Vor fast genau einem Jahr haben Wolfram Bange aka Phasenmensch und Antoine Saint-Martin ihr erstes gemeinsames Album A prenatural silence veröffentlicht. Ein fesselnder Soundtrack zu Jeff VanderMeers Roman Annihilation – mit einer berauschenden, ahnungsvollen Atmosphäre und tief berührenden Momenten. 

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Am 15.04.2023 erscheint das erste Video des Soundtracks zu dem hypnotischen Song „Decades of journals“ – wir sind schon gespannt und freuen  uns darauf! In unserem Interview sprechen Wolfram und Antoine über die kreative Zusammenarbeit, Idee und Entstehung des Soundtracks, über ihre Gedanken zum Roman Annihilation und  ihre Sichtweise zu verlassenen Orten – angereichert mit philosophischen Streifzügen, Gedanken und Assoziationen. Herzlichen Dank dafür!

Ihr beide habt schon auf einer früheren Veröffentlichung zusammengearbeitet. A prenatural silence ist euer erstes gemeinsames Album. Wie ist eure Zusammenarbeit entstanden? Was verbindet euch?
Wolfram: Alles hat damit angefangen, dass Antoine als Schüler der Oberstufe in meinem Philosophiekurs gesessen und ein Slipknot-Shirt getragen hat. Ich habe in diesem Moment ein Stück von mir selbst in ihm gesehen, weil ich in meiner eigenen Schulzeit ähnlich aufgetreten bin, und Slipknot auch für mich damals eine sehr prägende Band war. Das hat mich dazu bewegt, ihn mit einem Kommentar zu besagtem Shirt aus der Reserve zu locken, und so sind wir, über den Unterricht hinaus, im Schulalltag weiter über Musik ins Gespräch gekommen.
Nach seinem Abitur haben wir dann auch über viele andere Dinge und Perspektiven gesprochen, sodass sich daraus seitdem eine persönliche und sehr produktive Freundschaft entwickelt hat. Das führte dazu, dass ich Antoine irgendwann in dieser Zeit einen Entwurf („Expansion Scapes“) geschickt habe, der ursprünglich für das Album „Haunted [The Gentle Indifference Of The World]“ gedacht war, es letztlich aber nicht mehr auf die Platte geschafft hat. Ich habe ihm bei der Bearbeitung des Stückes vollkommen freie Hand gelassen und war von seinen Ideen und Ergänzungen sehr angetan. Das war sicher ein wichtiger erster Schritt, der die Weichen für das gemeinsame Projekt „A Prenatural Silence“ originär gestellt hat.
Antoine: Eine besondere Verbindung sehe ich bei uns beiden besonders an der Liebe zum Experiment an der Musik, dem Erforschen von Sounds und Emotionen in dem Zusammenhang. Unsere Songwriting-Sessions führen oftmals zu stundenlangem Probieren, Fehlschlägen und (meistens) einem finalen Moment, in dem sich alles fügt. Dieser ist dann besonders kathartisch.

Antoine, du spielst auch in der Metalcore Band Social Breakdown. Was fasziniert dich an elektronischer Musik?
Antoine: Elektronische Musik besitzt einen Tiefgang, der mit herkömmlichen Instrumenten nicht zu duplizieren ist. Als jemand, der mit Punk/Rock/Metal Musik aufgewachsen ist, hat mich die Wandlungsfähigkeit elektronischer Musik vom ersten Moment an fasziniert und mich dazu bewegt, diese seitdem auch in Projekten anderer musikalischer Natur einfließen zu lassen.

