Robinson Crusoe trifft SciFi – kann das gut gehen?

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Ich gebe es zu: Als ich zum ersten Mal von Andy Weirs Erstling Der Marsianer gehört habe, war ich von der Idee nicht besonders überzeugt. Mehr als 500 Seiten und hauptsächlich eine einzige Hauptperson, die obendrein komplett allein auf dem Mars sitzt? Ob das nicht langweilig würde? Nein, wurde es definitiv nicht. Ich habe das Buch innerhalb von zwei Tagen verschlungen, und hätte ich nicht zwischendrin schlafen und essen müssen (was ich tatsächlich sehr bedauert habe), hätte ich es am liebsten in einem Rutsch fertig gelesen.

Was genau macht nun dieses Buch so faszinierend? Ich glaube, es ist die Mischung aus solide recherchierter, realistischer SciFi, bissig bis sarkastischem Humor und einer einfühlsamen Verarbeitung menschlicher Urängste: Was passiert, wenn man plötzlich völlig alleine ist?

Das Grundgerüst der Geschichte ist schnell erzählt: Astronaut Mark Watney wird nach einem Unglück auf einer Marsmission für tot gehalten, seine Kameraden fliegen ohne ihn Richtung Erde zurück. Aber Watney ist nicht tot. Andere würden sich nun aufgeben, einfach verzweifeln, aber Watney stellt sich als Robinson Crusoe der SciFi heraus und macht sich in der verlassenen Marsstation Ares 3 ans Werk, um zu überleben, bis jemand kommen und ihn abholen kann. Zugegeben, da es auf dem Mars weder Wasser noch Atemluft oder irgendetwas Essbares gibt, hat er es dabei etwas schwerer als der berühmteste Schiffbrüchige aller Zeiten und muss ziemlich tief in seine botanische Trickkiste greifen, um nicht zu verhungern. Das dokumentiert er in seinem täglichen Logbuch, immer mit gebührender Ironie. Trotzdem klingen auch seine negativen Emotionen und Ängste durch. Was empfindet man als einziger Mensch auf einem ganzen Planeten? Nie zuvor wurde das so berührend geschildert.

Immer wieder streut Weir dann Kapitel ein, was parallel auf der Erde und von Watneys Astronauten-Kameraden so alles unternommen wird, um ihn irgendwie lebend vom Mars zu holen. Auch diese Abschnitte sind spannend und hervorragend recherchiert, allerdings sind Watneys Logbuch-Einträge in der Ich-Perspektive noch einmal wesentlich fesselnder.

Insgesamt ist das Buch eines der besten, das ich je gelesen habe. Spannend von Anfang bis Ende, absolut realistisch, schwungvoll und witzig, aber auch berührend. Es gibt wenig derartige Schmöker, die sich so schnell lesen lassen, ohne jemals ins Seichte abzugleiten. Oft wünscht man sich bei solch dicken Büchern, manche Passagen, die das Buch in die Länge ziehen, wären gestrichen worden – nicht so beim Marsianer. Der hätte wegen mir auch noch hundert Seiten mehr haben dürfen. Oder zweihundert.

Kein Wunder also, dass das Buch zum absoluten Hit wurde und natürlich auch in Hollywood Aufmerksamkeit erregt hat. Dort sind zwar Raumfahrt-Filme seit Apollo 13 und Space Cowboys eigentlich aus der Mode geraten, aber mit einer so guten Buchvorlage macht man wohl eine Ausnahme und hat dementsprechend ein veritables Staraufgebot verpflichtet. Man kann sicherlich davon ausgehen, dass der Film ein absoluter Blockbuster wird, ein erster Trailer jedenfalls sieht vielversprechend aus. Aber natürlich wird der Film nie alle Nuancen, alle Details eines 500-Seiten-Buches zeigen können. Und es ist doch viel schöner, ein Buch zu lesen und dabei ein eigenes Bild der Figuren, der Marslandschaft, der Geräusche und Gefühle entstehen zu lassen. Deshalb liegt es nahe, den Marsianer noch vor Kinostart des Films (in Deutschland Ende Oktober) zu lesen. Am besten, wenn man zwei Tage lang nichts vorhat – denn es ist ein Buch, das man nur ungern wieder weglegt, solange man es nicht ausgelesen hat.

Fazit: Für mich das beste Buch, das ich seit langem gelesen habe. Unbedingt schmökern, bevor der Film in die Kinos kommt!

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Andy Weir: Der Marsianer
Heyne, November 2014
Taschenbuch, 509 Seiten
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