Die Szene hat einen Duden bekommen

metalBraucht man noch ein Buch, das Metal beschreibt, wie er ist, was er ist – und wer ihn hört? Eigentlich nicht, will man meinen, und doch hat sich Roland Hesse an dieses Thema gewagt. Die Intention, so schreibt der Autor, ist nicht, ein vollständiges Lexikon über die Szene herauszugeben. Vielmehr soll mit dem Buch auf eine einfache Weise aufgeräumt werden: mit den Vorurteilen, mit dem Genre-Kuddelmuddel, mit allem. Ob er das schafft?
Das Buch beginnt mit den verschiedenen Stilrichtungen. Dabei wird nicht jedes noch so kleine und neuerfundene Subgenre behandelt, sondern nur die wirklich wichtigen Richtungen erklärt. Der Autor versucht dabei, sowohl die Geschichte als auch die Merkmale darzustellen. Zusätzlich gibt es Hörbeispiele und jeweils eine Liste mit Bands, die dem jeweiligen Genre zugeordnet werden. Hesse hat sich hier sehr viel Mühe gegeben und räumt mit so mancher Unsicherheit auf, erklärt verständlich, warum Death Metal eben so heißt, was Progressive ausmacht und wer nun alles Gothic ist. Die Kapitel lesen sich schnell und besonders Interessierte können sich hier auch ein kleines Register mit Post-Its anlegen, um schnellen Zugriff auf die einzelnen Stilrichtungen und ihre Beispiele zu haben. Ich muss sagen, dass mir seitdem die Einordnung einiger Band immens leichter fällt. Doch der Autor sagt auch – und hier gehe ich absolut konform mit ihm -, dass dieses ständige Kategorisieren ein Zwang ist und manches gar nicht in eine Schublade gepresst werden will und kann. Das unterscheidet das Buch schon mal von vielen anderen Metal-Lexika.Der Schreibstil ist einfach und verständlich, kein musiktheoretisches Kauderwelsch, kein pseudo-szenetypisches, lehrerhaftes Geschwafel, das sowieso keiner versteht.
Aber es geht noch weiter, indem Hesse sich mit den Songtexten auseinandersetzt und hier einmal ganz frech ein Gedicht von Gottfried Benn neben einen – indizierten – Text von Eisregen stellt. Benn darf jeder lesen, Eisregen aber nicht jeder hören, dabei ist das eine nicht ekliger als das andere. Wie kritisch sich der Metal mit sozialen Missständen, der Kirche, Atheismus, Ungerechtigkeit und so weiter auseinandersetzt, wird zum ersten Mal deutlich. Es geht eben endlich einmal nicht darum, irgendetwas blind zu verteidigen und den anderen zu sagen, dass sie Unrecht hätten; es geht vielmehr darum zu zeigen, wie und was der Metal ist – und was eben nicht. Keine satanistische Vereinigung, keine Teufelsanbeter, die nur schwarze Messen feiern und gegen alles und jeden sind, Drogen nehmen und sich das Hirn wegsaufen. Der Metal ist friedlich – wenngleich es auch Ausnahmen gibt, was Hesse genauso schonungslos anspricht.Dass es sich hierbei um einen kompletten Lebensstil handelt, erzählt das vorletzte Kapitel. Eine friedliche, offene Gemeinschaft, die anderen mit Toleranz begegnet und sich zwar oftmals schwarz kleidet, ja, aber deswegen nicht böse ist. Jeder darf zuhören und soll sich bitte sein eigenes Urteil bilden.

Roland Hesse hat einen wahren Duden der Szene geschrieben, in dem man schnell auf eine einfache, erklärende Weise Antworten auf viele Fragen findet. Metal führt einen durch die schwarze Szene wie kein zweites Buch und lädt jeden dazu ein, sich friedlich mit jenen Schwarzkitteln auseinanderzusetzen, die nichts anderes sind als ganz normale Menschen.

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Roland Hesse – Metal. Musik, Szene und Lebenseinstellung
Literareon, 2013
137 Seiten
21,66 €
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