Mit Augen aus Stroh

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Im Figgis-Park in der Kleinstadt Flint City findet man die grauenvoll zugerichtete Leiche eines elfjährigen Jungen. Der kleine Frank Peterson wurde bis zu einem Dutzend Mal gebissen und anschließend umgedreht und anal vergewaltigt. Er wurde mit teils herausgerissener Kehle und einem dicken Ast im After vorgefunden, Spermaspuren überall. Furchtbare Gewalt wurde ihm angetan, und die ermittelnden Cops sind außer sich vor Wut und Engagement. Darum wird auch schnell der Übeltäter gefunden: Es ist Terry Maitland, der eigentlich beliebte Englischlehrer im Ort, und noch viel wichtiger, der Coach der Jugendbaseballmannschaft, weswegen man ihn Coach T nennt.

Er wird viel mit kleinen Jungs gesehen, und für Sheriff Ralph Anderson ist der Fall glasklar. Auch seinen Sohn hat Coach T trainiert, auch seinen Sohn hat dieser berührt, und so viel Brutalität muss bestraft werden. Vor ganz großem Publikum führt er Terry Maitland ab, mitten in einem Spiel vor vielen Leuten. Seine Frau und die zwei kleinen Töchter bleiben atemlos und außer sich vor nicht-wissen-was-tun am Spielfeldrand stehen, dem Pöbel ausgesetzt. Doch leider kommen bei den weiteren Ermittlungen schnell Zweifel auf. Der Verteidiger moniert die fehlende Befragung des Tatverdächtigen. Dann hat dieser ein hieb- und stichfestes Alibi! Er war mit Kollegen auf einer Lesung des Krimiautors Harlan Coben (nette Idee und Reminiszenz an den Krimi-Kollegen), das kann man sogar auf Videos sehen. Sheriff Anderson versteht die Welt nicht mehr. Er will ja alles richtig machen! Dieser Coach T muss es sein, es kann nur er sein, es gibt Zeugen und Indizien, die ganz nah an die Tat heranführen. Er kann doch unmöglich an zwei Orten gleichzeitig gewesen sein? Eine Koinzidenz, an die seine Frau glaubt, gibt es doch nicht, oder? Es wird ja doch kein absolut identischer Doppelgänger mit derselben DNA herumlaufen? In kürzester Zeit gerät die Welt von Coach T ins Wanken. Seine Familie ist gebeutelt und weiß nicht weiter. Aber auch die Familie des toten Jungen gerät aus den Fugen. Die Mutter des Jungen erleidet am Abend des Leichenschmauses einen tödlichen Herzinfarkt, der Vater will sich erhängen, und der große Bruder des Opfers wird zum Amokschützen.

Aber wie und wann kommt der Fall zu einem befriedigenden Ende? Denn plötzlich taucht da ein Zwölfjähriger auf, der seit Monaten mit gestohlenen Autos durch die Gegend fährt. Er ist vor einem gewalttätigen Vater auf der Flucht. Sein Name ist Merlin. Ist das nicht mysteriös? Merlin, wie der Zauberer? Und ein junger Mann findet einen Unterschlupf mit Klamotten und einer gewaltigen Menge Sperma darauf vor. Und es ekelt ihn nicht nur davor, nein, er verspürt Beklemmung, sogar Angst. So wie die Frau des angeblichen Mörders Terry Maitland und auch dessen Töchter einen Mann auf der Terrasse gesehen haben wollen, unheimlich, mit Augen aus Stroh. Wie Slender Man, dieses Schreckgespenst eines jeden amerikanischen Mädchens. Was hat es damit auf sich, was ist da los?

Stephen King schafft es erstaunlicherweise immer wieder, sich ein neues Thema, einen neuen Plot auszudenken. Die Monster, die Fälle, die Mörder, das Grauen: Alles ist jedes Mal irgendwie doch anders. Auch hier. Mit der Figur ähnlich „Slender Man“ ist er auch wieder sehr trendy. Ein Film mit diesem Namen läuft derzeit neu in den Kinos. Aber eines haben Kings Bücher in den letzten Jahren dennoch gemeinsam: Sie sind mir einen Tick zu langatmig geworden.

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Stephen King – Der Outsider
Heyne Verlag, 27. August 2018
752 Seiten
Gebundenes Buch: 26 Euro
eBook 19,99 Euro

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