Isländischer Vulkan



Musikkenner wissen es schon lange: Aus Ísland kommen so vielfältige und spannende Musiker wie natürlich die große Björk und die Sugarcubes, Sigur Rós, Emiliana Torrini, Múm, Sólstafir oder auch eine nicht mehr existente Alternative-Rock-Band namens Mínus. Erwähnenswert ist diese nicht nur, weil sie hörenswert war, sondern weil mit Krummi Björgvinsson mindestens eines ihrer Mitglieder heute ganz hervorragende elektronisch-düstere Musik mit dem Vibe einer Rockband macht. Neugierig geworden? Zu Recht. 

Legend – nach dem Film von Ridley Scott benannt – gibt es als Projekt seit einigen Jahren, auch wenn sich Sänger Krummi Björgvinsson und der für alles Elektronische zuständige Produzent Halldor Björnsson schon seit langem kennen. Live werden sie von Drummer Frosti Jón Runólfsson unterstützt. Beschreiben lässt sich der Stil von Legend kaum: Es ist elektronisch, es ist intensiv, es vibriert, gleichzeitig sind die Melodien so eingängig, dass man sie so schnell nicht wieder vergisst. Ihr Debütalbum Fearless, das im April 2012 als Selbstveröffentlichung herauskam, verbreitete sich per Mundpropaganda und exzellenter Reviews nicht nur auf Ísland wie ein Lauffeuer, und schließlich nahm das kanadische Label Artoffact Records die Band unter Vertrag, so dass das Album im Dezember desselben Jahres in Nordamerika, Kanada und Europa neu veröffentlicht wurde. 

Seither brodelt es um Legend, die Band entwickelt sich immer mehr zum nicht mehr ganz so geheimen Geheimtipp, und als sie Anfang 2014 einige Deutschlandkonzerte im Vorprogramm von VNV Nation spielte, wurde auch der breiteren Synth-Zuhörerschaft klar, dass man sich mit dieser Band ein wenig genauer beschäftigen sollte.

(Legend haben auch ein interessantes Experiment mit den Landsleuten von Sólstafir unternommen, jede der Bands hat ein Lied der jeweils anderen gecovert und das Ergebnis auf einer Split-7“ veröffentlicht – vereinzelte Exemplare sind noch zum Beispiel bei Storming the Base erhältlich!)

aof136_legend_fearlessUnd wie klingt nun Fearless? Abwechslungsreich, aber in sich stimmig. Neu und anders. Elektronisch, aber nicht in eine der üblichen Schubladen einzuordnen. 
Eröffnet wird das Album mit dem atmosphärischen Instrumentaltrack „Amazon War“, der sich langsam aufbaut und einen schließlich gnadenlos mitreißt.
Danach folgt mit „Benjamite Bloodline“ schon der erste Ohrwurm, der sich vor allem durch den pumpenden, dynamischen Grundrhythmus und den unwiderstehlichen Refrain auszeichnet, der geradezu hypnotisch wiederholt wird, während der Song darum herum immer intensiver und dichter wird bis zum fast schon aggressiven Schluss.
Etwas tanzbarer wird es mit „City“ – zu dem es ein sehr sehenswertes Video gibt, das Krummi selbst in den Straßen von Reykjavík drehte –, das vor allem von Krummis Stimme getragen wird, die generell sehr wandlungsfähig ist und ein wichtiges Element im Gesamtsound von Legend darstellt. 

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Das eindringliche „Sister“ verzaubert mit getragenem Gesang und breitem Klangteppich, während das nachfolgende „Violence“ die erste Verschnaufpause des Albums bietet. Langsam, fast schon poppig-kitschig, aber irgendwie doch einfach nur schön muss man diesen Song ein wenig auf sich wirken lassen, doch irgendwann packt er einen auch. 
Grandios geht es mit meinem persönlichen Lieblingslied von Legend weiter, dem außergewöhnlichen „Runaway Train“, das sich einem wirklich wie ein Zug nähert, auf den man dringend aufspringen sollte. Krummis leicht verhallter Gesang, Piano-Elemente und eine Soundlandschaft, die immer größer und erhabener wird, machen diesen Song zu etwas Besonderem. „Fearless“ kann da gar nicht mithalten und will es auch nicht. Folgerichtig ist „Fearless“ daher auch ganz anders, eher synthie-poppig, sehr eingängig und vielleicht das schwächste Lied auf dem Album (was aber Nörgeln auf hohem Niveau ist). „Sudden Stop“ dürfte dagegen die Perle des Albums sein, deren Klasse sich einem erst nach mehrmaligem Hören erschließt. Unauffällig gibt sich der Song, sticht mit leichtem 80er-Appeal und Sprechgesang auch etwas aus den übrigen Tracks heraus, bis einen der Refrain geradezu von hinten anfällt und nicht mehr loslässt. 

„Devil in me“ steht in der Tradition von „City“, wer also davon noch nicht genug bekommen hat, darf sich hier einen Nachschlag abholen. „Devil in me“ vereint quasi alle Trademarks von Legend in sich, variabler Gesang, tanzbare Elektronik und eingängiger Refrain, ohne dabei wie etwas zu klingen, das man schon unzählige Male gehört hat.
Der letzte Track „Lust“ bietet noch einmal einen echten Ohrwurm, wieder mit leichtem 80er-Einschlag, aber doch etwas Neues und Frisches. 

Fazit: Legend haben mit „Fearless“ ein Album abgeliefert, bei dem ich endlich mal wieder das Gefühl hatte, etwas Neues, etwas Belebendes, etwas Aufregendes zu hören, diesen „Wow-Effekt“, den nicht viele Bands schaffen. Besonders beeindruckend sollen auch die raren Live-Shows sein – also haltet die Augen nach Legend offen! 


:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch: 

Legend – Fearless
Artoffact
Preis Amazon: 17,98 € (amazon)
Preis Poponaut: 14,95 € (Poponaut)
Legend auf Facebook
Schönes Interview mit dem Sänger aus dem Jahr 2013 


Tracklist:
1. Amazon War
2. Benjamite Bloodline
3. City
4. Sister
5. Violence
6. Runaway Train
7. Fearless
8. Sudden Stop

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