Warum denn in die Ferne schweifen?

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So, wir haben also heuer wieder einen „Jahrhundertsommer“! Temperaturen wochenlang über 30 Grad und solche Dinge. Was liegt näher, als sich am lauschigen See abzukühlen? Bloß – was für ein lauschiger See? Ich habe da eine Stelle am Starnberger See, die ich liebe. Doch all den Unkenrufen zum Trotz, dass München im August leer sei, habe ich oftmals keinen Parkplatz an meiner Lieblingsstelle gefunden. Im Westpark gibt es den entzückenden Mollsee mit dem noch süßeren „Gans am Wasser“. Voll! Außerdem wird gegrillt, was das Zeug hält, dass man beim Heimradeln kaum den Weg findet vor Rauch. Also an die Isar! Ich wohne ja an der Brudermühlstraße, dem Hotspot der Isar-Suchenden. Ich war dieses Jahr oft an der Isar. Mal hatte ich mit Steinen im Rücken zu kämpfen, mal mit Kronkorken und Zigarettenkippen, mit zu lauter Musik, mal mit zu viel und mal mit zu wenig Schatten. Dann hatte ich plötzlich, obwohl der Platz vorher so lauschig war, ein Rudel Grillender in Nasenweite.
Ach, was soll ich sagen, ich suchte nach einer Alternative.

Ich fand sie in der Lerchenau. Kann man sich das vorstellen? Im Norden von München? Für Haidhauser Eigenheimbesitzer oder Schwabinger Helikoptereltern sicher undenkbar. Ich aber habe folgendes vorgefunden: den Lerchenauer See. Ich muss nur in die U3 einsteigen, fahre durch bis zum Olympia-Einkaufszentrum, steige von dort direkt in den alle paar Minuten vorbeikommenden Bus Nr. 60 und fahre zwei bis drei Haltestellen, je nachdem, wo ich aussteigen will. Man findet einen ruhig daliegenden See vor, an dessen einem Ende ein paar skurril wirkende Hochhäuser stehen. Hier vereinen sich alle Nationen in völligem Frieden. Oberhalb des Sees gibt es eine Grillzone, der Rauch zieht gänzlich ab. Es gibt keine lärmenden Kneipen oder Kioske, nur der Eismann kommt, was ich ja schon wieder so kultig finde, wie ein Flashback in die 70er. Der Lerchenauer See ist ein völlig entspannter Fleck, an dem man sich einen schönen, stressfreien Sonntagnachmittag machen kann. Ohne Parkplatzstress.

Wollt ihr noch ein paar Tipps am Rande?

Es gibt am Lerchenauer See einen völlig unspektakulären kleinen Italiener, bei dem es eine richtig gute, sattmachende Portion Calamari alla griglia für 13 Euro gibt, und lecker Pizza für fünf, sechs oder sieben Euro. Ich bin weder verwandt oder verschwägert, ich sage nur: Himmelschlüsselstraße!

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Will man auf dem Weg noch ein kleines Stück Kultur oder Zeitgeschichte aufschnappen, empfehle ich, nicht gleich am Olympia-Einkaufszentrum in den Bus einzusteigen sondern ein paar Meter entlang zum McDonalds zu gehen. An der Hanauer Straße 77 fand vor zwei Jahren, am 22. Juli 2016, das Attentat statt, das ganz München durcheinandergebracht hat. Neun junge Menschen sind dabei gestorben. Das Denkmal „Für Euch“ ist von der Künstlerin Elke Härtel. Es besteht aus einem 2,50 Meter hohen Edelstahlring, der sich auf 3,30 Metern Breite um einen Ginkgo-Baum auf einer Grünfläche legt und in den Boden versinkt. Auf dem Ring sind die Namen und Portraits aller neun Todesopfer angebracht. Eigentlich nichts Besonderes, aber dennoch eindrucksvoll. Wenn man nicht völlig verroht ist, rührt es einen zu Tränen. Also lieber vor dem See ansehen.

Euch noch einen schönen Sommer!

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