Eisgewitter

Anfang Dezember wird es stockfinster und eiskalt im Backstage, und selten passt die aktuelle Wetterlage – München versinkt im Schnee und steht ein Wochenende lang still – besser zur Musik. Black Metal in seiner reinsten Form steht auf dem Programm, und das gleich viermal. Die hochgelobten Isländer von Misþyrming bitten zusammen mit dem norwegisch-italienischen Abrisskommando Darvaza zum unheiligen Kopfschütteln, und wer beim Dark Easter Metal Meeting an Ostern bei beiden nicht in die Halle gekommen ist, hat jetzt die Gelegenheit, das nachzuholen. Aufgewärmt wird das Publikum von den Niederländern Wrang und Helleruin, dieses Package sollten sich Black-Metal-Fans wirklich nicht entgehen lassen. Wenn denn ein Verkehrsmittel fährt …
DSC_8257Zusätzlich zur Wetterlage – die Straßen sind so einigermaßen frei, U-Bahn fährt, Busse so naja, Tram und S-Bahn im Grunde gar nicht – ist es Montag, Adventszeit mit vielen Märkten und Feiern, und der Konzertbeginn ist bei vier Bands auch früh am Abend, sodass die Backstage Halle um 19.00 Uhr, als Wrang die Bühne entern, noch sehr spärlich gefüllt ist und auch eher Temperaturen wie auf dem Weihnachtsmarkt herrschen, nur dass es keinen Glühwein gibt. Die heute als Quintett auf der Bühne agierenden Wrang geben sich alle Mühe, uns mit dem Material aus zwei bisher erschienenen Alben (Domstad Swart Metael, De Vaendrig), der aktuellen Veröffentlichung „Haatspraak“ und einer engagierten Bühnenshow ordentlich einzuheizen, was auch einigermaßen gelingt. Das Corpsepaint sitzt, Sänger Galgenvot rennt, das Songmaterial ist durchaus anhörbar, und ganz vorn an der Bühne werden die Niederländer auch ordentlich abgefeiert. Nach einer halben Stunde verzieht sich der erste Teil des Eisgewitters wieder von der Bühne, nachdem Galgenvot das Mikro angemessen verächtlich (wir sind hier schließlich bei Black Metal, falls es jemand noch nicht gemerkt haben sollte) fallen gelassen hat. Solider Auftritt!

DSC_8349-Verbessert-RRSchon eine Viertelstunde später geht es mit den Landsmännern von Helleruin weiter, und da stehen dann doch ein paar mehr Leute – und Fans – in den vorderen Reihen. Im Studio ein Ein-Mann-Projekt, auf der Bühne als komplette Band (mit Personal von Wrang, praktisch) um Mastermind Carchost agierend, geht es fröhlich mit finsterem True-Black-Metal-Geknüppel weiter. Corpsepaint, Stachelarmbänder, Raserei, alles dabei, und die Truppe kann ebenfalls auf bisher zwei hauptsächliche Veröffentlichungen zurückgreifen (War upon man, Devils, death & dark arts), von denen sie uns unter anderem „None of us“, „Devils, death and dark arts“ und „The flame still burns within me“ schön garstig und mit viel Energie um die Ohren knallt. Langsam wird es auch etwas wärmer in der Halle, und angefeuert vom ordentlichen Beifall des Publikums entledigt sich Carchost nach und nach der Oberkörperbekleidung. Eine schön wahnsinnige Performance (vor allem der Mikroständer muss leiden), viele zurückgelegte Meter auf der Bühne, solides Songmaterial – Helleruin machen heute alles richtig und liefern einen guten Black-Metal-Auftritt ab. Nach einer Dreiviertelstunde marschieren sie von der Bühne, und auch vor der Bühne gibt es einigen Wechsel im Publikum.

