Wikinger – das waren doch die mit den gehörnten Helmen?

Ein kleines Experiment: Der gediegene Leser möge sich bitte einen typischen Wikinger vorstellen. Und nun würde ich wetten, dass mindestens 50 % der Leser sich dabei einen Kerl wie einen Baum, mit Zöpfchen und wirrem Bart ausgemalt haben – und auf dem Kopf thront ein mächtiger Helm, geziert von zwei Kuhhörnern, wahlweise auch der Kopfschmuck eines Ziegenbocks. Der Fantasie sind da ja bekanntlich keine Grenzen gesetzt. Und leider liegen damit 50 % meiner werten Leser komplett daneben. Aber warum?

Warum hatten nur wenige Wikinger Helme? Nun, das liegt an verschiedenen Gründen. Einerseits waren unsere rauen Freunde aus dem hohen Norden ja nicht doof. Für Überfälle wählten sie bevorzugt Ziele aus, an denen wenig bewaffneter Widerstand zu erwarten war, insofern war ein Helm gar nicht unbedingt nötig. Andererseits war bis zur Christianisierung die einzige Möglichkeit, unsterblichen Ruhm und Ehre zu erlangen und nach Wallhall einzugehen, im Kampf zu fallen. Wer jeden Raubzug überlebte, weil er seinen Kopf gut unterm Helm versteckte, galt also als Feigling und würde im Tod auch noch nach Hel gehen. Keine tollen Aussichten.

Aber wie kommen nun gehörnte Helme ins Spiel? Sie sind keine neumoderne Erfindung, sondern das Ergebnis einer Verwechslung meiner geschätzten Vorgänger. Vor dem Zeitalter der Wikinger, etwa in den Jahren 600 bis 800, war Schweden von der sogenannten Vendel-Kultur geprägt. Diese Kultur zeichnete sich durch eine aufkeimende Krieger-Elite und einen Kunststil mit vielen tierischen Elementen aus und legte sozusagen den Grundstein für die Kultur der Wikinger. Aus der Vendel-Zeit gibt es zahlreiche Darstellungen, zum Beispiel auf Bild-Steinen, von Menschen bei rituellen Handlungen, die gehörnte Helme tragen. Ob sie nun Priester, Krieger oder etwas ganz anderes waren, ist unklar – aus dieser Zeit gibt es keine schriftlichen Aufzeichnungen aus Schweden, woran die Vorfahren der Wikinger glaubten und was sie mit ihren gehörnten Helmen bezweckten, ist längst im Nebel der Jahrhunderte verloren gegangen.


Einen gewissen Richard Wagner beeindruckten diese Darstellungen zutiefst, und als er seine Wallküren auftreten ließ, verpasste er ihnen Helme mit Hörnern. Das wiederum gefiel seinen Zeitgenossen, und irgendwie verbreitete sich daraufhin die Ansicht, dass die Wikinger ihren Feinden Angst machten, indem sie im Kampf Kuhhörner auf ihre Helme montierten. Von da ab war der Siegeszug der gehörnten Helme wohl nicht mehr aufzuhalten.

Was heißt das also für Albencover im Viking Metal? Nun, wahre Viking Metaller haben zwei Möglichkeiten: Entweder sie verzichten in Zukunft auf gehörnten Kopfschmuck oder sie benennen ihre Musikrichtung einfach um. Im Vendel Metal wären gehörnte Helme vermutlich der letzte Schrei.

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