Konzert: Festival Mediaval VI, 6.-8. September 2013, Selb – Samstag

Wie jedes Jahr wurde natürlich auch wieder der begehrte „Goldene Zwerg“ an eine der Nachwuchsbands verliehen, die sich während des Festivals dem Publikum und einer Jury stellen mussten. In der Kategorie „Spielmann“ kämpften zunächst am Samstag die drei Bands Brigandu, Saitenweise und Tanzebom um Ruhm, Ehre und die Gelegenheit, auf dem kommenden Mediaval 2014 ein längeres Set spielen zu dürfen. Verliehen wurde der Award schließlich an die Mittelalter- und LARP-Barden von Saitenweise. Der Jury wird die Entscheidung wohl schwer gefallen sein, denn alle drei Bands haben Musik auf einem tatsächlich unerwartet hohen Niveau gespielt. Das fanden auch die glücklichen Gewinner, die in ihrer Dankesrede ihren Zwerg gerne brüderlich teilen wollten. Das hat prompt Bläcky auf den Plan gerufen, der kurzerhand angeboten hat, dann eben ein Dreifachkonzert mit allen Bands nächstes Jahr zu machen – eine wirklich schöne Geste und auf das Resultat darf man dann durchaus gespannt sein.mediaval13-0478

Während zu unchristlich früher Stunde also der „Nachwuchs“ sich am Publikum ausprobieren durfte, spielten parallel die Gewinner des Vorjahres das Konzert, das sie sich redlich verdient hatten. Der deutschsprachige Piratenrock kam auch wieder super an, vor allem, wenn er so vorteilhaft mit irischen Tanzmelodien und einem treuen Publikum verknüpft ist wie bei den Freibeutern von Elmsfeuer.

mediaval13-0524In eine ganz andere Richtung ging danach Kauna, das quasi frisch geschlüpfte Nebenprojekt von Oliver Sa Tyr (Faun) und Boris Koller (Poeta Magica, Cadence, Estampie), das sich der historischen skandinavischen Musik verschrieben hat und sich wunderbar in das diesjährige Nordic Special einfügte. Mit nur zwei Musikern und stellenweise einem Gast klingen Kauna exotisch und faszinierend, allerdings für mitteleuropäische moderne Hörgewohnheiten stellenweise eher schwierig. Dennoch funktioniert die Musik erstaunlich gut – und ja, Oli’s (scherzhafter) Ausspruch, sie brächten mit nur zwei Instrumenten genauso viele Töne hervor wie manche andere Band in voller Besetzung, trifft die Sache ziemlich auf den Punkt: Trotz so kleiner Besetzung und äußerst spezialisierter Musikrichtung so faszinierende, kreative Musik zu machen, davon könnten sich einige durchaus eine Scheibe abschneiden.

Ähnlich exotisch ging es im Anschluss bei der Band mit dem, nun ja, unhandlichen Namen Satolstelamanderfanz weiter, die mit einer einmaligen Mischung aus mittelalterlichen Rythmen und Melodien aus aller Welt lockten. Präsentiert wurde dann auch eine solide Multikulti-Musikmischung, in der man durchaus ein paar Perlen finden konnte, die im Großen und Ganzen betrachtet aber eher durchschnittlich klang.

Ungleich besser waren dafür die Australier von Dandelion Wine, die eine erstaunlich dichte Atmosphäre und klangliche Fülle auf der Bühne erzeugt haben. Mit Charme und Witz verbreiteten sie gute Laune im Publikum und brachten mit elektronisch verstärkten Klängen und sanftem Gesang so ziemlich alle Zuhörer zum Tanzen.

mediaval13-0664Mit Euzen schien der Samstag dann endgültig in Schwung gekommen zu sein. Die Musik der norwegisch-dänischen Band ist vielleicht vorsichtig als „experimenteller Folk-Rock mit klassischen Einflüssen“ oder auch als „avantgardistischer progressiver Art-Rock“ zu beschreiben. Oder am Besten gar nicht: Man muss sich das einfach mal anhören, um es zu erfassen. Mit massivem Bass, einer starken Frauenstimme und faszinierenden Klangexperimenten brachte die Band (die unter anderem aus einem Mitglied von Valravn besteht sowie ihre Kollegen von Omnia als Gäste rekrutiert hat) einen fantastisch melodischen Folk-Metal-Mix auf die Bühne, der die Grenzen des Nordic Special schon entschieden in Richtung des Elektronischen hin ausreizte. Wenn man sie noch nicht kennt: unbedingt mal reinhören!

Mit der dänischen Band Gny schwang das Pendel wieder in Richtung der traditionelleren Musik zurück. Mit tief im Folk verwurzelter, beinahe düsterer Melodik und historisch korrekt nachgebauten Instrumenten hauchte die Band alten Traditionen neues Leben ein und spielte ein sehr harmonisches, sanftes Set.

