Eintauchen in die 70er-Jahre

The Vintage Caravan - Gateways - ArtworkThe Vintage Caravan sind mittlerweile alte Hasen im Geschäft, 2006 wurde das Trio vom damaligen Schlagzeuger Guðjón Reynisson sowie Sänger und Gitarrist Óskar Logi Ágústsson gegründet. Kurz darauf stieß Alexander Örn Númasson am Bass zur Band, und der Siegeszug der jungen Isländer, die sich unglaublich knackigem, groovendem Retrorock verschrieben haben, konnte beginnen. Zwölf Jahre später hält er immer noch an, personell ist bis auf den Einstieg von Stefán Ari 2015 am Schlagzeug auch alles beim Alten geblieben, und die drei Jungs haben sich einen verdammt guten Namen gemacht, vor allem als unermüdlich tourende Band mit hochenergetischen Auftritten, wie sie erst auf der kürzlich absolvierten Europatour mit Wucan und Black Mirrors wieder unter Beweis stellen konnten. Nebenbei finden die drei Isländer aber auch noch Zeit, Platten aufzunehmen, und mit Gateways steht seit August 2018 das vierte Album in den Läden. Hält es das hohe Niveau des Vorgängers Arrival? Kurz nach Veröffentlichung landete es immerhin schon auf Platz 75 der deutschen Albumcharts!

Astreine, tonnenschwere Riffs eröffnen „Set your sights“, schleppend und hypnotisch geht es weiter, sofort ist man drin im 70er-Rock-Kosmos von The Vintage Caravan, bis zum furios rockenden Finale. „The way“ ist ebenfalls ein Groovemonster im Midtempo-Bereich, bei dem die Gitarre lärmt, Óskar sich die Seele aus dem Leib singt und man einfach mitnicken muss. Etwas flotter, aber durch das exzellente Bassspiel von Alexander nicht weniger punktgenau, kommt „Reflections“ daher, dessen eingängige Melodie die harten Riffs des Songs wunderbar komplettiert. Nicht zu vergessen den sensationell rockenden Instrumentalteil, der „Reflections“ zum ersten Highlight des Albums macht. Etwas ruhiger und introvertierter präsentiert sich „On the run“, mit melancholischem Gesang und typischen 70er-Melodien – schon jetzt mein Kandidat für die Dauerschleife. „All this time“ führt diese bittersüße Stimmung hervorragend fort, auch wenn hier wieder mehr der Groove vorherrscht, bis hin zum emotionalen Finale. „Hidden streams“ geht dafür sofort in den Tanzfuß, die Melancholie ist vergessen, hier regieren große Melodien, die glücklich machen – das können The Vintage Caravan ja besonders gut, wie man auf den bisherigen Alben gehört hat. Bisher haben sie auf Gateways noch ein wenig damit gegeizt und andere Qualitäten gezeigt, die zweite Albumhälfte kann in diesem Bereich aber punkten. Auch „Reset“ geht sofort ins Ohr und will live mitgebrüllt werden, Haareschütteln und Fäusterecken inklusive. „Nebula“ ist allerdings das genaue Gegenteil der Trademark-Songs der Band, denn hier wird es ganz schön proggig, das Tempo ordentlich zurückgenommen, die Stimme verhallt – eine Überraschung, aber eine sehr angenehme. Bevor es zu träumerisch wird, hauen uns die drei in der Songmitte einige ausgeklügelte Riffs um die Ohren, um dann in einen ebenso experimentellen zweiten Songteil überzuleiten. Chapeau! „Farewell“ ist dagegen Standardware auf hohem Niveau, hier fehlt mir das gewisse Etwas. Ja, Gesang, Riffs, Refrain, passt alles, aber im Vergleich zu den bisherigen Krachern fällt es deutlich ab. „Tune out“ überzeugt dagegen wieder in seiner Reduziertheit, dem kräftigen, aber gleichzeitig verletzlichen Gesang und seiner Eindringlichkeit. Die furiosen letzten Minuten gehören zu den mit Abstand besten Momenten auf Gateways. Das Fleetwood-Mac-Cover „The chain“ rundet das Album schön ab, wirkt aber tatsächlich nicht so nach wie die Eigenkompositionen der Band.

The Vintage Caravan haben mit Gateways ein reifes Album abgeliefert, das ein bisschen weg von den Classic-Rock-Krachern der Vorgängeralben geht – auch wenn man immer noch quasi hört, wie sich Groovemaster Alexander die Finger am Bass blutig zupft -, hin zu melancholischeren, introvertierten Tönen. Das gefällt mir ausgesprochen gut, zumal hier auch viel Wert auf Óskars immer besser werdenden Gesang gelegt wird sowie auf einen noch authentischer klingenden 70er-Jahre-Sound. Die Songs sind außerdem sehr fein und ausgeklügelt aufgebaut und lohnen ein aufmerksames Zuhören. Dass sie aber auch live ordentlich zünden, haben die drei Isländer auf der Tour im Herbst 2018 bewiesen, bei der sie jeden Abend ein wahres Feuerwerk entfacht haben. Also, Platte kaufen, gut einhören, zu einem TVC-Konzert gehen und sich von der Spielfreude und dem riesigen Können der drei Jungs verzaubern lassen!

Anspieltipps: Reflections, On the run, Tune out

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The Vintage Caravan: Gateways
Nuclear Blast, 31.08.18
Länge: 48 Minuten
Kaufen: € 15,99 bei Nuclear Blast

Tracks:
1. Set your sights
2. The way
3. Reflections
4. On the run
5. All this time
6. Hidden streams
7. Reset
8. Nebula
9. Farewell
10. Tune out
11. The chain

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