In der Vergangenheit gegraben

Rosalinde Reich, kurz Rosa genannt, hängt mit 63 den Lehrerinnenberuf an den Nagel und lässt die alte Gärtnerei ihrer Eltern wieder aufblühen. Ihre Idee ist es, nicht nur Pflanzen zu verkaufen, sondern auch die komplette Garten- und Balkongestaltung anzubieten. Der erste Auftrag ist gleich ein großer Fang: Rosa soll den verwilderten Garten eines ehemals adligen Anwesens bei Bonn für den neuen Besitzer wieder herrichten. Doch wer gräbt, gräbt immer auch in der Vergangenheit, und die hat Überraschungen parat, in diesem Fall: Knochen.

Menschenknochen? Zum Glück nicht, wie sich herausstellt, sondern – auch rätselhaft – Löwenknochen sind es, was Rosas Neffe, Teilzeit-Mitarbeiter und angehender Journalist Moritz da zu Tage befördert hat. Es bleibt jedoch nicht bei toten Großkatzen. Das Anwesen und das Gärtnerei-Team scheinen von Pech und Unfällen verfolgt zu werden, ein Faktotum schleicht misslaunig durchs Gemäuer, und der ehemalige Schlossbesitzer, den Rosa zunächst nur aus Neugier über die Löwengeschichte ausfindig zu machen versucht, ist wie vom Erdboden verschluckt. Derweil naht im Ort die Bürgermeisterwahl, im Wahlkampf melden mehrere, teilweise eher unangenehme Zeitgenossen ihre eigenen Interessen im Schloss an – und dann wird der neue Bürgermeister frisch gewählt auch schon ermordet. Wie das alles zusammenhängt, findet Rosa, die neben Pflanzen auch Krimis liebt, schließlich nicht alleine heraus, sondern mit tatkräftiger Unterstützung vor allem ihres Neffen, ihrer ehemaligen Schüler (in Gestalt des Schulchors und der örtlichen Polizei), alter und neuer Freunde und Kollegen, und nicht zuletzt immer frisch gestärkt von den Leckereien, die die junge Sarah im neu eingerichteten Café der Gärtnerei auf die Tische zaubert.

Kristina Hortenbach ist fernsehsehenden Menschen z.B. aus der Sendung „Kaffee oder Tee“ bekannt, verrät mir der Klappentext. Mir nicht – mich hatte einfach die versprochene Kombination „netter Krimi“ und „Garten“ zum Lesen bewogen. Es dauerte eine Weile, bis ich mich in die Erzählweise hineinfand, die mir anfangs noch etwas steif erschien; dann war es aber eine flotte Lektüre. Meine Lese-Erwartungen wurden allerdings doch nicht so ganz erfüllt. Ein klein bisschen schräger als die launigen Sprüche des ältesten Gärtnerei-Mitarbeiters und Kölsch-Originals vom Dienst häts schon auch irgendwo mal sein dürfen, und zwischen den verschiedenen Wohlfühlzutaten (Krimi für die Spannung, Gärtnerei und Café fürs angenehme Setting und die inneren Augen/Nasen/Geschmacksnerven, Schule inkl. Lateinlehrer-Freund für die Nostalgie, Rheinland fürs Lokalkolorit, diverse Liebesgeschichten fürs Herz) kam mir letztlich alles davon etwas zu kurz. Vor allem der eigentliche Krimi-Plot, der eine wildromantische Liebesgeschichte der Vergangenheit mit Lokalpolitik-Filz der Gegenwart interessant verbindet, hätte mehr Raum verdient gehabt.
Seitenanmerkung: Es ist mir persönlich auch ein bisschen zu lebensfern, wenn z.B. die Protagonist*innen (die ja keine abgebrühten Kriminal-Profis sind) kurz nach einem Leichenfund schon wieder recht entspannt Macarons genießen. Oder auch, wenn beim Neugestalten eines riesengroßen Gartens kein schwereres Gerät als der Spaten zum Einsatz kommt. Aber zugegeben, ein Krimi muss und soll auch gar nicht unbedingt zu realistisch sein.
Eine angenehm zerstreuende Lektüre ist das Buch immerhin, und ich glaube, mehr will es auch gar nicht sein, und dann ist das auch völlig okay so. Und falls aus dem Buch eine Reihe wird, wäre es durchaus einen Blick wert, wie sich das alles noch weiterentwickelt.

:lesen: :lesen: :buch2: :buch2: :buch2:

Kristina Hortenbach: Um die Hecke gebracht. Rosa Reich ermittelt
Heyne, Vö. März 2023
Taschenbuch
12 €, E-Book 3,99 €

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