Von den Sandsacks – die schon 2010 zu Gast auf dem Mediaval gewesen sind – erwartet man eigentlich schon nichts anderes mehr, als dass sie ihrem Publikum mit irisch-schottischem Folk-Rock vom ersten Lied an einzuheizen wissen. Durch das höllisch schnelle Geigenspiel, unterstützt von Flöte, Dudelsack und Mandoline, verwandelten sie dann auch die Senke vor der Burgbühne in einen kleinen Hexenkessel. Der deutliche Schritt in Richtung Rock, den sie seit Neuestem gemacht haben, scheint ihnen gut bekommen zu sein.

mediaval13-0907Es gab auch eine weitere Band zu hören, die dem Festival-Publikum bekannt sein dürfte: Poeta Magica, die ihr Edda-Projekt präsentierten. Genau jenes, das 2011 im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser gefallen ist, denn das Konzert musste wegen des schweren Unwetters abgebrochen werden. So unbefriedigend das für alle Beteiligten gewesen sein muss, war es dann umso schöner, dass die Band dieses Jahr genau dort wieder anknüpfen konnte, wo sie damals aufgehört hatten. Bei Vorhaben wie dem Edda-Projekt (auch zu hören auf den gleichnamigen CDs jeweils mit und ohne Erzählteilen), die konzeptionell durchgeplant, mit ausschweifenden Erzählpassagen versehen und musikalisch mit größter Liebe zum Detail umgesetzt sind, bleibt immer noch die Frage, wie das live funktionieren kann? Die Antwort lautet: hervorragend! Das Publikum ließ sich wieder dankbar in die Mythologie der altnordischen Edda versetzen, lauschte andächtig den Klängen von Nyckelharpas, Dudelsack, Harfe, Gitarre und Gesang. Zwischen den Stücken wurden die Hintergründe der Sage von dem Philologen Prof. Dr. Ulrich Mehler erklärt, der wieder als Erzähler mit dabei war. Später zeigten sich die magischen Poeten dann auch von ihrer rockigen Seite, packten unerwartet ihre E-Gitarren aus und erfreuten mit wilden Tanzliedern und älteren Stücken wie „Harald Blaubart“ die Menge. Eines kann man Poeta Magica nicht vorwerfen: dass sie vorhersagbar oder einfallslos seien.

Danach konnte man, wenn man flugs die Bühne wechselte, eindrucksvoll miterleben, was so alles aus „kleinen Nachwuchsbands“ werden kann, die den goldenen Zwerg auf Selb gewinnen. Denn Winterstorm – entsprungen aus den Überresten von Circle of Grief, Zwerg-Gewinner von 2011, quasi Senkrechtstarter der Saison 2012 – haben sich in Rekordzeit die Charts hochgearbeitet. Für Selb hatten sie ein wahrhaft episches Set vorbereitet und die Songs ihrer bisherigen Alben und Kostproben aus ihrer neuen Platte wusste das Publikum angemessen zu würdigen. Die Mischung aus Heavy / Power / Viking Metal, Folk und Mittelalterklängen, die eingängigen Melodien ebenso wie die brachiale Energie, welche von der Bühne direkt auf die Menge übersprang, hatten dann auch die Ehre, den ersten Moshpit des Festivals inspiriert zu haben. Diese offene Begeisterung weiß die Band offenbar nach wie vor zu schätzen, fühlten sie sich doch inspiriert, ein neues Stück zu schreiben, das dem Selber Festival an sich, dem Publikum und der besonderen Atmosphäre dort im speziellen gewidmet ist: „Metalavial“ (wenn ich das richtig verstanden habe) trägt zwar einen komischen Titel, hat aber das Zeug zum Festival-Hymnus.

mediaval13-1160Der Höhepunkt, dem die diesjährigen Besucher wahrscheinlich am meisten entgegen gefiebert haben, kam danach mit dem Auftritt von Garmarna. Das Urgestein der Folk-Szene auf die Bühne zu bringen, auf einem Festival, das eher abseitig zur Folk-Szene existiert, und das nach gut zwölfjähriger Sendepause der schwedischen Band: das ist eine fantastische Leistung der Festival-Orga. Die Band spielte, als hätte ihre kleine Pause niemals existiert: skandinavische Balladen und Volkslieder, unterlegt mit Rock- und Elektroeinflüssen, nie gehörte Songs von der damals geplanten, aber nicht produzierten CD, altbekannte Klassiker wie „Vänner och Fränder“ und – natürlich! – „Herr Mannelig“, das wohl jeder in verschiedenen Varianten kennt. An das Original, das haben Garmarna an dem Abend bewiesen, kommt aber keiner so einfach heran. Das lang erwartete Wiedersehen, die offensichtliche Begeisterung von Fans und Band gleichermaßen sowie der bezaubernde, ruhige Charme von Sängerin Emma Härdelin (die auch mit ihrem Nebenprojekt Triakel schon in Selb war) dürften dafür gesorgt haben, dass dieser Abend wohl noch vielen lange im Gedächtnis bleiben wird.

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