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A prenatural silence ist euer Soundtrack zu Jeff VanderMeers Roman „Annihilation“. Was bedeutet euch der Roman? Was sind besondere Schlüsselmomente oder Themen, die euch bewegt haben?
Wolfram: VanderMeers Roman greift viele komplexe Themen auf, die (insbesondere aus philosophischer Sicht) sehr spannend und denkwürdig sind. Durch VanderMeers Weiterentwicklung des Kosmischen Horrors, wie wir ihn ursprünglich beispielsweise von H.P. Lovecraft kennen, ergeben sich im Rahmen der Romantrilogie u.a. sehr tiefgreifende Auseinandersetzungen mit Identitätskonzepten und verschiedenen Facetten der Erkenntnistheorie.
Bei meiner Lektüre musste ich immer wieder sehr viel an die Philosophie von Arthur Schopenhauer, Karl Jaspers und Immanuel Kant denken, die ich in unserem letzten Interview bereits erwähnte, und habe bei meiner weiteren Recherche außerdem noch Daniel Illgers Veröffentlichung „Kosmische Angst“ und Thomas Ligottis „Conspiracy against the Human Race“ entdeckt und mit großer Begeisterung gelesen.
Die Frage nach den Grenzen der Menschlichkeit und der menschlichen Wahrnehmung/Weltaneignung hat mich schon immer sehr beschäftigt und angetrieben und letztlich zur Philosophie gebracht. In meiner eigenen Schulzeit sammelte ich dann erste Erfahrungen mit Philosophie und hatte das Glück, einen fantastischen Lehrer zu haben, der mir ganz neue Perspektiven eröffnete, und dessen Begeisterung für das Fach fesselnd und ansteckend war. So wurden diese Themen schließlich auch zu einem roten Faden meines Studiums.
Der großartige Karl Jaspers hat sich intensiv mit dem Prozess der Weltaneignung beschäftigt und sagt unter anderem, dass Grenzsituationen uns letztlich zur Philosophie und damit auch zu uns selbst führen. Derartige Grenzerfahrungen gibt es in der Romanreihe zahlreiche, und die Gedanken Jaspers lassen sich gut damit in Verbindung setzen. In seiner Abhandlung „Philosophie – Erster Band. Philosophische Weltorientierung“ (1956) schreibt er:
„[…] die Welt ergreifend sinke ich ins Bodenlose. […] ich [bin] ein Teil sonderbarer Art; der als fast verschwindendes Nichts an einem Punkt der Unermeßlichkeit von Raum und Zeit steht, und trotzdem sich auf das Ganze wissend richtet, als ob er es umfassen könnte. […] Die Welt schließt sich wahrhaft nie zum Bilde, weil sie faktisch selbst nicht geschlossen da ist, nicht aus sich besteht und so in jeder jetzt und künftig vollziehbaren Weltorientierung sich immer wieder als zerrissen erweisen muss.“
Das bringt für mich viele der Gedanken und Erfahrungen der Protagonistinnen in „Annihilation“ eigentlich sehr gut auf den Punkt, und darüber hinaus finden wir bei Illger den Gedanken, dass jeder “Horror, der den Namen verdient, […] letztlich metaphysisch [ist]”, weil das Wesen des (echten) Horrors das Sprengen unserer rationalen Vorstellungskraft ist. Letzteres macht VanderMeers Roman ganz fantastisch. Er entzieht sich in der Darstellung repräsentionalen Ordnungssystemen und löst gerade aufgrund dessen ein unfassbares Unbehagen und auch eine Faszination bei Leser*innen aus.

Wie ist die Idee entstanden, die Geschichte des Romans gemeinsam zu vertonen?
Wolfram: Die Southern-Reach-Trilogie war im Rahmen des ersten pandemiebedingten Lockdowns im Jahr 2020 ein wichtiger emotionaler Anker für mich, der mir dabei geholfen hat, die Ungewissheit und die starken Sorgen, Ängste und Einschränkungen besser zu bewältigen. Letztlich war mir nach der Lektüre sehr schnell klar, dass ich mit dem Roman kreativ arbeiten möchte, und dementsprechend habe ich Antoine zügig mit an Bord geholt, als die ersten akustischen Skizzen entstanden sind.
Antoine: Ich habe es Wolfram zu verdanken, dass ich diese unglaubliche Reihe angefangen habe. Zudem habe ich das Gefühl, dass die intensive Auseinandersetzung mit der Geschichte in einem musikalischen Kontext die Erfahrung ‘Southern Reach‘ für mich noch intensiviert hat.

