Kannibalengeschwader und Höllenfürsten

Nach ein paar Tagen frühlingshaften Temperaturen hat eine Kältewelle München fest im Griff, komplett mit Schnee und eisigem Nordwind. Gut, dass wir uns bei wilden Tanzeinlagen mit vier hervorragend aufgelegten Bands an diesem Dienstagabend ordentlich aufwärmen können! Der Einlass ist mit 18 Uhr etwas knapp nach Feierabend, dennoch ist die Schlange vor dem Backstage lang, denn Cannibal Corpse haben geladen. Die Amerikaner werden von Dark Funeral, Ingested und Stormruler auf ihrer Europatour begleitet, sodass uns ein langer, harter Abend bevorsteht.
DSC_9508Die Sause beginnt pünktlich um 18.30 Uhr mit Stormruler, die uns mit melodischem Black Metal auf die kommenden Stunden einstimmen. Drummer Jesse Schobel und Sänger Jason Asberry taten sich 2019 zusammen und waren in den Pandemiejahren kreativ: 2021 erschien der Erstling Under the burning eclipse, 2022 legten sie mit Album Nummer zwei, Sacred rites & black magick nach. Mit kräftiger Live-Unterstützung an den Saiteninstrumenten heizen Stormruler mächtig ein, das schon gut gefüllte Werk beginnt mit dem Aufwärmen der Nackenmuskeln; vor allem „Upon frozen shores“ weiß zu gefallen. Ein gelungener Auftakt!

DSC_9592Sind die neu, oder kannten nur wir die nicht? Nach kurzer Recherche müssen wir einsehen: Ingested sind seit 2006 aktiv, haben seither sieben Studioalben veröffentlicht und sind bisher komplett unter unserem Radar geflogen. Die Herrschaften um Sänger Jay Evans machen von der ersten Minute an klar, was sie heute Abend mit den Münchnern vorhaben, und beginnen enthusiastisch das lauteste Fitnessprogramm der Welt: Circle Pit zum Aufwärmen, Mittelfinger hoch zum Refrain von „No half measures“, Wall of Death zu „I, despoiler“, Pommesgabeln in die Höhe, noch einen Circle Pit, Fäuste in die Luft bei „Impending dominance“, und wo bleiben eigentlich die Crowdsurfer? Das begeisterte Publikum kommt jedem Wunsch der Herren aus Manchester nach, und als Evans mit einem fröhlichen „I need you to take the fucking roof off!“ das Letzte aus der Menge herauskitzelt, habe ich kurz Sorge, dass die Veranstaltung gleich zu einem Open Air wird. Da stört es kaum, dass man Evans‘ Vocals zu Anfang nicht hören kann. Gegeben wird schnelles, brutales Geknüppel mit Deathcore-Anklängen in den sehr abwechslungsreichen Songs, und manch eine*r dürfte froh über die Atempause gewesen sein, als sich Ingested nach einer guten Dreiviertelstunde und „Echoes of hate“ vom aktuellen Album Ashes lie still wieder verabschieden.

DSC_9753Bühne frei für Dark Funeral! „We are the apocalypse”, verkündet das schwedische Black-Metal-Urgestein zu Beginn und entfesselt einen wahren Sturm im Backstage Werk. Nach diesem Opener vom aktuellen gleichnamigen Album arbeiten sich Dark Funeral rückwärts durch die Zeit und durch Klassiker wie „The arrival of Satan’s empire“ oder „My funeral“, und natürlich dürfen auch die „Secrets of the black arts“ vom gleichnamigen Album nicht fehlen, das inzwischen Kultstatus erreicht und den Black Metal entscheidend mitgeprägt hat. Der kalte, kompromisslose Sound und die irre schnellen Blastbeats lassen kein Haar ungeschüttelt, was im gesteckt vollen Backstage Werk insbesondere vom erhöhten Standpunkt auf der Tribüne wirklich beeindruckend aussieht. In der zweiten Konzerthälfte wenden sich Dark Funeral dann hauptsächlich den letzten beiden Alben zu. Vor allem mit „Nail them to the cross“ und dem kraftvollen „Unchain my soul“ vom 2016er Silberling Where shadows forever reign können mich Dark Funeral heute restlos begeistern. Mit „Let the Devil in“ und dem wunderbaren Titelsong „Where shadows forever reign“ beschließen die Schweden ihren fulminanten Auftritt, nicht ohne noch eine große Fahne mit Bandlogo geschwenkt zu haben.

DSC_9975Abrisskommando Cannibal Corpse machen dann genau da weiter, wo ihre Vorgänger aufgehört haben. Gut gelaunt bieten die Herren um Sänger Corpsegrinder (der nahezu den gesamten Auftritt headbangend verbringt und seine furchteinflößenden Nackenmuskeln präsentiert, wie es sich gehört) einen Gassenhauer nach dem nächsten, einmal quer durch die Discografie – wenn auch mit gewissen Einschränkungen, denn selbst im Jahr 2023 stehen immer noch einige Lieder auf dem Index und dürfen weder angesagt noch die Lyrics gesungen werden. Als würden wir nicht jeden Tag wesentlich brutalere Dinge in der Tagesschau sehen … Dass wir an diesem Abend die Tagesschau verpasst und dafür schon drei Bands in den Knochen haben, ist niemandem anzumerken, denn kaum legen Cannibal Corpse mit „Scourge of iron“ los, verwandelt sich der Pit in ein brodelndes Gewühl aus Gliedmaßen und Haaren. Daran ändert sich während der nächsten anderthalb Stunden auch nicht mehr viel, denn Klassiker wie „The time to kill is now“, „Fucked with a knife“ oder „I cum blood“ werden ebenso abgefeiert wie die knüppelharten Bretter vom aktuellen Album Violence unimagined („Inhumane harvest“, „Condemnation contagion“). Insgesamt bietet der Fünfer aus Florida die gewohnt beindruckende Show, ist gut aufgelegt und freut sich sichtlich über das absolut enthemmte Geschehen vor der Bühne – außerdem einige obligatorische Plüschtiere –, ehe wir mit dem Bandklassiker „Hammer smashed face“ in der Instrumentalversion in die kalte Nacht entlassen werden.

Vier sehr starke Bands an einem Dienstagabend, zwei alte Hasen, eine neue Neuentdeckung sowie eine alte Neuentdeckung – so sollte jede Woche losgehen! Die Stimmung im Werk war vom – wirklich sehr frühen – Beginn an hervorragend, alle vier Bands wurden gebührend abgefeiert, und die Halle platzte aus allen Nähten. So muss das!

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Text: Nekrist
Bilder: torshammare

Setlist Cannibal Corpse:
Scourge of iron
The time to kill is now
Inhumane harvest
Code of the slashers
Fucked with a knife
The wretched spawn
Gutted
Kill or become
I cum blood
Death walking terror
Condemnation contagion
Necrogenic resurrection
Unleashing the bloodthirsty
Devoured by vermin
Stripped, raped and strangled
Hammer smashed face

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