Nicht feige – nur Lichtscheu

LichtscheuSeit 2011 musizieren vier lichtscheue Wesen aus Norddeutschland gemeinsam und produzieren düster-romantischen Gothic Rock/Metal mit deutschen Texten. Bereits kurz nach ihrer Gründung veröffentlichten sie ihr erstes Album Träum süß, gefolgt von der EP Rabenherz zwei Jahre später. Seitdem haben sie sich durch Live Auftritte ihre treue Fanbasis aufgebaut und sie Anfang dieses Jahres mit ihrem neuen Album Scherbenwelt belohnt.

Scherbenwelt beginnt mit seinem namensgebenden Track durchaus vielversprechend. Ein langes, interessantes Intro, das sich nicht dem Gothrock-Klischee von „leises Klavier, laute Band“ hingibt. Sphärische Klänge unterstützen ein schlichtes, aber eindrucksvolles Gitarrenriff, das schließlich in das Lied hineinwächst, bei dem Sängerin Angela direkt zum Punkt kommt und von den Trümmern der Scherbenwelt erzählt.

In vielen Songs spielen Lichtscheu lange Instrumentals, die den Fluss auflockern. In „Das Schwarze Haar“ findet man ein besonders schönes Beispiel. Auch wenn das Lied selbst nicht mein Favorit ist, kann dieses Instrumental doch begeistern. Die Tracks auf Scherbenwelt sind abwechslungsreich und bleiben interessant, könnten aber hier und da etwas kürzer sein.

Scherbenwelts Texte sind düster und romantisch, durch und durch goth und fügen sich perfekt in die Musik ein. Sie erzählen von Verzweiflung, Einsamkeit, Ängsten, aber auch Hoffnung und dem Mut, anders zu sein. Sängerin Angelas Stimme ist kraftvoll und vielseitig, und bildet eine schöne Einheit mit dem Rest der Band. Die Keyboard-Sounds könnten nach meinem Empfinden etwas ausgefeilter und prägnanter sein, oft gehen sie ein wenig unter. Generell fehlt dem Gesamtmix etwas Fülle in den Tiefen und Mitten, kurzum ein bisschen mehr RUMMS wäre schön, aber im Einzelnen taugen die Sounds wirklich gut, insbesondere die vielseitige Gitarrenarbeit. Auch an interessanten Effekten wird nicht gespart, und ihre Freude am Experimentieren macht Scherbenwelt interessant zu hören.

Seit Gothrock mit Unheilig auch außerhalb der Szene salonfähig wurde, haben Bands wie Lichtscheu eine ganz neue Plattform gefunden und können sich trauen, über Genre-Grenzen hinweg zu schauen, auch wenn ihr Stil mehr an Within Temptation oder Evanescence erinnert und deutlich härter daherkommt als der Herr Graf. Ich würde mir mehr Fülle im Mix und etwas ausgewogenere Sounds wünschen, und auch an der Länge der Songs kann man arbeiten – viele wären wirkungsvoller, wenn sie etwas knapper gehalten wären. Dennoch sieht man auf Scherbenwelt durchaus, wieso Lichtscheu im Gothrock erfolgreich sind – ein solides Album.

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Lichtscheu – Scherbenwelt
Eigenproduktion, ET: 10.01.2016
Spielzeit: 53 Minuten

01. Scherbenwelt
02. Nie geboren
03. All dein Leid
04. Zum Tanze bei Nacht
05. Lichtscheu
06. Schweigen
07. Das schwarze Heer
08. Unendlich (frei)
09. Dein Hass
10. Fremder

Reinhören!

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