Die Magie von Bildern und Worten

MalfuriaICatalina, die bei einem alten Kartenmacher in der Lehre ist, hält sich für ein ganz normales Mädchen. Zumindest so normal, wie jemand sein kann, der mit dem Wind sprechen kann. Dennoch – ihr Leben zieht gemütlich dahin. Sogar das Lachen hat sie nach dem Tod ihres Vaters wieder gelernt.
Auch für Jordi, den Sohn des Leuchtturmwärters, scheint die Welt bunter zu werden, als er sich entschließt, den jahrelangen Prügelattacken seines betrunkenen Vaters zu entfliehen.
Doch die Idylle währt nicht lange, denn als eine schwarze Galeone am Himmel erscheint und im Hafen von Barcelona anlegt und plötzlich Schatten durch die Straßen der singenden Stadt wandeln, treffen die Schicksale der beiden aufeinander, um sofort wieder auseinandergerissen zu werden. Für Catalina und Jordi beginnt eine atemlose Flucht vor den Schatten und die scheinbar endlose Suche nach den Dingen, die sie verloren haben.

Eine singende Stadt, Karten, die die Welt verändern, und Schatten auf der Jagd nach einem Mädchen. Diese und viele andere Elemente von Malfuria sind ganz typisch Christoph Marzi. Er zeichnet in einem zügigen Tempo eine zauberhafte, halb-reale Welt, immer mit gerade so viel Wirklichkeit, dass man der Illusion erliegt, irgendwo könnte es eine solche Welt geben. Er malt mit seiner einmaligen Wortwahl Bilder in den Kopf des Lesers, selbst das Böse scheint auf seine eigene Art lyrisch, geradezu schön. Banale Details erwachen zu kleinen Wundern, und wirklich nichts ist so, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. Marzis Talent, selbst die schlichtesten Geschichten derart poetisch zu erzählen, erinnert mich an Peter S. Beagles Das Letzte Einhorn; dadurch wird Malfuria zu so viel mehr als bloß einer Kindergeschichte.
MalfuriaIIDie Macht von Worten und Karten steht im Mittelpunkt von Malfuria, sodass beim Lesen der Gedanke bleibt, dass alles Geschriebene, alles Gemalte, irgendwo und irgendwie real ist. Dass diese Macht der Fantasie hier natürlich greifbarere Formen annimmt, muss nicht erwähnt werden, und so scheint es auch nur logisch, dass Papier Gefühle hat und kleine Bücher aus Kokons schlüpfen. Auch die Rabenkatzen, die leise klimpernden Mosaikeidechsen und die Gischtgeister haben es mir wirklich angetan. Diese Ideen sind so liebevoll, so rührend, dass es wohl kaum jemanden gibt, dessen inneres Kind sie nicht aufwecken können.

Das Geheimnis der singenden Stadt ist der rasante Auftakt zu einer vielversprechenden Trilogie, die zwischen Steampunk und Fantasy balanciert, dabei aber stets den Charme und die Poesie eines düsteren Märchens behält. Einmal mehr wünschte ich mir, eine Geschichte von Christoph Marzi würde endlich verfilmt werden – das Potential hätte jede einzelne.
Die Hüterin der Nebelsteine schließt unmittelbar an Band eins an und wirkt wesentlich düsterer, ohne dabei an Poesie zu verlieren. Die Bedrohung wächst merklich, und immer mehr stellt man sich der Frage, ob der Herrschaft der Schatten noch etwas entgegenzusetzen ist. Wo im ersten Teil noch klare Linien zwischen Gut und Böse herrschten, verschwinden diese immer mehr, und ganz am Ende wird schließlich klar, dass jedes Ding zwei Seiten hat. Plötzliche Wendungen verunsichern den Leser zunehmend in seiner Position, erinnern ihn aber, dass es selbst in der dunkelsten Stunde noch Lichtblicke gibt.

Malfuria: Das Geheimnis der singenden Stadt und Malfuria: Die Hüterin der Nebelsteine sind die ersten beiden Bände eines zauberhaften Steampunk-Märchens, die Christoph Marzi von seiner besten Seite zeigen. Für Kinder eine aufregende Abenteuergeschichte, während der erwachsene Leser sich ganz der Symbolik, Sprache und dem einmaligen, Marzi-typischen Zauber hingeben kann. Die Geschichte kommt ohne epischen Schnickschnack aus, Catalina und Jordi bleiben stets, was sie sind: verlorene Kinder in einer gefährlichen Welt.
Ein rasanter Einstieg in eine Trilogie, deren letzter Band nun unausweichlich auch in meinem Bücherregal landen muss.

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Christoph Marzi – Malfuria I: Das Geheimnis der singenden Stadt
Arena, Gebunden, 2010
328 Seiten
9,95€
Arena

und

Christoph Marzi – Malfuria II: Die Hüterin der Nebelsteine
Arena, Gebunden, 2010
336 Seiten
9,95€
Arena

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