Wie mich die Begleitung Sterbender verändert

Johanna_KlugSchon früh hat sich Johanna Klug für den Tod interessiert, und mit 20 Jahren beginnt sie damit, sich ehrenamtlich auf der Palliativstation eines Krankenhauses zu engagieren. Die Palliativmedizin ist ein ganzheitlicher medizinischer Ansatz, unheilbar Erkrankten dank einer umfassenden Versorgung zu mehr Lebensqualität zu verhelfen. Die Schmerztherapie ist dabei ein wichtiger Bestandteil, aber auch seelischer Beistand und die Betreuung von Angehörigen gehört dazu, die oft nicht minder leiden. Während die meisten Menschen den Tod lieber aus ihrem Bewußtsein ausklammern und verdrängen, auch wenn er unweigerlich zum Leben dazugehört, ist Johanna sich sicher. Sie kann das, Menschen im Sterbeprozess zu begleiten.

Und in diese Welt nimmt sie uns Leser*innen mit und teilt ihre Erfahrungen. Sie begegnet Menschen aus allen Altersgruppen und Bevölkerungsschichten, denn der Tod macht keinen Unterschied. Auch wenn das vor allem bei Kindern fürchterlich ungerecht erscheinen mag. Doch Johanna schafft es, auch diese Begegnungen sachlich zu betrachten, ohne vor Mitleid zu zerfließen. Das macht es auch beim Lesen einfacher. Die Begleitung der Sterbenden verläuft sehr unterschiedlich, von fröhlichen Gesprächen bis einfach nur schweigend die Hand halten ist alles dabei. Dafür benötigt es etwas Fingerspitzengefühl, was die Situation erfordert, doch eines wird klar: Alle Patienten sind dankbar für den Beistand. Trotz der kurzen Zeit entstehen besondere Verbindungen, vielleicht gerade in dem Wissen um die kurze Zeit, die bleibt. Oft versuchen die Patienten ihre Angehörigen zu schützen und können nur mit einer fremden Person offen reden.
Doch Johanna erzählt nicht nur von ihren Begegnungen, sie erklärt auch den Ablauf der körperlichen Prozesse beim Sterbevorgang und auch darüber hinaus, was nach dem Tod passiert. Sie möchte damit aufklären und dem Tod ein Stück weit den Schrecken nehmen, denn die Angst entsteht oft aus Unwissenheit. So ist es nur konsequent, dass sie auch einmal einen Bestatter bei der Arbeit begleitet, um den Tod auch aus der gegenläufigen Richtung zu betrachten.
Ich habe großen Respekt vor Johanna Klug, denn diese Arbeit ist mit Sicherheit nichts für die Allgemeinheit, und doch ist es wichtig, dass sich Menschen ihrer annehmen. Dafür geben die Patienten jedoch auch viel zurück. Die Begleitung Sterbender schärft so letztendlich ihren Blick für das hier und jetzt und den zwischenmenschlichen Umgang, und sie erkennt, was im Leben wichtig ist, und was für sie wirklich zählt.

Fazit: Ich habe das Buch Mehr vom Leben aus einer Gothic-Klischee-Laune heraus gelesen und kann gar nicht genau sagen, was ich für Erwartungen daran hatte. Was mir aber dann insgesamt ein bisschen gefehlt hat, das ist ein echter roter Faden, der sich durch das Buch zieht. Natürlich hat Johanna Klug versucht, die Kapitel sinnvoll zu ordnen, doch die Vielzahl der teils sehr unterschiedlichen kurzen Geschichten macht das nicht einfacher. Doch dafür wird klar, wie individuell der Sterbeprozess ist, und welche Wünsche, Ängste, Probleme und manchmal auch Hoffnungen die Betroffenen haben. Genau das ist auch das Schöne am Buch, weil man so vieles am Sterbeprozess besser nachvollziehen kann. Das ist enorm hilfreich, um sich selbst mit dem Thema generell zu konfrontieren oder um sich auf den absehbaren Tod von Angehörigen vorzubereiten. Aber auch im Nachhinein zur Trauerbewältigung wird die Lektüre hilfreich sein, um Mehr vom Leben zu haben.

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Johanna Klug: Mehr vom Leben
Kösel, Vö. 11.10.2021
Hardcover mit Schutzumschlag, 160 Seiten
18,00 €, als Ebook 14,99 €, erhältlich über penguinrandomhouse
Homepage: https://www.penguinrandomhouse.de/Buch/Mehr-vom-Leben/Johanna-Klug/Koesel/e592635.rhd
https://endlichendlos.de/

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