Italien rockt das Free&Easy
Ein weiterer Metal-Abend auf dem Free&Easy steht an – heute mit einigen Spielarten des Folk-Pagan-Metal. Die Backstage Halle ist allerdings eher spärlich gefüllt, was sich auch zu späterer Stunde und größerem Bekanntheitsgrad der Bands nicht so richtig ändern will. Egal. Klein, aber sehr fein wird dieser Abend, so viel sei schon mal verraten.
Den Anfang machen die Münchner von Brocelian, eine noch sehr junge Band, die sich dem melodischen Symphonic-Metal verschrieben hat. Der Name leitet sich von dem mythischen französischen Wald Brocéliande ab, und genauso phantastisch und mythenumsponnen möchte die Musik sein. An diesem Abend präsentieren die Musiker ihr Debütalbum Lifelines, das allerdings meines Wissens nach noch nicht erhältlich ist. Insgesamt sieben Songs präsentiert die Band (darunter als Zugabe „Theatre Moments“ vom 2010er Demo), die weitestgehend im Midtempo-Bereich gehalten sind. Der Symphonic-Metal von „The Hunt“, „Heartstrings“ oder „Unbreakable“ geht grundsätzlich ganz gut ins Ohr, ist sauber gespielt, und vor allem Violinistin Elli kann immer wieder wunderschöne Akzente setzen. Doch so richtig zünden will die Mischung noch nicht, vielleicht muss die Band noch ihren ganz eigenen Stil finden. Sängerin Susan verfügt über eine sehr gute Stimme in den Höhen, doch in den tieferen Lagen kann diese sich nicht so recht gegen die Mitmusiker durchsetzen und geht ein wenig unter. Das ist sehr schade, denn insgesamt liefern die Fünf einen guten Auftritt ab. Wenn sie ein bisschen Gas geben, wird es sogar richtig gut. Mal schaun, wie es mit Brocelian weitergeht.
Eine weitere junge Band steht als Nächstes auf dem Programm, Narrator aus dem fränkischen Schweinfurt. Die Band existiert schon seit Mai 2011, doch absolviert sie heute Abend erst ihren dritten Auftritt. Von Nervosität allerdings kaum eine Spur, ein wenig hölzern stehen manche Bandmitglieder noch auf der Bühne, aber so arg viel Platz ist da auch nicht. Musikalisch wird es eine ganze Spur härter und deftiger, das ist schon eindeutig mehr Metal als Folk (auch wenn die Band ihren Stil als Folk Metal beschreibt), immerhin gibt es sogar einen hauptamtlichen Growler, der Sänger und Sprücheklopfer Julian intensiv unterstützt. Narrator stellen heute Abend ebenfalls ihre aktuelle Veröffentlichung vor, die EP Von Kreaturen und Kriegern, die es seit April bei amazon und anderen Anbietern zu kaufen gibt. Folgerichtig setzt sich das Set auch aus Liedern dieser EP zusammen, die allesamt dank hohem Dudelsackanteil mächtig in die Beine und den Nacken gehen, aber immer eindeutig Metal sind. „Luna“, „Auf den König“, das „Blutgericht“ oder die geniale Mitgrölhymne „For the golden Throne“ machen richtig Spaß, und den strahlen auch die Musiker auf der Bühne aus. Die beiden Sänger/Growler bangen, was das Zeug hält, und vor allem Sänger Julian bedankt sich ein ums andere Mal gerührt bei der enthusiastischen Zuschauerschar. Die Jungs dürfen gern wiederkommen.