Wie sind die Tracks entstanden? Wie habt ihr mit den Musikstücken begonnen? Wie haben eure Ideen zusammengefunden?
Wolfram:
Begonnen hat alles mit einem Entwurf zu „Entering The Tower“, da besagter “Turm” im Roman eine sehr wichtige Rolle spielt. Dieses erste Stück kam noch ohne den Gedanken an ein Konzeptalbum zustande und stand zunächst erst einmal für sich. Durch Gespräche über den Roman und den Austausch über kreative Zielsetzungen und Wünsche kam es dann aber zu dem Entschluss, ein Konzeptalbum zu dem Stoff zu machen. Wir haben dann damit begonnen, eine potentielle Dramaturgie für das Album zu entwickeln, indem wir Schlüsselmomente des Romans herausgearbeitet und angeordnet haben. Diese Passagen wurden dann unser Fundament für das weitere Sounddesign und das Komponieren. Wir haben uns in erster Linie an den Stimmungen und Gefühlen der ausgewählten Textstellen aus der Vorlage orientiert und entsprechende Sounds entwickelt. Die Titel auf dem Album sind Zitate aus dem Text, die wir für besonders aussagekräftig halten.
Antoine:
Es ist ein ständiges Hin- und Hersenden von Dateien, Snippets, Ideen usw. Trotz einer relativ strammen Dramaturgie des Albums steht auch immer eine gewisse Organik im Mittelpunkt, sodass sich das finale Produkt ständig im Wandel befindet. Ich würde sagen, es ist eher ein gemeinsamer Prozess, von dem wir hoffen, dass der Rahmen, den wir vorher gesetzt haben, nicht durch unseren Eifer gesprengt wird.

A prenatural silence ist unheimlich fesselnd. Jeder Track lebt von Kontrasten aus Licht und Schatten, Schönheit und Schrecken, Melancholie und Hoffnung, Lärm und Stille. Euer Albumtitel lenkt den Fokus auf das Thema Stille. Warum habt ihr „A prenatural silence“ als Titel ausgewählt, und welche Bedeutung hat Stille in den Musikstücken? War es eine besondere Erfahrung (vielleicht auch Herausforderung?) für euch, so intensiv mit den unterschiedlichen Facetten von Stille zu arbeiten?
Wolfram: Erst einmal vielen Dank für das Kompliment!
Jedes neue Album geht natürlich mit neuen und ganz individuellen Herausforderungen einher, und daher war es auch im Fall von „A Prenatural Silence“ so. Insbesondere, weil uns der Soundtrack-Charakter des Albums von vornherein so wichtig gewesen ist, und dieser eine Anpassung bzw. Veränderung unserer Arbeitsweise erforderte. Wir mussten neue Techniken ausprobieren und entwickeln, uns unserem eigenen Konzept beugen, um einen inhaltlichen Fokus nicht aus den Augen zu verlieren, und gleichzeitig durften wir unsere jeweilige akustische Handschrift nicht verlieren.
Die Arbeit am Album war sehr kräftezehrend und kathartisch. Sie hat mich so manches Mal an meine Grenzen und darüber hinaus gebracht, weil unser Anspruch an uns selbst im Rahmen der Produktion stetig gewachsen ist. Wir wollten der Vorlage gerecht werden und produktionstechnisch noch professioneller werden. Insgesamt ein sehr intensiver Prozess, aus dem wir eine ganze Menge gelernt haben.

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Sucht ihr in eurem Alltag Stille? Braucht ihr den Rückzug (aus der lauten Welt)? Wie wichtig ist Stille für euch?
Wolfram: Stille kann etwas Wunderbares und gleichermaßen auch etwas Beängstigendes sein. Ich denke, dass das Entscheidende oft die Kontrasterfahrungen sind. Nach einer Noise-Platte plötzlich Stille zu erleben, ist ein wunderbares Gefühl und geht (für mich) mit einer sehr intensiven Entspannung einher. Nach langer Stille aber auch wieder eine Stimme oder Musik zu hören, kann ebenfalls eine sehr intensive und notwendige Erfahrung sein.
Darüber hinaus spielt Rückzug für mich generell eine sehr wichtige Rolle in meinem Leben, weil ich schon lange mit einer sozialen Phobie zu kämpfen habe, die im Kontext der letzten drei Jahre wieder etwas intensiver geworden ist. Ich bin mit sozialen Situationen schnell überfordert und merke, dass es mich mehr Kraft kostet als andere Menschen, wenn ich mich in fordernden Situationen befinde. Im Rahmen meines Berufs besteht in dieser Hinsicht aber kein Problem, weil ich diesen sehr gerne und aus Überzeugung ausübe, und weil die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen mir sehr viel zurückgibt. Außerdem habe ich inzwischen Mechanismen und Strategien entwickelt, die mir eine gesunde Stabilität geben.

