Hey Ho – Let’s Go

daz4edWer hat diesen Schlachtruf noch nicht gerufen? Zur aktiven Zeit nur mäßig erfolgrreich, haben die 1974 gegründeten Ramones heute einen ähnlichen weltweiten Kultstatus erlangt wie Motörhead, trotz oder vielleicht auch wegen der Vermarktung bei den üblichen Textilriesen. Vielleicht auch, weil mit Sänger Joey Ramone (Jeffrey Hyman, † 2001), Gitarrist Johnny Ramone (John Cummings, † 2004), Bassist Dee Dee Ramone (Douglas Glen Colvin, † 2002) und Schlagzeuger Tommy Ramone (Tamás Erdélyi, † 2014) alle vier Gründungsmitglieder bereits verstorben sind.
Viele Bücher sind bereits über die Ramones erschienen, doch keines ist dabei auch nur annähernd so umfangreich wie Ramones. Eine Lebensgeschichte. Mehrmals hatte sich die Veröffentlichung des Buches verschoben, und als ich es schließlich in den Händen halte, ist mir auch klar warum. Stolze 2,623 kg bringt das Buch mit seinen Ausmaßen von 26,5x22x5 cm auf meine Küchenwaage. Der Autor Flo Hayler ist Musikjournalist und Betreiber des 2005 eröffneten weltweit einzigen Ramones-Museums in Berlin.

In seiner relativ kurzen Fankarriere der aktiven Zeit der Band vom ersten Konzertbesuch 1990 bis zur letzten Show 1996 wird Hayler kaum ein Konzert auslassen. Er wird Teil einer Hardcore-Fangemeinschaft, die ihren Idolen oft weltweit nachreist, und so lernt er auch die einzelnen Mitglieder der Ramones kennen. Zahlreiche Treffen, Gespräche und Interviews, auch mit begleitenden Zeitzeugen, bilden die Grundlage für die vorliegende Biografie. Und damit wird auch klar, dass der Titel doppeldeutig ist. Natürlich behandelt das Buch vor allem die Lebensgeschichte der Ramones, aber eben auch die von Hayler, weil sie eng mit der der Ramones verflochten ist. Genau das macht die Intensität des Buches aus, weil nur so ein unglaublicher Detailreichtum möglich geworden ist, den man als Außenstehender nie erreichen kann, egal wie viel Recherche man betreibt. Trotzdem hat auch Hayler Unmengen recherchiert, wobei er natürlich auch auf all die großen und kleinen Schätze in seinem Museum zurückgreifen konnte. Und selbst er als Hardcore-Fan hat noch für ihn Neues entdeckt. Wer jetzt sein Auto im originalen Ramones-Schriftzug-Pink lackieren möchte, Flo Hayler verrät auch diesen Pantone-Farbton. Auch Arturo Vega wird nicht vergessen, und so wird genau beleuchtet, wie der Freund der Band den Schriftzug und das legendäre ikonenhafte Adler-Logo erschafft und was ihn dazu inspiriert hat.

Die unzähligen und zum Teil zuvor unveröffentlichten Fotos und Museums-Fundstücke sind naturgemäß ein Highlight, und so kann man das Buch auch einfach als Bilderbuch betrachten. Ich habe daher mehrere Anläufe gebraucht, bevor ich mit dem eigentlichen Lesen begonnen habe. Hayler hat alle Bilder selbst zusammengetragen, wobei er auf die Unterstützung der Fotografen Danny Fields, Roberta Barley und George DuBose zugreifen konnte. In seiner Eigenschaft als Musikjournalist gelingt es Hayler trotz aller Fan-Leidenschaft, sich einen weitgehend kritischen Blick zu bewahren. So beginnt Ramones. Eine Lebensgeschichte mit dem letzten Konzert, das alles andere als glorreich verlaufen ist. Er geht auch mit den weniger schönen Aspekten der Band offen um, wie etwa Lügengeschichten, häusliche Gewalt und der gegenseitige Hass aufeinander, der das landläufige Bild der Ramones als eingeschworener Gang konterkariert. Auf der anderen Seite waren sie eine Band, die sich geradezu rührend um ihre jungen Fans kümmert, wenn z. B. Johnny nach einer Show fragt, ob sie das Geld für ein Zimmer hätten und ob die Eltern im Bilde seien. Von ihm bekommt Hayler auch eine jährliche Weihnachtskarte. Zahllose weitere Anekdoten und Geschichten hat Hayler zusammengetragen und schafft so ein wahres Vermächtnis für seine Lieblingsband. Dass die Faszination Ramones auch heute noch immer anhält, davon konnte ich mich kürzlich bei Marky Ramone’s Blitzkrieg im knackevollen Münchner Backstage überzeugen.

Fazit: Ramones. Eine Lebensgeschichte hat das Prädikat Wälzer mehr als verdient. Es ist ebenso gut, wie es schwergewichtig ist. Das ultimative Standardwerk über die Ramones ist damit kein Buch, das man mal so eben in der S-Bahn durchliest. Glaubt mir, ich habe es versucht und nach zwei Tagen Schlepperei aufgegeben.
Für Fans der Band ist die Biographie Ramones. Eine Lebensgeschichte ein absolutes Muss. Aber auch für diejenigen, die einfach nur an Musik oder der Entstehungsgeschichte einer absoluten musikalischen Legende interessiert sind, ist das Buch wahnsinnig spannend zu lesen. Zum Abschluss empfehle ich allen, das Ramones-Museum in Berlin zu besuchen, allein schon um Joeys monströse Schrankwand zu sehen, die Hayler mit absurdem Aufwand aus den USA herbeigeschafft hat. Also stimmt mit ein: Hey Ho – Let’s Go!
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Flo Hayler: Ramones. Eine Lebensgeschichte
Heyne Hardcore, Vö. 01.10.2018
Hardcover, 640 Seiten
48,00 €, als Ebook 15,99 €, erhältlich über Randomhouse www.randomhouse.de
Homepage: https://www.randomhouse.de/Buch/Ramones/Flo-Hayler/Heyne-Hardcore/e490967.rhd

www.heyne-hardcore.de
https://www.ramonesmuseum.com/

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