Danach wird es mächtig, sehr mächtig. Adorned Brood aus Grevenbroich stehen auf der Bühne. Die 1993 gegründeten Pagan-Metal-Veteranen spielen zum ersten Mal in München, und das lassen sich viele – überraschend blutjunge – Fans nicht entgehen. Ein übergroßer Thorshammer vor dem Schlagzeug zeigt gleich die inhaltliche Richtung an – ab in den hohen Norden! Die Band stellt ihr aktuelles Album Kungingaz vor sowie einen Querschnitt durch bisherige Veröffentlichungen. Die Musik ist sehr metallastig, aufgelockert wird sie durch Querflötistin Anne, doch grundsätzlich wird geknüppelt. Die Fans vor der Bühne danken es mit hochgereckten Fäusten und fliegenden Haaren. Nach Titeln wie „Hammerfeste“, „Am Grunde des Meeres“ und „Kungingaz“ folgt mit einer sehr metallischen Version des immerwährenden Klassikers „7 Tage lang“ der erste Höhepunkt der Show, und die Stimmung soll sich auch über die ganze zweite Hälfte des Sets halten. „Victory or Valahall“, „We are Legion“ oder „Death in Disguise“ werden gnadenlos ins Publikum abgefeuert (das sich zum jetzigen Zeitpunkt bunt gemischt präsentiert, offensichtlich sind auch viele nicht-metallische Free&Easy-Besucher mittlerweile in der Backstage Halle gelandet). Man merkt der Band zu jedem Zeitpunkt ihre langjährige Routine an, und der Applaus gibt den Grevenbroichern recht.
Dann ist es endlich soweit – die Italiener Folkstone stehen nach ihrem umjubelten Auftritt beim Tanzt!-Festival 2012 zum ersten Mal als Headliner auf einer deutschen Bühne. Wie berechtigt dieser Status ist, wird bereits nach den ersten Tönen deutlich. Teilweise vier Sackpfeifen gleichzeitig sorgen für eine musikalische Druckwelle, bei der alle anderen Vertreter dieser Musikrichtung eigentlich sofort einpacken könnten. Dazu noch die leidenschaftlichen Vocals des Sängers, die konsequent auf Italienisch gehalten sind, und schon befindet man sich im Folk-Metal-Himmel. Neun Musiker wirbeln auf der nicht gerade großen Bühne umher, ständig herrscht Bewegung, und bis auf kurze Ansagen wird dem Publikum keine Pause gegönnt. Viele können die Lieder sogar mitsingen, was den Ausnahmestatus dieser Band noch unterstreicht. Vor mir in der ersten Reihe stehen zwei Fans, die extra aus Brasilien angereist sind, um der Band Grüße vom brasilianischen Fanclub zu übermitteln (wenn ich das mit der weiten Anreise richtig verstanden habe). Die Halle ist leider auch jetzt bei weitem nicht gefüllt, doch die Anwesenden haben einen Riesenspaß und feuern Folkstone geradezu fanatisch an. Auch hier herrscht bis in die hinteren Reihen Bewegung, und auch als es schon nach Mitternacht ist, fordern die Fans noch weitere Zugaben. Ich muss dann langsam Richtung S-Bahn gehen, nur ungern, denn mir gefallen die Italiener verdammt gut mit ihrer Wahnsinnsshow und riesigen Spielfreude, die ohne Pyros und sonstige Effekte auskommt.
Setlist Folkstone:
Nebbie
FolkStone
Non sarò mai
Lo stendardo
Grige maree
Respiro avido
Luna
Il confine
Frerì
Anime dannate/Terra santa
Tex
Frammenti
Ombre di silenzio
Omnia fert aetas
Simone Pianetti
Rocce nere
Gesamtfazit: Wieder mal ein toller Metal-Abend, danke an die Veranstalter für ihr gutes Gespür für Band-Zusammenstellungen und die Präsentation noch junger Bands neben alteingesessenen Namen. Brocelian müssen noch ein wenig an ihrem Stil arbeiten, sind aber auf einem guten Weg, Narrator machen richtig Spaß, Adorned Brood knüppeln alles nieder, und bei Folkstone hüpft das Folk-Herz und will spontan Italienisch lernen, um die Texte mitsingen zu können.
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