Sadistische Seelenfolter im Gothic Style

 

Kammerspiele_Die Zofen

Die beiden Schwestern Solange und Claire, Zofen bei der gnädigen Frau, sind alleine zu Hause und spielen Rollenspielchen. Mal ist die eine die gnädige Frau, mal die andere, aber immer geht es darum, am Ende die gnädige Frau umzubringen. Die Frauen sind grotesk geschminkt und erinnern in ihrem Look an alte Stummfilmdiven oder an den Film Cabaret. Mit jedem Ton, den sie sagen, mit jeder Geste, die sie zeigen, kann man erkennen, dass sie die gnädige Frau aus ihrem tiefsten Inneren hassen. Sie hassen sich aber auch gegenseitig, weil sie gefangen sind in ihrer Welt, Zofen sind und Zofen bleiben, und dabei tagein, tagaus immer wieder nur sich selbst und ihr Gegenüber sehen.Dann kommt Madame nach Hause.

Das schwarz-graue Bühnenbild wird sanft in purpur und lila getaucht, die gnädige Frau ist auch in ein pinkes Etwas gekleidet, Wiebke Puls gibt in ihrer androgynen Art eine exzellente reiche Dame ab, die viel Zeit und Geld in ihre Garderobe investieren kann. Anfangs ist sie einem direkt sympathisch, ist sie doch vom Schicksal gebeutelt, weil der gnädige Herr ins Gefängnis kam; schon meint die Arme, sich nie mehr etwas Neues zum Anziehen kaufen zu wollen, oder doch, eine Trauergarderobe vielleicht noch. Dann kommen aber subtil und dennoch deutlich zu erkennen die kleinen Spitzen an den Tag, mit denen die gnädige Frau ihre Zofen täglich quält. Sie dürfen deren abgelegte Kleider tragen, ihr nicht mehr gebrauchtes Makeup benutzen oder auch ihren ausgeatmeten Zigarettenqualm einatmen. Die größte Erniedrigung ist vielleicht sogar, dass sie sie nach all den Jahren immer noch verwechselt – oder zumindest so tut. So wollen die Zofen die gnädige Frau mit Gift im Lindenblütentee umbringen, zumal sie ihnen drauf kommen wird, dass ihre Intrigen dafür verantwortlich sind, dass der gnädige Herr – zu Unrecht – im Gefängnis sitzt. Als er auch noch schnell wieder entlassen wird und die gnädige Frau um nichts in der Welt den mittlerweile erkalteten Tee trinken will, weil sie lieber mit ihrem Mann feiern geht, müssen die Schwestern Claire und Solange das Tötungsritual auf andere Art und Weise zu Ende bringen.

Wiebke Puls ist eine wundervolle gnädige Frau, eine Mischung aus Tilda Swinton in Only Lovers left alive und Gwyneth Paltrow wegen ihrer Lieblichkeit. Brigitte Hobmeier ist das kleine unschuldige Mädchen mit hoher Stimme, wenn sie am Telefon mit Herrschaften telefoniert, genauso wie die laute Herrische, wenn sie mit ihrer älteren Schwester Solange streitet. Diese wird vortrefflich, etwas älter, etwas ruhiger, von Annette Paulmann dargestellt. Die Puls ganz am Ende in ihrem schwarzen Herrenanzug als der Gnädige Herr könnte wiederum alles sein, David Bowies Der Mann, der vom Himmel fiel, ebenso wie Nick Cave oder der Hauptdarsteller in dem modernen Schwarz-Weiß-Film The Artist.

Die Bühne ist eine schwarze Tunnelröhre, an deren Rückseite Live-Videos abgespielt und die Hauptdarstellerinnen als Stummfilmgesichter gezeigt werden. Dieses unheimlich interessante Bühnenbild wie auch die von Christopher Uhe komponierte Musik, die von The Velvet Underground, Nick Cave oder The Doors stammen könnte, machen das zweistündige Stück ohne Pause trotz seines schweren Themas und der nervenzerreißenden Dialoge zu ganz großem Kino.

Die Zofen – Von Jean Genet
Mit: Brigitte Hobmeier, Annette Paumann, Wiebke Puls
Inszenierung: Stefan Pucher
Bühne: Barbara Ehnes
Kostüme: Annabelle Witt
Musik: Christopher Uhe

Münchner Kammerspiele – Die Zofen
Nächste Vorstellung: 9. Februar 2015

Copyright Foto: Kammerspiele

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