Feuer, Eis und Harmoniegesang

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Die drei Isländer Daniel, Gunnar und Ragnar, ursprünglich in verschiedenen Genres unterwegs, entdecken 2008 ihre gemeinsame Liebe für Gesangsharmonien – so beginnt Árstíðir (Isländisch für „Jahreszeiten“) zunächst mit Coversongs, aber bald auch mit eigenen Kompositionen. Gerade einmal vier Monate nach ihrer Gründung kann die Band bereits mit „Sunday Morning“ den ersten Nummer 1 Hit im Nationalradio verzeichnen. Dabei lässt sich Árstíðir nicht eindeutig einem Genre zuordnen – sie bewegen sich irgendwo zwischen Indie-Folk, Progressive Rock und Neo-Klassik mit gelegentlichen minimalistischen Einflüssen. Ihre frühen Songs vermitteln Eindrücke der spektakulären Landschaft und der wilden Natur ihrer vulkanischen Heimatinsel. Während einer Deutschlandtour im Jahr 2013 gelingt den Isländern mit einer spontanen Gesangseinlage in einer Bahnhofshalle ein überraschender YouTube-Hit: “Heyr himna smiður” wurde mittlerweile über sechseinhalb Millionen mal angeklickt.
Jetzt bringt Árstíðir mit Nivalis ihr viertes Album auf den Markt. Hier finden sich nun mehr elektronische Einflüsse, die sich mit den akustischen Instrumenten nahtlos verbinden. Auch die Rhythmusabteilung mit vollem Schlagzeug-Einsatz unterscheidet dieses Album von seinen Vorgängern. Die Musik wird dadurch poppiger, verliert zwar ein bisschen den früheren eigenwilligen Charme, gewinnt aber Ohrwurm-Potenzial.

Es geht gleich eingängig los – „While this way“ beginnt ruhig, mit Klavier, Gesang und viel Hall. Das Schlagzeug schleicht sich in und nach dem ersten Refrain ein, dessen Melodie sofort hängen bleibt. Der zweite Song, „Lover“, macht es umgekehrt – erst die Percussion, dann beginnt der Song, er verleitet zum Mitnicken, dafür rauscht die poppige Melodie irgendwie unbemerkt an einem vorbei. Ein bisschen unauffällig kommt auch der dritte Track „Please help me“ daher.
„Entangled“ liegt eher auf meiner Wellenlänge – der Song beginnt mit Akustikgitarre, macht mit Gesang und Geige weiter, und wird innerhalb von kürzester Zeit mit seinem mehrstimmigen Refrain zu einem absoluten Ohrwurm. „Like Snow“ lässt einen an verschneite Vulkan-Landschaften in der Dämmerung denken. „þar sem enginn fer (sjálfviljugur)“ ist endlich mal auf Isländisch – die Sprache hört sich wunderbar an! „Circus“ ist wieder auf Englisch, der Kontrabass ergänzt sich sehr schön mit der Geige, ansonsten ist der Song sehr ruhig. Ruhig geht auch das Instrumentalstück „Órói“ weiter, und versetzt einen im Geiste zwischen windige Sanddünen und grauen Himmel. Die Stimmung bleibt atmosphärisch, ich meine, in „Mute“ auch leise Seevögel im Hintergrund zu hören? Vielleicht spielen meine Ohren mir einen Streich. Minimalistische Passagen mit Herzschlag-Beat und einzelnen Tönen auf Geige und Klavier wechseln sich mit durchinstrumentierten Passagen ab. „Conviction“ könnte genau so gut von Crosby, Stills & Nash sein – viel Gitarre und wunderschöner Harmoniegesang, ergänzt durch eine reativ sparsam eingesetzte … Geige? Bratsche?
Eine Geige darf jedenfalls bei „In the wake of you“ anfangen, und dann setzt auch ein ganzes Streichquartett mit ein, allerdings wirkt der Song (unter anderem durch das Schlagzeug) ein bisschen arg poppig. So ähnlich geht es bei „Wasting time“ weiter: Etwas Elektronik für die Atmosphäre, Harmoniegesang, Klavier, Geige.
Zum Abschluss nochmal etwas für die Freunde der Saiteninstrumente – „Passion“ beginnt mit einer Akustikgitarre, Gesang und zurückhaltender, fast orientalisch anmutender Percussion, ab der Hälfte dürfen die Streicher nochmal zeigen, was sie können.

Alles in Allem ist Nivalis ein schönes Album, um mit Kopfhörern auf Traumreise zu gehen, man kann es aber auch bei der Arbeit hören, ohne abgelenkt zu werden. Ich hätte mir etwas weniger Pop, und dafür mehr Ecken und Kanten und mehr Abwechslung gewünscht. Und auch ein bisschen mehr Isländisch! HUH!

Anspieltipps: „Lover“, „Entangled“

Árstíðir: Nivalis
Seasons of Mist / Soulfood, VÖ: 22.06.2018
Erhältlich als Digipack CD und farbiges Vinyl
13,99 € z.B. beim Label

Homepage: www.arstidir.com
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Tracklist:
01. While this way
02. Lover
03. Please help me
04. Entangled
05. Like snow
06. þar sem enginn fer (sjálfviljugur)
07. Circus
08. Órói
09. Mute
10. Conviction
11. In the wake of you
12. Wasting time
13. Passion
Gesamtspielzeit: 46:07

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