Musik, Krawall & andere schöne Künste

Meueler_CDobler_FDie_Trikont-Story_183708Uff, das ist ein ganz schön großer, dicker und schwerer Wälzer, den Heyne Hardcore hier herausgegeben haben. Das ist aber auch gut so, da als e-Book mit Sicherheit einiges an Wirkung verloren gehen würde. Die Trikont-Story präsentiert zum 50. Geburtstag die Entstehungsgeschichte und Entwicklung des kleinen Münchener Labels Trikont zur weltweit renommierten und geschätzten Independent-Plattenfirma.

50 Jahre Trikont zusammenfassen, eine Mammutaufgabe, der sich Christof Meueler und Franz Dobler angenommen haben. Dafür gliedern sie die Geschichte in Jahrzehnte, auch die Buchseiten sind am Rand entsprechend eingefärbt, so dass man sich schnell zurechtfindet, wenn man etwas nachschlagen will, und dank des umfangreichen Registers am Ende des Buches funktioniert Die Trikont-Story auch als eine Art Lexikon. Zu Beginn eines jeden Jahrzehnts werden die wichtigsten Ereignisse in Politik, Kultur, Sport und Gesellschaft chronologisch aufgelistet. Das ist sehr hilfreich, weil man so den zeitlichen Kontext sofort vor Augen hat.
Aus der Studenten- und Arbeiterbewegung heraus hat sich der Trikont-Verlag seit 1967 entwickelt, die bekanntesten Werke im Programm waren die Mao-Bibel, Bolivianisches Tagebuch von Che Guevara und die Autobiographie Wie alles anfing von Bommi Baumann, Mitbegründer der Bewegung 2. Juni. Nachdem bereits die ersten beiden Alben der Agit-Rockband Ton Steine Scherben in den Vertrieb aufgenommen wurden, veröffentlichte Trikont 1972 mit Wir befreien uns selbst das erste eigene Album mit „Kampfliedern der Arbeitersache München“. 1980 wurde Trikont vom Verlag herausgelöst und war von da an ein selbständiges Schallplatten-Label.
Für den Inhalt des Buches wurde tief in den Archiven von Trikont gewühlt, trotz aller Arbeit ging der Blick auch auf die kleinen und feinen Details nicht verloren. Es wurden Interviews und Gespräche mit ehemaligen und aktuellen Wegbegleitern geführt, aber auch mit generellen Zeitzeugen, die an passender Stelle in den Text integriert sind und den Inhalt damit zusätzlich beleuchten. Ungemein bereichert wird das Buch durch viele teils großformatige Fotos, Plattencover, Flyer und sonstige Schnipsel, sodass auch das pure Herumblättern Spaß macht. Am unteren Blattrand verläuft ein unendliches Band an Zitaten, die im Telegramm-Stil präsentiert werden. Das ist ein ungewöhnliches und originelles Gimmick, das zum Charme des Buches beiträgt. Natürlich würde es den Rahmen sprengen, jeden Künstler und jedes Album ausführlich zu behandeln, aber in den sogenannten Shortcuts am Ende finden auch die Vernachlässigten Erwähnung. Schlussendlich darf die vollständige bisherige Diskografie nicht fehlen, es werden auch die zehn erfolgreichsten Trikont-Alben benannt.
Trikont hat sich seine Unabhängigkeit auch durch schwierige Zeiten hindurch bewahren können. Sinnigerweise ist auf der Collage der Innenseite des Buchrückens auch eine Platte der Band zu sehen, mit der im Vertrieb alles angefangen hat: Keine Macht für Niemand von Ton Steine Scherben. „Keine Macht für Niemand“, ein Motto, das auch heute noch für Trikont seine Gültigkeit hat.

Fazit: Musik, Krawall & andere schöne Künste lautet der Untertitel des Buches, und damit ist es meiner Meinung nach optimal zusammengefasst. Die Trikont-Story zeichnet die Entstehungsgeschichte und Entwicklung von Trikont zum weltweit renommierten und geschätzten Independent-Label nach. Manche Stellen empfinde ich als etwas weit ausschweifend und dann auch als etwas langatmig, aber das ist bei dieser Art von Buch und der Fülle der Informationen wohl auch gar nicht zu vermeiden. Dennoch ist dies ein gutes Buch, das eben nicht nur Einblick in das Innere des Münchener Independent-Labels und seiner Geschichte bietet, sondern darüber hinaus auch das jeweilige Jahrzehnt allgemein reflektiert und mit etwas Lokalkolorit aufwartet.

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Christof Meueler mit Franz Dobler: Die Trikont-Story
Heyne Hardcore, 23.10.2017
Gebundene Ausgabe, 464 Seiten
30,00 €, erhältlich über buecher.de oder direkt bei Trikont
Homepage: randomhouse.de/Buch/Die-Trikon…eyne-Hardcore/e522217.rhd

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