Tödliches Wiesn-Ende

„Geht es dem Münchner gut, besucht er turhan-anstichdas Oktoberfest. Geht es ihm schlecht, geht er erst recht hin.“
Mit dieser treffenden, liebevoll ironischen Analyse beginnt Anstich, Su Turhans vierter Lokalkrimi um den eigenwilligen bayerisch-türkischen Ermittler Zeki Demirbilek alias Kommissar Pascha. Der Titel ist allerdings ein klein wenig irreführend, denn nicht der Auftakt der Wiesn ist Ausgangspunkt der wendungsreichen Handlung; diese setzt vielmehr an deren letztem Tag ein und endet am dritten Tag danach, wie uns die zusätzliche Unterteilung der 68 Kapitel verrät.

Am Morgen nach dem letzten Wiesn-Sonntag werden bei den Abbau- und Aufräumarbeiten auf der Theresienwiese in einem Müllhaufen gleich drei Leichen entdeckt: ein älteres Ehepaar und, noch ungewöhnlicher, ein mit einem Kaftan bekleideter Mann offensichtlich orientalischer Abstammung, der diesen makabren Fund zu einer Angelegenheit für die auf ausländische Opfer spezialisierte Sonderkommission Migra und damit für Kommissar Demirbilek werden lässt. Der ist gerade erst aus einem romantischen Wochenende in Istanbul mit seiner Freundin Derya zurückgekehrt und muss sich nun mit diesem Fall, seiner neuen Vorgesetzten Feldmeier und nicht zuletzt dem Kollegen Pius Leipold herumärgern. Als Ur-Münchner fühlt sich Leipold natürlich besonders berufen, wenn es um Ermittlungen rund ums Oktoberfest geht. Allerdings gerät er dabei zwischenzeitlich auf seine Karriere gefährdende Abwege, aus denen Zeki ihm wieder heraushelfen muss.

Nach und nach kristallisiert sich heraus, was am letzten Abend des Oktoberfests passiert ist und wie der auf den ersten Seiten geschilderte Plan zweier Kleinganoven, mit Hilfe einer Prostituierten einen ebenso reichen wie betrunkenen türkischen Touristen auszunehmen, komplett schiefgegangen ist. Vor allem das Bahnhofsviertel mit seinen Teestuben und Shisha-Bars steht dabei diesmal im Mittelpunkt, aber auch andere, konkret benannte Orte und Straßen verbreiten wieder viel Münchner Lokalkolorit.

Im Laufe der komplizierten Ermittlungen spielt auch eine in München angesiedelte noble türkische Privatuniversität eine Rolle – und das nicht nur für den Mordfall, sondern, wie der Zufall es will, auch für das Privatleben Zekis. Es stellt sich nämlich heraus, dass just an dieser Universität in Kürze eine Gastdozentin ihren Dienst antreten soll, und die ist niemand anderes als Zekis Ex-Frau Selma. Und er muss sich eingestehen, dass er sich nach wie vor zu ihr hingezogen fühlt und sich nicht wirklich zwischen ihr und Derya entscheiden kann. Darüber hinaus begegnen wir natürlich auch den anderen, dem „Kommissar Pascha“-Leser schon vertrauten Figuren aus Zekis persönlichem Umfeld wieder, insbesondere seinem Sohn Aydin, der mit seiner hochschwangeren Freundin Jale Cengiz mitten in chaotischen Hochzeitsvorbereitungen steckt und in deren Beziehung es zeitweise heftig kriselt.

Wie schon in den vorherigen drei Büchern gelingt Su Turhan auch in Anstich wieder eine kurzweilige und flüssig lesbare Mischung aus einem spannenden Kriminalfall und der Schilderung des mitunter nicht unproblematischen Alltagslebens Zeki Demirbileks. In den Danksagungen am Ende des Buchs schließt Turhan mit den Worten „Auf einen weiteren Pascha – warum nicht?“ – man darf also auf eine Fortsetzung hoffen!

Auch das Fernsehen hat übrigens mittlerweile Zeki Demirbilek entdeckt: Vor Kurzem hat die ARD mit Dreharbeiten zu einem ersten „Kommissar Pascha“-Film begonnen.

Su Turhan: Anstich
Knaur TB, 23. September 2015
339 Seiten
€ 9,99
amazon

(2479)