„Nicht authentisch sondern phantastisch“

 

Das Mittelalterlich Phantasie Spectaculum – oder kurz auch „MPS“ genannt – das „größte reisende Mittelalter Kultur Festival der Welt“ feiert das 20. Jubiläumsjahr. Auf dem weitläufigen Wiesengelände des Schloss Maxlrain, Nähe Bad Aibling, fand auch diesen September wieder das deutschlandweit bekannte, fahrende Mittelalter-Event statt.

Um ca. 14:00 Uhr brechen wir in München auf, um uns über die A8 auf den Weg nach Maxlrain zu machen. Nur ca. 45 Minuten später treffen wir dort ein. Der Parkplatz, der ehemals auf den Wiesen vor dem Gelände gelegen war, wurde kurzfristig auf Grund von Regenfällen in den Tagen vor der Veranstaltung in Teilen auf einen weiter entfernten, dafür befestigten, Parkplatz in Mietraching verlegt. Der Shuttlebus fährt regelmäßig in 15-minütigen Abständen und befördert die Gäste kostenlos zum drei Minuten entfernten Gelände.

An den Kassen herrscht reger Andrang. Im Nachhinein erfahre ich, dass dieses MPS das bestbesuchte der letzten acht Jahre in Maxlrain war. Dennoch wurde es zu keinem Zeitpunkt auf dem weitläufigen Gelände eng. Der Eintrittspreis beträgt für den Samstag 21 € an der Tageskasse und 16 € im Vorverkauf. Es lohnt sich also hier länger vorauszuplanen und sich die Karten schon vorab im Internet zu bestellen. Die 2-Tages-Karten Nutzer sowie die jüngeren und älteren Gäste erhalten Ermäßigungen (für Kinder bis einschließlich 5 Jahren fällt kein Eintritt an). Hier wird schnell klar, dass das MPS für Gäste jeden Alters ausgelegt ist.

Auf dem Festival bekommt man für den verhältnismäßig geringen Eintrittspreis eine ganze Menge geboten:
Neben szeneangehörigen Mittelalter-Rock-Bands wie Saltatio Mortis, Faun, Rapalje, Versengold, Saor Patrol, Metusa und Das Niveau finden sich am Samstag auf dem Gelände auch allerlei Gaukler und (Feuer-)Künstler, wie der Gaukler Jeremias, die Fechtkampftruppe Fictum und das Phoenixduo ein. Wer häufiger zum MPS geht, wird einige inszenierte Charaktere schon kennen, so zum Beispiel Marktvogt „Eduard von Sonnenberg“, den MPS-Mönch „Bruder Rectus“ oder den Bettler „Hässlicher Hans“. Alles in allem fühlt man sich auf dem Gelände, durch die rundum aktiven Schausteller, integriert und gut unterhalten. Die Ritterspiele und Heerlager, die regelmäßig beim MPS mitreisen, runden das mittelalterliche Ambiente ab.

Nachdem wir auf dem Gelände sind, zieht es uns zuerst zu den Getränketheken, die nebst mittelalterlichen Schenken, mehrfach auf dem Gelände verteilt sind und ein umfangreiches Angebot aus dem Sortiment der Maxlrainer Brauerei (mit unter anderem mehrfach Gold prämierten Bieren) vorweisen können. Gleiche Vielfalt findet sich bei den Essensständen. Wer beim „Drachengrill“, dem MPS eigenen Grillstand mit Fleischspießen, Steaks und Würstchen nicht satt wird, findet auf dem Gelände viele andere Stände: Von Schupfnudeln bis Spätzle, von Falaffel bis frisch gebackenen Schmachtfladen und Holzofen-Brot bleiben keine Wünsche offen. Auch Süßes, wie zum Beispiel gebrannte Mandeln, Baumstriezel und Kuchen gibt es an verschiedenen Ständen. Die Kulinarik kommt auf dem MPS sicher nie zu kurz. Die Preise sind leicht erhöht, wie auf Mittelaltermärkten üblich, aber noch im humanen Bereich. Zu erwähnen ist, dass man auch eigene Speisen und Getränke auf das Gelände mitbringen kann, sich also nicht an die gegebene Auswahl halten muss. Gerade für Familien ist diese Option denke ich sehr attraktiv.