„The structure feat. ICD-10“ ist ein Song mit besonders treibender und scheinbar grenzenloser Dynamik. Was waren eure Beweggründe, für diesen Song ICD-10 mit ins Boot zu holen? Was ist eure Idee hinter dem Song?
Wolfram: Henning von ICD-10 hat mir sehr viel beigebracht, wenn es um die Produktion von Musik geht. Ohne seine Hilfe wäre Phasenmensch heute sicher noch nicht so weit.
Mich freut, dass ICD-10 aktuell so produktiv sind und wir arbeiten eigentlich immer wieder gerne zusammen. Nach der Kollaboration auf “Divinity/Unity/Nothingness” war auch klar, dass es weitere Features geben wird. Ich mag es ohnehin, wenn Projekte sich gegenseitig so gut ergänzen, denn Techno kann ich einfach nicht so gut wie die Jungs von ICD-10.
Letztlich war es uns bei “A Prenatural Silence” wichtig, dass es auf dem Album auch einen dramatischen Wendepunkt geben soll, der vom ersten in den zweiten Teil des Albums überleitet und bewusst einen dramatischen Akzent setzt. Es gibt im Roman einige sehr spannende Passagen, bei denen der innere Zustand der Protagonistin sich so anfühlt, wie sich “The Structure” anhört. Zumindest in unserer Interpretation des Stoffes.

In VanderMeers Geschichte kommt dem Aspekt der Wahrnehmung bzw. Brüche in der Wahrnehmung eine besondere Bedeutung zu und ist ständig präsent. Inwieweit hat euch auch dieser Aspekt bei der musikalischen Umsetzung der Romanvorlage inspiriert? Gibt es für euch einen oder mehrere Songs, bei dem/denen ihr dieses Thema besonders intensiv erforscht und hör- und wahrnehmbar gemacht habt?
Wolfram: Arthur Schopenhauer schreibt in “Die Welt als Wille und Vorstellung” Folgendes dazu:
„Die Welt ist meine Vorstellung“ – dies ist eine Wahrheit, welche in Beziehung auf jedes lebende und erkennende Wesen gilt, wiewohl der Mensch allein sie in das reflektierte, abstrakte Bewusstsein bringen kann […]. Es wird ihm dann deutlich und gewiss, dass er keine Sonne kennt und keine Erde, sondern immer nur ein Auge, das eine Sonne sieht, eine Hand, die eine Erde fühlt; dass die Welt, welche ihn umgibt, nur als Vorstellung da ist, d. h. durchweg nur in Beziehung auf ein anderes, das Vorstehende, welches er selbst ist. […] Keine Wahrheit ist also gewisser, von allen anderen unabhängiger und eines Beweises weniger bedürftig als diese, dass alles, was für die Erkenntnis da ist, also diese ganze Welt, nur Objekt in Beziehung auf das Subjekt ist, mit einem Wort: Vorstellung.“
Und genau an diesem Punkt wird Horror, wie zuvor erwähnt, spannend und existentiell. Er öffnet einen Riss zwischen unserer Welt als Vorstellung und der Welt als Wille. Darüber zu schreiben, war etwas, was auch Lovecraft überaus gut beherrscht hat. VanderMeer dreht diese Motive allerdings auf eine geschickte Art und Weise um und hinterfragt nicht die Stellung des Menschen im Kosmos, sondern fragt nach der Haltbarkeit des Begriffes “Mensch” überhaupt.

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Die Beschäftigung mit dem Roman und eurem Soundtrack kann Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung mit sich selbst sein – in Bezug auf den Umgang mit Veränderungen und die eigene Beziehung zur Natur. Was sind eure Gedanken dazu?
Wolfram: Mein erster Gedanke zu dieser Frage war gerade tatsächlich einem Zitat von Albert Camus gewidmet. Er schreibt in “Der Mythos des Sisyphos” (1942), das ich 2020 im Lockdown ebenfalls wieder einmal hervorgeholt und erneut gelesen habe, dass ein tiefes Denken in ständigem Werden sei, sich der Erfahrung des Lebens anpasse und an ihr ausforme. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass ein Denken, das auf Einheit verzichtet, die Mannigfaltigkeit erhöht.
Entsprechende Gedanken findet man ebenfalls bei Franz Kafka, der in “Betrachtungen über Sünde, Leid, Hoffnung und den wahren Weg” sagt, dass der Geist erst frei werde, wenn er aufhöre, Halt zu sein.
Ich denke, dass wir nicht anders können, als der ständig anhaltenden Dynamik des Lebens mit offenen Armen zu begegnen und uns damit abfinden müssen, dass alles sich permanent verändert. Aus Ohnmachtsempfinden kann Handlungsspielraum werden, wenn wir uns für diese Veränderungen öffnen. Nicht umsonst findet man entsprechende Gedanken schon in der griechischen Antike (z.B. bei Heraklit) oder auch im Buddhismus.
Was die Beziehung zur Natur betrifft, ist diese aktuell auf jeden Fall auch als eine Grenzerfahrung unserer Spezies anzusehen. Wir sehen uns damit konfrontiert, dass die Welt zunehmend undenkbarer wird und wir einen, nicht unwesentlichen, Teil dazu beitragen, weil wir aktiv zu ihrer Zerstörung und damit auch zur Zerstörung der Existenz unserer eigenen Spezies beitragen. So sagt es auch Eugene Thacker in “In The Dust of This Planet”.