DSC_8586-Verbessert-RRUm Viertel vor neun geht es ratzfatz weiter mit Darvaza, und da hat sich die Halle doch ganz erfreulich gefüllt, in den vorderen Reihen wird es auch kuschlig eng. Aus den Lautsprechern tönt ein aggressives Summen (Fliegenschwarm auf Koks), und schon geht’s auch schon los mit „Mother of harlots“ vom Debütalbum Descending into perdition aus dem Jahr 2022. Frischlinge stehen bei Darvaza aber nicht auf der Bühne, a) hat die im Studio als Duo agierende Band bereits einige EPs veröffentlicht (und dafür ordentlich Lorbeeren kassiert), b) war Sänger Wraath bereits bei unter anderem Behexen und One Tail, One Head aktiv (Die 2018 auch mal in München waren, und wir waren dabei), und Omegas Liste früherer Bands bei Metal Archives umfasst mehrere Zeilen. Beides also bekannte Gestalten der Black-Metal-Szene, und das merkt man auch live (mit Unterstützung an den Saiteninstrumenten). Vom ersten Moment an werden hier keine Gefangenen gemacht, selbst an die Geruchskomponente hat man gedacht, vor der Bühne müffelt es nämlich amtlich nach altem Tierblut und ranzigem Leder, Watain lassen grüßen. Black Metal deluxe also, und vor allem dank Wraaths fantastischer Performance erleben wir hier eine Lehrstunde in Sachen Finsternis. Darvaza knüppeln, riffen und keifen sich durch die bisherigen Veröffentlichungen, dass es eine wahre Freude ist, das Publikum ist voll dabei, und die knappe Stunde Spielzeit vergeht wie im Flug. Ein wirklich beeindruckender „Gospel of hate“ (Celestial-Bloodshed-Cover, noch eine von Wraaths früheren Bands), der mit „The silver chalice“ rasant und wuchtig endet. Großartiger Auftritt!

DSC_8784_MisthyrmingKönnen die vielgelobten Isländer Misþyrming da noch eins draufsetzen? Für mich ja. Ihr Album Með hamri läuft oft bei mir, und nachdem es beim Dark Easter nicht geklappt hat, sie zu sehen, freue ich mich jetzt sehr auf den Auftritt. Um kurz nach zehn ist es auch schon so weit, nach dem Intro „Hælið“ steigt das Quartett furios mit „Söngur heiftar“ vom Debütalbum Söngvar elds og óreiðu in das Set ein und prügelt sich die nächsten gut siebzig Minuten furios durch seine Diskografie. Ohne Corpsepaint, aber mit Kunstblut besudelt wirken die vier Isländer grimmig und brutal, und genauso klingt auch die Musik. Harsch wie die isländische Landschaft, erbarmungslos und trotzdem auf ihre Weise sehr komplex. Die Band legt eine extrem mitreißende Performance hin, bewegt sich viel über die Bühne und schafft es wie schon zuvor Darvaza, eine wirkliche Gänsehautatmosphäre an Düsternis und Unerbittlichkeit zu erschaffen. Als dann bei „The splendour of the trident tyger“ Wraath (mit erheblich weniger müffelnden Klamotten, puh) auf die Bühne springt und den Song seiner alten Band One Tail, One Head performt, ist die Brücke endgültig geschlagen. Um Viertel nach elf beenden Misþyrming mit „Algleymi“ diesen furiosen Auftritt, der zumindest mir stellenweise den Atem geraubt hat. Die Halle insgesamt war ein wenig leerer als bei Darvaza, wegen denen ein Großteil des Publikums wohl da war (aber die Heimreise dauert heute ja auch länger, insofern verständlich, wenn manche früher gegangen sind). Die Stimmung war aber trotzdem noch euphorisch in weiten Teilen des Publikums, und ebenso geht der Abend zu Ende.

Eisgewitter indeed, oder auch der Abend ohne Begrüßungen, Bandvorstellungen oder sonstige Ansagen. Bei vier musikalischen Hassbatzen wäre aber auch jedes Wort zu viel und der truen Black-Metal-Atmosphäre abträglich gewesen. Fans des Genres sind hier voll und ganz auf ihre Kosten gekommen, so ein Package wütet nicht oft durch die Konzerthallen. Stilistisch hat man hier auf Homogenität gesetzt (im Gegensatz zu den vielen Touren in letzter Zeit, auf denen sehr unterschiedliche Bands zusammengepackt werden), die Bands harmonieren gut miteinander, und nach über vier Stunden Geballer ist der Kopf sehr angenehm leergefegt. Feine Sache!

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:

Setlist Misþyrming:
Hælið
Söngur heiftar
Orgia
Ísland, steingelda krummaskuð
Með hamri
Með harmi
Engin miskunn
Engin vorkunn
The splendour of the trident tyger (Cover One Tail, One Head)
Alsæla
Algleymi

 

(1943)

1 Kommentar

Trackbacks & Pingbacks

  1. […] Gegensatz zum fast noch stärkeren Package um Misþyrming zwei Tage zuvor, als in der Backstage Halle noch der Wind durch die leeren Reihen wehte, ist das […]

Kommentare sind deaktiviert.