Yggdrasil

Die Freude auf das diesjährige Wave Gotik Treffen manifestierte sich ein wenig anders als die Jahre davor. Wie üblich wurden nach und nach die Künstler auf der Homepage veröffentlicht, und so begann ich ein wenig mitzuschreiben. Anfangs relativ mau aufgrund der Künstlerauswahl (jeder hat etwas auszusetzen) dachte ich, das wird ein recht ruhiges WGT für mich, als jedoch nach und nach immer interessantere Acts auftauchten, wurde meine Liste länger und länger. Im Folgenden erzähle ich euch, was ich erlebt und vor allem gesehen habe, das überhaupt nicht in meiner Liste auch nur im Ansatz erwähnt worden wäre. Ach, bevor ich es vergesse, das Wetter spielte auch ein wenig eine Rolle bei meiner Gestaltung des WGT!

~ Donnerstag  – Tag der Anreise ~ 
Wie üblich kann man diesen Tag kaum erwarten. Man wähnt sich schon förmlich in Leipzig inmitten von schwarzen Schwärmen. Phoebe_Impressionen-AgrageländeRein in den ICE (der recht pünktlich war für die Verhältnisse der Deutschen Bahn) und auf die Minute (naja fast) verließ der Zug den Münchener Bahnhof gen vier Tage Party, Konzerte und vor allem Freiheit. In Leipzig angekommen, holen wir erst einmal das Wichtigste für die Ferienwohnung. Ausgepackt und alles in den Schrank (man muss ja nicht nach Farben sortieren). Bereit bin ich mir Leipzig zu erobern. So eine Fahrt mit der Tram Nummer 11 Richtung Agra-Gelände ist schon lange Kult. Schnell die Tickets holen (ja, ich war in Begleitung) und hinein auf das Gelände. Was soll ich sagen, nach Betreten hat man das Gefühl, man ist angekommen, und die Freude auf das was kommt wird größer. Den Abend ausklingen lassen bei einem netten Köstritzer Dunkel (auch das gehört zum WGT) und vielen netten Leuten.

~ Freitag – Freude auf den Abend ~ 
Nachdem ich ausgeschlafen hatte (für meine Verhältnisse), führt mich mein Weg fast blind (die Augen waren noch halb verschlossen) zum Kaffee. Es dürfte ungefähr so gegen Mittag gewesen sein, als ich in die Tram Richtung Augustusplatz einsteige. Der Treffpunkt schlechthin für alle!Ostara-Volkspalast-Freitag-773x1030 Die altehrwürdige Moritzbastei thront über allem und ist voll besiedelt von Festivalbesuchern. Super, also hinein ins Vergnügen. Man quatscht mal hier und mal da, und bevor man sich versieht waren auch schon einige Stunden vergangen. Also mache ich mich auf dem Weg zu meinem Veranstaltungsort, dem Volkspalast, wo am Abend einige Träume von mir Realität werden. Es spielen Ostara, Backworld und Argine. Ein sehr feines Neofolk Event, das ich mir einfach nicht entgehen lassen konnte. Ostara habe ich tatsächlich noch nie live gesehen, und das obwohl Richard Leviathan das Projekt seit den 90er Jahren betreibt. Der sehr archaisch, kräftige Klang der Gitarre ist in meinen Ohren ursprünglicher Neofolk in Reinkultur. Backworld-Volkspalast-Freitag-773x1030Backworld aus den USA hatte ich tatsächlich auf einem der letzten WGT schon einmal gesehen. Joseph Budenholzer interpretiert die Musik wie eine Mischung aus Neofolk und Dark Americana. Wer kann solchen Liedern wie „Devils plaything“, „Isles of the blest“ oder „Leaves of autumn“ widerstehen? Ich würde Backworld auch eintausend Mal anschauen! Mein must see dieses WGT waren jedoch die aus meiner Heimatstadt Neapel stammenden Folker von Argine! Eine Band, von der ich gestehen muss sogar die Texte von fast all ihren Songs auswendig zu kennen. Sie begeistern mich schon seit über 20 Jahren! Argine-Volkspalast-Freitag-1030x773Der Präsenz auf der Bühne der Kantine des Volkspalastes ist beeindruckend. Ein Repertoire aus all ihren Veröffentlichungen wurde berücksichtigt. Songs voller nachdenklicher Energie, die sich in das Unterbewusstsein graben. Glücklich also nach dem Konzertabend nach Hause, und erstmal mit meiner Begleitung den Tag des jeweils anderen Revue passieren lassen. Volkspalast rules!