Um das Familienwohl wird sich gesorgt, denn es gibt unter anderem zum Beispiel ein Wickelzelt und Strohspielplätze, an denen sich die Kinder austoben können. Sollte man mit Hund zum MPS kommen, ist das laut Veranstalter gar kein Problem. Es wird lediglich dazu aufgerufen, mitgebrachte Hunde konsequent angeleint zu lassen, was bei dem Besucherandrang auch zu empfehlen ist. Tierfreund und Veranstalter Gisbert Hiller hat selbst drei Golden Retriever, ein Markenzeichen und die „Werbeabteilung“ des MPS. Oft sieht man die Rasselbande zusammen mit Herrchen Gisi auf dem Gelände, mir laufen sie an diesem Tag mehrfach über den Weg. Doch ist das MPS nicht nur etwas für Familien. Auch die Jugend und kinderlosen Erwachsenen kommen nicht zu kurz.

Allem voran steht das umfangreiche Musikprogramm, dem auch wir uns nach einer kleinen Stärkung widmen:
Die drei beschrifteten Bühnen sind auf dem Gelände verteilt und leicht zu finden. Anhand des Spielplans, der an mehreren Stellen auf dem Gelände aushängt und an den Essens- und Getränketheken ausliegt, kann man sich so eine Übersicht verschaffen. Bei unserem ersten Rundgang über das Gelände bleiben wir an der Feuerspektakelbühne hängen, auf der gerade Saltatio Mortis spielen. Selbst zur mittägigen Stunde herrscht reger Andrang vor der Bühne, und die Fans sind begeistert von den Spielleuten, die erst kürzlich mit ihrem neuen Album, dem Schwarzen IXI die deutschen Media-Control-Charts erobert haben.

Weiter geht es zur Folk-Bühne, auf der Saor Patrol und Rapalje, die Kilt-Träger unter den MPS-Bands, die Mengen begeistern. Saor Patrol, waschechte Schotten, überzeugen mit ihrem Soundgefüge aus Dudelsack und E-Gitarren, das durch drei Trommler komplettiert wird. Man sieht gerade den Trommlern den Spaß am Spielen an und kommt nicht umhin bei den rhythmischen Klängen, die stets rein instrumental sind, mitzuwippen. Wer Dudelsäcke mag, ist bei Saor Patrol gut aufgehoben. Die Niederländer von Rapalje, die wir uns später am Tag noch angesehen haben, covern ihre Stücke zu einem großen Teil und bedienen sich hierbei an irischem, schottischem, niederländischem und anderem traditionellen Liedgut. So sind zum Beispiel „What shall we do with the drunken Sailor“, „Galway Girl“, „Molly Malone“ und die niederländische Version von „Was sollen wir trinken“ auf ihrer Setlist vetreten. Die Band beherrscht ihre Instrumente und wirkt sehr sympatisch – unter anderem durch ihre deutschen Ansagen mit niederländischem Akzent, die dem ein oder anderen Hörer ein Lächeln abringen.

Auf unserem weiteren Rundgang bleiben wir an der kleinen Gaukler-Bühne hängen, auf der gerade der Gaukler Jeremias seine Kunststücke und Witze zum Besten gibt. Die Menge hängt wie gebannt an seinen Lippen, und nicht nur die kleinen Gäste des MPS kommen bei einem kurzen Assistenz-Auftritt auf der Bühne auf ihre Kosten, denn Jeremias spannt gekonnt auch deren Eltern mit der Frage „Welches Kind hat hier die mutigste Mami/den mutigsten Papi?“ in die Show ein. Die Zuschauer sind begeistert von der Publikumsnähe und applaudieren ausgiebig.

Danach ging es weiter zur Festival-Bühne, die sich Das Niveau, Versengold und Faun teilen. Als wir eintreffen geben gerade Versengold ihr Stück zum gleichnamigen Album Im Namen des Folkes zum Besten. Das Publikum ist in Feierlaune und folgt der Aufforderung von Frontman Snorre Snoerkelfrey, die Phrase mitzuschreien, begeistert. Die Band wird zurecht als eine der vielversprechendsten, aufstrebenden Bands der Mittelalter-/Folk-Szene gesehen, hat sie ihr Publikum doch von der ersten Minute an im Griff. Die Show sehen wir uns gerne bis zum Schluss an. Danach folgen Das Niveau, die meinen persönlichen Musik-Geschmack nicht treffen. Wir sehen uns nur einige wenige Lieder der Berliner Singer-/Songwriter an und gehen dazu über, nochmals über den Markt zu schlendern, einen kurzen Blick auf das Ritterspiel zu erhaschen und uns erneut an den Getränketheken zu versorgen.

