Giftige Pilze

Aufgrund meiner Begeisterung für Kackschlacht, einer Zwei-Mann-Punk-Band, die nur aus Gitarre und Schlagzeug besteht (Link zur Review), wurde mir seitens eines Redaktionsmitglieds empfohlen, doch mal in Mantar reinzuhören. Diese seien ebenfalls nur zu zweit und ebenfalls nur mit Gitarre und Schlagzeug unterwegs. Gesagt, getan, voller Vorfreude YouTube gestartet, dann allerdings von irgendeinem Black-Metal-Gegrunze abgeschreckt worden und die Band erst mal vergessen. Erst als der Redaktion nun das neue Album zur Rezension angeboten wurde, fiel mir die Band wieder ein. Also noch mal voller Angst YouTube gestartet, dann allerdings von einer massiven Rhythmus-Walze positiv überrascht worden und die Rezension dankend angenommen.
2012 in Bremen gegründet, veröffentlichten sie bereits 2013 das Debütalbum Death by burning, mit dem Nuclear Blast auf Mantar aufmerksam wurde. 2016 erschien hier das Nachfolgealbum Ode to the Flame sowie das nun zu besprechende dritte Album The modern art of setting ablaze.

Das Intro, „The knowing“, führt den Hörer langsam und ruhig in das Album ein, bevor der Wahnsinn von The modern art of setting ablaze beginnt. The „Age of the absurd“ besitzt ebenfalls ein noch kurzes und schweres Intro, doch dann setzen die Drums von Erinc Sakarya mit Wucht ein und dazu die Gitarre von Hanno Klänhart. In dem Moment, als seine Stimme hinzukommt, entfesseln die zwei ein Sound-Inferno, das wegweisend für das gesamte Album ist. Dennoch variieren sie mit dem Tempo, wie auch im folgenden Song „Seek + forget“, dessen Rhythmus zunächst allein von der Gitarre bestritten wird. Die anschließenden Kombinationen aus Schlagzeug und Riffs versetzt den Kopf in Kreisbewegungen. Moment mal, ist das ein Bass beim Intro zu „Taurus“? Natürlich nicht, nur eine entsprechend tief gestimmte Gitarre. Ein schwerer, schleppender Rhythmus zeichnet den Song aus, der aber unterbrochen wird für ruhige Parts, die sich ganz auf den Gesang konzentrieren. Doom Metal und Crust Punk verbinden sich bei „Midgard serpent (season of failure)“ zu einer Einheit, und beide Musiker agieren auch hier wieder variantenreich, sodass wirklich keine Langeweile aufkommt. Klassische Metal-Riffs prägen „Dynasty of nails“, das etwa zur Hälfte von einem schwergewichtigen Mittelpart unterbrochen wird, der sich gegen Ende noch einmal wiederholt. Fett!
Die zweite Hälfte läutet „Eternal Return“ zunächst mit schweren Klängen ein, nimmt dann jedoch ordentlich Fahrt auf. Einmal begeistert mich die Rhythmussektion in Kombination mit dem Growl-Gesang. Der Song versprüht pure Gewalt, auch wenn es härtere und schnellere Metal-Spielarten gibt. „Obey the obscene“ zeichnet besonders die Melodieführung der Gitarre aus, und zusätzlich zum Gesang werden Sprachsamples eingeblendet, die sich hervorragend integrieren. Der Kopf bleibt auch hier in Bewegung. Geschwindigkeit und Beat wechselt mehrfach bei „Anti eternia“, es gibt sogar regelrechte Breaks. Außerdem sind fast schon harmonische Passagen integriert sowie hochtönende Gitarrensoli, insgesamt geht es hier also etwas experimenteller zu. Etwas gemächlicher kommt „The Formation of night“ daher, der Soundteppich ist aber nicht weniger intensiv. Wie eine zähe Lavamasse bahnt sich der Song seinen Weg, bis es im letzten Viertel erst zu einem abrupten Halt und dann zu einem neuerlichen Ausbruch kommt. Das folgende „Teeth of the sea“ hat eine eingängige und beschwingte Note, hier kommt plötzlich Punk-Rock-Einfluss deutlich zum Tragen, was den Song im Vergleich zu den anderen heraushebt. Den Abschluss bildet passenderweise „The funeral“. Allerdings erinnert mich der Gesang plötzlich an Marilyn Manson beim Eurythmics-Cover zu „Sweet dreams“. Ich bin etwas erschrocken, wische den Gedanken aber dann schnell beiseite dank der Textzeile „Waiting for your funeral“. Zu einem langsamen Rhythmus bildet die Gitarre einen Richtung Doom schielenden Teppich für den Gesang. Intensiv und eindringlich wie das gesamte Album The modern art of setting ablaze.

Fazit: Man mag es kaum glauben, dass diese Band nur zu zweit agiert, denn sie erschaffen einen brachialen Sound, mit dessen Wucht und Dichte sie viele reguläre Fünf-Mann-Combos hinter sich lassen. Mantar unterwerfen sich dabei keinem spezifischen Genre, sie sind nur sich selbst gegenüber verpflichtet, und so verarbeiten sie in ihrer Musik vielfältige Einflüsse von Doom, Black und Thrash Metal bis hin zu Crust Punk. Den Bass vermißt man zu keinem Zeitpunkt, trotzdem sind auch ohne diesen stets Referenzen zu Motörhead spürbar. Anhänger eines jeden der genannten Genres sollten Mantar unbedingt einmal antesten. Trotzdem gibt es hier kein Geknüppel auf Teufel komm‘ raus, denn Mantar, was im türkischen übrigens Pilz heißt, bieten wohlarrangierte Songs eher im Midtempo an, die allerdings vor Giftigkeit nur so strotzen.
Ich habe keine Ahnung, was ich seinerzeit angeklickt hatte, aber ich bin froh, der Band noch mal eine Chance gegeben zu haben. The modern art of setting ablaze passt perfekt zu meiner momentanen allgemein angepissten Stimmung, daher werde ich nun auch die beiden Vorgängeralben austesten.

Anspieltips: Taurus, Dynasty of nails, Eternal Return, Teeth of the sea

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

Mantar: The modern art of setting ablaze
Nuclear Blast, Vö. 24.08.2018
CD 15,99 €, LP 22,99 € erhätlich über Nuclear Blast
Homepage: https://www.facebook.com/MantarBand
http://mantarband.com
https://www.nuclearblast.de

Tracklist:
01 The knowing
02 Age of the absurd
03 Seek + forget
04 Taurus
05 Midgard serpent (season of failure)
06 Dynasty of nails
07 Eternal Return
08 Obey the obscene
09 Anti eternia
10 The Formation of night
11 Teeth of the sea
12 The funeral

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