of Cancer“ beginnt mit einem richtigen Rums, Sele geht Richtung Bühnenrand, beschwört mit Gesten seine Fans, die Gitarrensaiten werden strapaziert. Die Ansage, dass auch die Band immer wieder an Kreuzungen stand, in denen nicht klar war, wie es weitergehen würde, leitet über zu dem Cover zu „Crossroads“ von Calvin Russell, das folgende „Wonders“ ist ruhiger und lädt zum Zuhören ein. Als Nächstes erklingt „Rumours“, nicht nachdenken, einfach genießen und tanzen! Und plötzlich eilt Michael Sele mit seiner Gitarre ins Publikum, spielt weiter, durchstreift zur Hälfte den Tanzrund, lässt sich ein wenig feiern und kehrt wieder zu seinem Ausgangspunkt zurück. Nach 16 Liedern ist zum ersten Mal Schluss, die Fans fordern noch zweimal Zugaben, die natürlich gewährt werden. Bei „Lonesome Death of a Goth DJ“, dem zweiten Überhit der Band, steht wirklich keiner mehr still, und mit „Down on the Lane“ wird dieses Konzert wunderbar abgerundet. Leider ist jetzt nach zwei Stunden dann endgültig Schluss. Von mir aus könnte es nochmal von vorne beginnen.
Ich bin glücklich, das war ein rundum gelungener Auftritt von The Beauty of Gemina in dem dazu passenden intimeren Rahmen des Clubs. Michael Sele ist ein charismatischer Sänger, der es versteht mitzureißen, dunkle Stimmungen zu zaubern und der mit seiner Musik und mit der Unterstützung seiner Band das Publikum zum Tanzen bringt. Meine Erwartungen wurden voll und ganz erfüllt. Deswegen werde ich zwar nicht nach Zürich zum Heimspiel der Band fahren, aber wir sehen uns dann beim nächsten Mal in München.

Es war ein großartiger Abend mit einem ruhigeren ersten Teil und einem zweiten Teil, in dem der Club viel getanzt, gesungen und gefeiert hat.

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

Setlist The Beauty of Gemina:
Intro
01 End
02 Bitter-sweet Goodbye
03 Haddon Hall
04 Another Death
05 Kings Men come
06 Hunters
07 Darkness
08 Suicide Landscape
09 Kingdom of Cancer
10 Crossroads
11 Wonders
12 A thousand Lakes
13 Rumours
14 Seven-Day Wonder
15 Dark Rain
16 Endless Time to see
17 Waiting in the Forest
18 All those Days
19 This Time
20 Lonesome Death of a Goth DJ
21 Down on the Lane

 

http://saigonbluerain.bandcamp.com/

https://www.facebook.com/SBRofficial/?ref=page_internal

 

http://www.thebeautyofgemina.com/

https://www.facebook.com/TheBeautyOfGemina

https://soundcloud.com/the-beauty-of-gemina

https://www.youtube.com/user/thebeautyofgemina

 

Bilder: torshammare

 

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  1. […] Überhaupt die Live-Qualitäten der Band, ein ganz eigenes Kapitel! Vor kurzem waren TBoG in München und haben ihr neues Album Minor Sun vorgestellt, ein selten intensiver Abend, der noch lange […]

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