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Phoebe

 ~ Donnerstag ~

Vorfreude ist schon lange da. Dieses Jahr ist mein Enthusiasmus jedoch etwas ausgebremst, weil ich Probleme mit einem Fuß habe. Ich habe wenig cooles Schuhwerk dabei, musste auch die Klamotten etwas anpassen, und außerdem ist wohl klar: So viel rumgelaufen, fotografiert, getanzt wie sonst wird nicht. Wir holen uns gleich nach der Ankunft unten im Hauptbahnhof das Nötigste für die Frühstücke und nächtlichen Zusammenkünfte und sausen dann mit der Tram Nr. 7 zu unserer Wohnung. Phoebe_ImpressionenAlles verstaut, geht es dann wieder Richtung Innenstadt und weiter mit Umsteigen in die schwarze 11. Wir holen uns traditionell an der Agra unsere Bändchen und die Papier-Programme. Und was zu trinken und köstliche Fischsemmeln am Stand. Später ein Stopp am Augustusplatz in der Moritzbastei. Hier schauen wir völlig entspannt bei einem Getränk den anderen bei der Bändchen-Ausgabe zu und hören tolle Musik von einem DJ am Oberdeck. „Gott ist tot“, David Bowie, „Temple of love“, „Love will tear us apart” und Etliches von Siouxsie and the Banshees: Es ist wie ein Zeichen – dieses WGT wird toll, Fuß hin, Fuß her!

 ~ Freitag ~

Nach einem langen Plausch mit der Vermieterin richte ich mich her für den Tag. Aber: Drama! Mein schwarzer Kajal geht kaputt! Bricht ab! Lässt mich im Stich! Ich muss nachher am Lindenauer Markt bei dm eine Fahrtunterbrechung machen und Kajal shoppen gehen. So komme ich dann Goth-sei-Dank doch noch mit zwei schwarzen Strichen unter den Augen ins Theaterhaus Schille. Phoebe_Freitag_Lucina-SuteiraEin völlig nettes kleines, altes Theater mit samtenen Stühlen und einer Theaterkneipe, wo man sich Sekt und Wein in kleinen Fläschchen kaufen kann, und wo man sich auch am Eingang keiner Taschenkontrolle wegen geschmuggeltem Wasser unterziehen lassen muss. Als erstes steht Luci van Org auf dem Programm. Ich bin ein Fan der ersten Stunde und nerve von jeher alle Freund*innen und Liebsten mit dem Lied „Mädchen“. Als Lucilectric schuf sie mit diesem Lied einen Klassiker der 90er. Mittlerweile hat sich Luci van Org als Autorin, Illustratorin und Schauspielerin etabliert und hilft Menschen mit Schicksalsschlägen. Als Lucina Soteira kreiert sie hier mit „A Psychedelic Ritual“ dunkel-hypnotische Songs von „Post Punk“ bis „Wave“. So steht es im Programm, und es ist ein sehr persönliches, kleines, intimes Konzerterlebnis, das ich aus der ersten Reihe erleben darf. Bis zu meinem nächsten Vorhaben hier ist noch mächtig Zeit, und ich laufe ein wenig herum, und später esse ich oben an der Moritzbastei auf dem Mittelaltermarkt köstlich gegrilltes „Federvieh“. Leider wird dieser Schlendrian bestraft. Phoebe_Freitag_StimmgewaltMein Highlight Stimmgewalt kann ich nicht im Sitzen auf den bequemen Theaterstühlen genießen, sondern am Rand stehend, und das mit meinem Fuß! Aber das A Capella Ensemble, dass ich letztes Jahr dort kennengelernt habe, fasziniert dennoch. „Dark A Cappella“ – düstere Musik ohne Instrumente sagen sie über sich selbst. Trotz Fuß und Stehens auf der Seite ist es wieder ein tolles Erlebnis. „Paint it black“ von den Rolling Stones, so cool! Und Asps „Und wir tanzten – ungeschickte Liebesbriefe“ bringt mich fast zum Weinen. Ich humple glücklich zur S-Bahn am Markt und bin sehr viel früher als der Schatz in der Wohnung. Aber ich stehe nochmal auf, weil mich interessiert, was er alles erlebt hat.