Veränderung und die Beziehung Mensch-Natur werden auch an Lost Places deutlich. Die Natur kehrt zurück, wenn der Mensch geht. Die Prozesse der unaufhaltsamen Veränderungen sind weithin sicht- und wahrnehmbar. Wie seht ihr Lost Places? Was fasziniert euch an diesen Orten?
Wolfram: Mich fasziniert die Heimsuchung verlorener Vergangenheiten und einer verlorenen Zukunft, die Lost Places erzeugen. Lost Places sind spannende Mahn-/Denkmäler von zivilisatorischen Hoffnungen und eine Erinnerung daran, dass nichts der Ewigkeit standhält. Das Aufsuchen derartiger Orte kann somit selbst auch zu einer Grenzerfahrung werden und uns zur Philosophie führen. Dabei muss ich vor allem an den Begriff der “Hauntology” denken, mit dem Mark Fisher gearbeitet hat. In unserem Video zu “Thesis” damals, haben wir das Konzept der Lost Places auch bereits aufgegriffen und verarbeitet.

Verlassene Räume und Orte gab es in der Pandemie häufig zu erleben. Haben die Erfahrung des Lockdowns mit den damit verbundenen Einschränkungen eure Beziehung zu bestimmten Orten und Räumen und/oder Wahrnehmung dieser verändert?
Wolfram: Insbesondere die brachliegende Kunst- und Kulturlandschaft war eine große Belastung für Veranstalter*innen, Künstler*innen und Fans. Ich bin nach wie vor sehr traurig darüber, wie mit der Kunst- und Kulturbranche in dieser Zeit verfahren wurde. Auch die Bilder menschenleerer Innenstädte hatten etwas Gespenstisches, und zwischenzeitlich hatte ich das Gefühl, in einem Albtraum zu stecken.
Antoine: Hierzu möchte ich auch ein Positivum beitragen. Für mich persönlich waren die leer gefegten Städte und liminalen Momente der Pandemie eine willkommene Inspiration und eine Einladung zum Perspektivwechsel. Die oben erwähnten Lost Places schienen sich kurzzeitig brutal ausgeweitet zu haben.

Im letzten Jahr habt ihr bei mehreren Auftritten euer Album live präsentiert. Wie war es für euch endlich wieder live spielen zu können? Wie habt ihr euch auf die Live-Umsetzung vorbereitet? Was sind die besonderen Herausforderungen, und wer unterstützt euch dabei?
Wolfram: Wir haben im Oktober 2020 einen Livestream  veranstaltet, aus dem auch der kurze Dokumentarfilm “In die Dämmerung starren” (hier) hervorgegangen ist. Ursprünglich war das Set für das Muk.E in Dortmund geplant, aber leider wurde die Veranstaltung kurzfristig abgesagt. Das erste “echte” Konzert, seit Beginn der Pandemie, hat Phasenmensch dann auf der UrbExpo in der Christuskirche in Bochum gespielt, und es ging für mich mit einer großen Euphorie aber auch Aufregung einher.
Letztes Jahr im April haben wir das Album dann auf dem “Forms of Hands” präsentiert und veröffentlicht.

Was steht für euch musikalisch als nächstes auf dem Plan? Worauf freut ihr euch besonders?
Wolfram: Neben dem bevorstehenden Auftritt beim diesjährigen “Forms of Hands”, befinden Antoine und ich uns in einem weiterhin sehr angenehmen und produktiven Austausch, weil wir entschlossen sind, ein weiteres Album zusammen zu produzieren. Viel konkreter ist das Projekt bisher noch nicht, aber wir wollen den Soundtrack-Charakter des aktuellen Albums noch weiter ausbauen und vertiefen.

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