Die Rückkehr der Powerfrau

Gleich die ersten Seiten machen klar: Wir haben es hier wieder einmal mit (männlichen) Ausgeburten der Hölle zu tun. Ein junges Mädchen muss da seit ihrer frühesten Kindheit viel ertragen, aber sie ist schlau.

Sehr schnell tritt Mikael Blomkvist auf. Er hat sich nicht sehr verändert. Immer noch interessiert ihn nichts so sehr wie seine Zeitung. Dass die Ära des gedruckten Blattes zu Ende geht und nur noch als Podcast erscheinen wird, wühlt ihn sehr auf. Ein ganz klein wenig lenkt ihn ab, dass er zur Hochzeit seiner Tochter fährt. Er macht sich auf von Stockholm in den hohen Norden. Im Zug lernt er einen Mitreisenden kennen, der seine Tochter sucht, und so ganz nebenbei bereitet er Blomkvist auf etliches Arges vor, das ihn in Nordschweden erwarten wird. Dieser ist mit seinem zukünftigen Schwiegersohn Henry Salo nicht sehr zufrieden. Dass aber ausgerechnet er es sein wird, der eine Spirale der Gewalt auslösen wird, hätte wohl niemand erwartet. Schnell erfahren wir, was Salo umtreibt und welche Probleme er hat. Lisbeth kommt ins Spiel. Auch sie ist sich selbst treu geblieben. Alle ihre Tage sind gleich: entweder sie arbeitet, und wenn nicht, dann trainiert sie oder schläft. Nach wie vor hat sie keine sozialen Kontakte, nicht mal ein Haustier oder eine Pflanze. Und nun wird sie vom Jugendamt kontaktiert, ob sie Svala, ihre Halbnichte, bei sich aufnehmen könnte. Eigentlich unwillig macht auch sie sich auf den Weg nach Nordschweden. Aber als sie Svala kennenlernt, hat sie bald Hochachtung vor ihr. Diese sucht ihre verschwundene Mutter, eine Sami, und dabei muss sie sich vor oben genannten Ausgeburten in Acht nehmen, denn sie ist das Mädchen, das uns gleich zu Anfang vorgestellt wird. Die Suche führt die beiden in einen Abgrund des Grauens. Doch Lisbeth wäre nicht Lisbeth, wenn sie sich nicht der Situation stellen würde. Unterstützung hat sie auf jeden Fall von ihrer Nichte Svala, die ihr sehr ähnelt: Sie sind beide genial, erfinderisch und furchtlos. Ich habe mich nach ein paar Zeilen schon in diese jüngere Version meiner nordischen Lieblingsprotagonistin verliebt gehabt.

Sehr viel geradezu grotesk Grauenvolles passiert in diesem Buch. Das hätte es vielleicht gar nicht gebraucht, aber Tradition verpflichtet einfach, die vorherigen Bände haben die Messlatte des Grauens hoch gelegt. Die Damen haben es letztendlich gerockt.

Dass die weltberühmte „Millennium-Trilogie“ weitergeht, ist eine kleine Sensation! Stieg Larsson hat drei Bände geschafft vor seinem viel zu frühen Tod, David Lagercrantz hat abermals drei Bände verfasst, und nun spinnt Karin Smirnoff mit „Verderben“ die Geschichte um Mikael Blomkvist und die geniale Lisbeth Salander weiter. Smirnoff ist in Schweden eine der bekanntesten Autorinnen des Landes, und dass sie zupacken kann, das hat sie in ihren früheren Berufen als Journalistin, Altenpflegerin und Karatelehrerin bewiesen. Kein Wunder, dass sie sich der Powerfrauen Lisbeth Salander und Svala annimmt. Dieses Buch ist erst der Start einer neuen „Millenium-Trilogie“, doch der Auftakt war schon mal gelungen!

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Karin Smirnoff: Verderben
Übersetzung: Leena Flegler
Heyne Verlag , Vö. 23. August 2023
Gebundene Ausgabe, 464 Seiten
24 Euro
eBook: 18,99 Euro

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