Auf dem Weg über das Gelände wird ein ums andere Mal klar, dass die Besucher das Motto „nicht authentisch sondern phantastisch“ beim Wort nehmen. Hier laufen nicht nur Orks mit Larp-Waffen und Damen in pompösen Mittelalter-Kleidern umher, man sieht unter anderem auch einen jungen Mann im Batman-Kostüm und ein Cosplay zu einem Assassinen aus Assassins Creed.

Da alle Bands, außer Faun, an diesem Samstag auf dem MPS mehrfach spielen, folgen nun für uns wiederum Versengold und auch von Saor Patrol sehen wir uns gerne eine weitere Show an. Nach dieser zeigt vor der Bühne das Phoenixduo seine Fähigkeiten bei einer Feuershow. Besonders ist hier die starke akrobatische Leistung der beiden Artisten hervorzuheben, die man nicht bei jeder „üblichen“ Feuershow zu sehen bekommt. Danach wechseln wir zur Festival-Bühne, auf der Faun gerade beim Soundcheck sind. Es ist mittlerweile dunkel auf der Wiese vor dem Schloss, und so brennen an allen möglichen Stellen Lagerfeuer, um die herbstliche Nachtkälte zu verscheuchen und dem Ganzen noch einen besonderen Charme zu verleihen.

Die Bühne, auf der Faun spielen, liegt an einem Hang, sodass auch die kürzer gewachsenen Zuschauer die Chance haben die imposante Lichtshow auf der Bühne zu betrachten. Viel Nebel und die Bühnendeko komplettieren das phantasievolle Flair, das Faun verströmen. Die Band um Frontman, Sänger, Bouzouki- und Nyckelharpa-Spieler Oliver S. Tyr präsentiert sowohl alte als auch neue Lieder und findet damit beim Publikum, das sich sehr zahlreich eingefunden hat, regen Anklang. Die zauberhafte Sängerin, Flötistin und Dudelsackspielerin Fiona Rüggeburg beeindruckt zusammen mit Perkussionistin und Sängerin Katja Moslehner mit mehrstimmigem Gesang, der von treibenden Rhythmen durch Trommler Rüdiger Maul und Niel Mietra, dem Mann an Synthesizer und Computer-Beats, unterlegt wird. Stephan Groth steuert Melodien mit der Drehleier und der Cister sowie ebenfalls durch Gesang bei. Alles in allem bin ich immer wieder davon fasziniert, wie gut Faun ihre Instrumente beherrschen und aufeinander abgestimmt sind.

Nach der Show verlassen wir mit vielen bleibenden Eindrücken das Gelände, kommen aber nicht umhin, uns noch ein Holzofen-Brot für das „MPS-Flair zuhause“ auf dem Weg zurück zum Parkplatz mitzunehmen.

Fazit: Das MPS ist eine Mittelalter-Großveranstaltung und weit entfernt von kleinen lauschigen Märkten. Das ist aber überhaupt nicht schlimm, denn durch die perfekte Organisation und den durchdachten Aufbau des Ganzen fühlt man sich auch hier bestens aufgehoben. Das Musikprogramm ist vielfältig, und auch einen zweitägigen Aufenthalt auf dem MPS kann ich mir gut vorstellen. Für Kritiken und Vorschläge ist Veranstalter Gisbert Hiller stets auf der Facebookseite des MPS offen und widmet sich auch der Problembeseitigung bestmöglich (zum Beispiel kurzfristig Parkplätze auslagern, wie im Fall Maxlrain), womit er sehr großen Einsatz zeigt, wenn es um das Wohl der Gäste geht.

Wer auch sonst auf Mittelaltermärkte geht und sich nicht an der Größe sowie der teilweise fehlenden Authenzität stört, dem sei das MPS wärmstens empfohlen. Wer noch nicht in diesem Bereich unterwegs war, kann beim MPS ein Event erleben, dass das Thema repräsentiert und gleichzeitig, auf Grund jahrelanger Erfahrung und Kenntnisse im Bereich der Veranstaltungstechnik, nahezu bestmöglich organisiert ist.

Links:
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Fotos: Black Snap Cat – Photography
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1 Kommentar
  1. Toscho
    Toscho sagte:

    Schöner Artikel, spiegelt auch meine Erfahrungen in Maxlrain und auf anderen MPS Märkten wieder. Allein die vielen wirklich guten Bands sind den Eintrittspreis wert. Und die Stimmung auf dem MPS ist irgendwie besonders, die Menschen sind entspannt und fröhlich und das reißt einem sofort mit, auch wenn man selbst vielleicht nicht mit bester Laune angereist ist.

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