Vom Winde verweht

Estrella ist siebzehn, besucht seit Kurzem ein Kunstinternat und hatte schon immer einen besonderen Draht zum Wetter. Das bemerken auch ihre Mitbewohnerinnen schnell, denn Esta liebt es, bei Gewitter auf dem Balkon zu stehen. Doch als eine ominöse Regierungsorganisation auf sie aufmerksam wird und sie entführt, setzt das in Esta noch ganz andere Kräfte frei, und ehe sie sich‘s versieht, stecken sie, ihr Freund Janis und dessen Familie zwischen den Fronten in einem Krieg, der überall um uns herum ausgefochten wird – mit einer unglaublichen Waffe: dem Wetter selbst.

Ein Fantasyroman über das Wetter? Da horche ich natürlich sofort auf, verbindet es doch zwei meiner Lieblingsthemen: Meteorologie und Literatur! Mal was Neues, das musste ich einfach lesen. Die Erwartungen waren hoch.

Und wurden bitter enttäuscht, denn bereits nach wenigen Dutzend Seiten ärgerte mich dieses Buch so maßlos, dass ich es am liebsten weggelegt hätte. Mit Schmackes. Aus dem Fenster.
Der Stil ist insgesamt plump und inkonsistent, da wird fröhlich und zusammenhanglos durch Erzählperspektiven gesprungen, Beschreibungen sind – wenn es sie überhaupt mal gibt – fantasielos und flach. Natürlich ist Sturmschatten ein Jugendroman und kein Goethe, dessen bin ich mir vollkommen bewusst, aber auch Jugendromane sollten, damit sie wirklich lesenswert sind, ein gewisses stilistisches Niveau enthalten. Das ist hier leider nicht der Fall, denn sowohl Stil als auch Dramaturgie erinnern eher an mittelmäßige Fanfiction. Am schlimmsten war für mich persönlich der permanente Missbrauch von Satzzeichen bei Fragen. Bei Sätzen wie „Spinnst du.“ oder „Kannst du das nochmal abspielen!“ rollen sich mir förmlich die Zehennägel hoch. Die absolute Krönung war dann „Der Orkan heulte so laut, dass sie Janis kaum verstand, und doch verstand sie ihn […]“
Die meisten Charaktere sind flach und ohne Tiefgang skizziert, nur Esta und Janis wird etwas mehr Substanz gewidmet. Leider geht besonders Esta mit ihrer grenzenlosen Naivität und Selbstüberschätzung bald ziemlich auf die Nerven, und Janis scheint eine eifersüchtige Klette zu sein, die im echten Leben kein Mensch ertragen würde. Außerdem sind die Entwicklungen der Charaktere teilweise so inkonsistent, dass man sich fragt, ob da noch die gleiche Person handelt. Erst hat Esta zum Beispiel große Angst vor der „dunklen Energie“ in ihr, doch kurz darauf prahlt sie mir nichts, dir nichts mit ihren Fähigkeiten herum. Als sie dann plötzlich noch zur Spezialistin in Meteorologie und militärischer Taktik wird, aber nicht weiß, was Nordlichter sind, wundert man sich doch.
Die Geschichte ist grundsätzlich gut, aber bestimmte Schlüsselmomente sind so schrecklich vorhersehbar, dass die Charaktere einem ziemlich blöd vorkommen, nicht selbst darauf zu kommen.
Alles in allem ist Sturmschatten eines der wenigen Bücher, die mich von vorn bis hinten genervt haben. Es war für mich sowohl inhaltlich als auch stilistisch eine herbe Enttäuschung, und ich bin froh, dass ich mich durch 445 endlos scheinende Seiten gekämpft habe und es jetzt beiseitelegen kann. Die angekündigte Fortsetzung … ach, lassen wir das.

Einen Leser gibt’s für die gute Grundidee.

:buch: :buch2: :buch2: :buch2: :buch2:

Franziska B. Johann – Sturmschatten
Knaur eBook, 2014
445 Seiten
4,99€

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1 Kommentar
  1. Horusauge
    Horusauge sagte:

    Ich kann enchantress nur zustimmen. Ich finde „Sturmschatten“ absolut vorhersehbar, noch dazu langatmig! Da schlägt man den Kindle gern zu und freut sich auf anderen noch zu lesende Lektüre.

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