Mad Max lässt grüssen

818766Weil ich mit dem harten und dem Industrial zugeneigten Stil seiner Hauptband Hocico nichts anfangen kann, habe ich das Nebenprojekt von Mastermind Erk Aicrag bislang nicht weiter beachtet. Über die Redaktion bin ich nun auf Rabia Sorda aufmerksam geworden, der zweiten Band des Mexikaners, mit der er einen doch recht unterschiedlichen Weg beschreitet. Mit an Bord sind Drummer Maxx, während Marcus Engel die Gitarre beackert, zusammen haben sie unlängst das mittlerweile vierte Album The world ends today veröffentlicht.

Zunächst wird man bei The world ends today von der schieren Anzahl der Songs erschlagen, aber zum einen ist mit Explota! (La Bomba en mi cabeza) eine Bonus-CD dabei, zum anderen verstecken sich unter den Songtiteln kurze Einspieler im Anrufbeantworter-Stil. „Perfect black“ empfängt den Hörer zunächst mit einer Neofolk-artigen Drumsequenz, bevor Erk Aicrags geflüsterte und mit Distortion verzerrte Stimme hinzukommt. Die Intensität steigert sich, und dann nimmt der Wahnsinn mit einem musikalischen Wutausbruch seinen Lauf. Gleich zu Beginn weckt „So slow it hurts“ bei mir Assoziationen zu Nine Inch Nails. Die Stimme ist weiterhin verzerrt, wie dann auch durchgehend auf The world ends today. Der Song walzt sich schwer in den Gehörgang, obwohl er kein schnelles Tempo vorlegt. Das wird erst mit „Violent love song“ erreicht, dessen Rhythmusstruktur mich an Rammstein erinnert. Der Song hat einen flotten Drive und beansprucht die Nackenmuskeln. Derart aufgewärmt kann man zu „We’re not machines“ endgültig die Haare fliegen lassen. Das ist ein Brecher an Song, der nicht nur mit Gitarrensalven und Schlagzeuggewitter überzeugt, auch der maximal angepisste Gesang von Erk passt bestens in Bild. „Shut up and dance!“ heißt es daraufhin, also machen wir das einfach mal, zumal der Rhythmus mächtig in die Beine geht und das Gitarrenspiel aus „Vision Thing“ von The Sisters Of Mercy inspiriert sein könnte.

Nach all der musikalischen Gewalt bietet das ruhige „Nobody“ zur Mitte des Albums eine willkommene Gelegenheit für ein bisschen Gefühl, auch wenn man den Song schwerlich als Ballade bezeichnen kann, was an dem eher herausgeschrieenen Gesang liegt, der hier aber einen tollen Kontrast bildet. „Dekadenz“ geht wieder gut nach vorne, auch wenn dafür immer wieder Breaks den Song durchziehen. Dadurch kommt der Elektro-Anteil besser zur Geltung, der hier deutlich erhöht wird. In „Rebellion of the wicked“ wird deutlich, was für eine Wut Erk in sich trägt, die er mit diesem Album kanalisiert, und die er einfach herausschreit: „Die, you motherfucker!“ Passend eingesetzte Sprachsamples runden den Song ab. Der Titeltrack „The world ends today“ besitzt einen eingängigen Refrain, der direkt im Ohr hängen bleibt. Dennoch ist dies kein Popsong, dafür sorgt der brachiale Sound, aber auch die von Breaks durchzogene Songstruktur. „Møther“ überrascht den Hörer mit einer gefühlvollen Akustikgitarre, die zuächst von der geflüsterten Stimme Erks begleitet wird. Aber scheinbar sind hier ambivalente Gefühle im Spiel, denn die ruhigen Parts werden durch seine Wutausbrüche kontrastiert: „Mother! Do you hear my prayers?“ Das folgende „Don’t run! (The evil within)“ ist wieder stärker mit Elektronik-Parts durchsetzt, sodass hier Electro- und Gitarrenparts gegenübergestellt sind. Noch deutlicher wird dies beim letzten Track „Words in scars“, bei dem ich sofort Front 242 im Ohr habe. Ich möchte schon fast „Stay in the rhythm“ mitsingen, aber ganz ohne Gitarrensalven geht’s dann doch nicht, was ich fast schade finde, weil das Programming richtig cool ist.

Fazit: Die Anrufbeantworter-Schnipsel nerven richtig, denn sowohl das Pfeifen zu Beginn als auch das Tuten am Ende, nachdem die Verbindung unterbrochen worden ist, quälen meine Gehörgänge. Mag sein, dass das Absicht ist, aber man wird dabei auch unweigerlich aus dem Fluss des Albums gerissen. Der Sound bewegt sich in der Schnittmenge von Industrial Metal und Cyber Punk und stellt eine durchaus gelungene Mischung aus Marilyn Manson, Front 242, Rammstein und Wednesday 13 dar. Über die Dauer des Albums hinweg ist mir der immer gleiche verzerrte Gesang aber etwas zu eintönig, da hätte ich mir mehr Abwechslung gewünscht, wie etwa beim Spoken Word Track „Hasta nunca …“ auf der Bonus CD. Insgesamt aber verbreitet The world ends today passend zum Titel permanent krachende Endzeitstimmung. Mad Max lässt grüssen.

Anspieltips: We’re not machines, The world ends today, Words in scars

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:

Rabia Sorda: The world ends today
Out Of Line, Vö. 04.05.2018
2CD 14,99 € erhältlich über Out Of Line
Homepage: https://www.facebook.com/rabiasordaofficial/
http://www.rabiasorda.com/
http://www.outofline.de/new/index.html

Tracklist:
The world ends today (CD1)
01 TWET!
02 Perfect black
03 So slow it hurts
04 Estás ahí?
05 Violent love song
06 We’re not machines
07 Estas conmigo…
08 Shut up and dance!
09 Nobody
10 Dekadenz
11 Rebellion of the wicked
12 The world ends today
13 Despierta
14 Møther
15 Don’t run! (The Evil within)
16 Words in scars
17 Перезвони мне

Explota! (La Bomba En Mi Cabeza) (CD2):
01 Demolición
02 Explota! (La Bomba en mi cabeza)
03 Hasta nunca…
04 Guten Morgen!
05 Dekadenz (Cypecore RMX)
06 Violent love song (Chemical Sweet Kid RMX)
07 We’re not machines (Nostalgic Machine / Cover Version by Prismatic Shapes)
08 Violent love song (72 hrs. Panic Attack Vitam non Mortem RMX)

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