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torshammare

~ Donnerstag ~
Zum Glück vergeht ein Jahr wirklich schnell, und schon ist es wieder soweit: Das WGT steht vor der Tür. Die Anreise mit dem Zug nach Leipzig verläuft zum Glück völlig problemlos, und am frühen Nachmittag treffe ich in unserer supergemütlichen Ferienwohnung ein, die Mitbewohner*innen aus Skandinavien sind auch schon da. Sabine-MB-TerrasseNach großem Hallo und erst mal Einkaufen und etwas essen pilgern Mitbewohnerin 1 und ich zur Moritzbastei, um mein Bändchen zu holen (bei überraschend kurzer Schlange), machen noch einen Abstecher zum Hauptbahnhof und der dortigen Steampunk-Fotoausstellung und laufen dann zur MB zurück. Mitbewohnerin 1 ist dieses Jahr ohne Ticket unterwegs, was auf der MB-Terrasse ja kein Problem ist, man trifft die ersten Bekannten, und mit zwei Freund*innen verquatschen wir uns dann so lange, bis uns allen doch ein bisschen kalt ist (der Wind ist garstig). Ich gehe dann noch runter und genieße die erste Dosis Krach auf die Ohren bei den Noise Floors im Oberkeller, treffe die nächsten Freund*innen und fahre dann aber recht moderat zurück in die Wohnung.

 ~ Freitag ~
Der Tag beginnt trotz ausreichend Schlaf sehr langsam, wir quatschen erst mal ausführlich beim Frühstück, und kaum habe ich mir einen Plan für die Zeit vor den Konzerten gemacht, werfe ich ihn auch schon um und lande bei einer großen Freundesgruppe auf der MB-Terrasse. Sabine-Amduscia-FrIrgendwann weht uns der Wind da wieder weg, und ich gehe mit zwei lieben Freunden was essen. Nach einem kurzen Abstecher in die Wohnung – und dem obligatorischen Kuchensarg, den die Lukas-Bäckerei auch dieses Jahr wieder anbietet (zusammen mit anderen schwarzem Gebäck) – weiß ich dann auch endlich, welche Konzerte ich sehen will und fahre ins Westbad. Mit Electro mache ich nie was verkehrt, und Amduscia aus Mexiko habe ich noch nicht gesehen (immer ein Bonus). Das Duo spielt ähnlich wie die Landsleute Hocico Harsh Electro, gefällt mir aber sogar einen Tick besser als die bekannteren Kollegen. Das Westbad ist gut gefüllt, aber man bekommt noch Luft, von der Seite habe ich sogar Bühnensicht, und irgendwann stehe ich sogar ohne große Mühe in der ersten Reihe. Perfekte Aussichten also für den nächsten Act, Dive. Sabine-Dive-FrDirk Ivens sehe ich mit allen seinen Projekten unheimlich gern, der Mann ist einfach eine Macht. Und so entspannt-souverän, dass er wie immer beiläufig den Bühnenaufbau selbst übernimmt, locker mit den arbeitslosen Stagehands plaudert und ein paar Minuten später lässig zurück auf die Bühne schlendert, um dann ein großartiges Set hinzulegen. Das beginnt mit diversen ruhigen Stücken (was andere später bemängeln), später kommen aber auch noch Brecher wie „Bloodmoney“ oder „Moving hands“. Ich bin glücklich und tanze den gesamten Auftritt durch, Dirk ist einfach immer großartig. Danach treffe ich noch Freund*innen, und gemeinsam schauen wir uns die Hälfte von Terence Fixmers Auftritt an – der rein instrumental abläuft, aber trotzdem nicht weniger faszinierend ist. Ein bisschen kann man dem Mann auch auf die Finger schauen, wie er den erst recht sanften und dann immer härteren Darktechno zusammenmischt. Extrem geschmeidig und sehr tanzbar! Dann muss ich aber los, ich will in die Kuppelhalle (meine absolute Lieblingslocation des WGTs) zu Dernière Volonté und fürchte, dass das elendig voll wird. Ich habe aber Glück und kann sowohl meine Freundesgruppe einsammeln als auch einen halbwegs guten Platz sichern.Sabine-Derniere-Vol-Fr Eine andere Freundin stößt noch dazu, und wir quatschen, während sich die Kuppelhalle allmählich ernsthaft füllt. Dann die große Frage: Wird der Sound so grottenschlecht sein wie 2016, wo wir alle früher gegangen sind? Nein, dieses Jahr passt alles, und es ist wunderschön, Songs wie „Au travers des lauriers“ live zu hören. Beseelt laufen wir danach zur S-Bahn, die Freunde fahren noch zur MB, ich zurück in die Wohnung. Ein gelungener erster Festivaltag!

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Mrs. Hyde

~ Donnerstag ~

Wir reisen am Donnerstag an und können unsere schöne Wohnung schon um 11:00 beziehen. Wir wohnen dieses Mal um die Ecke der Eisenbahnstraße, von der Bild als gefährlichste Straße Deutschlands ausgerufen. In der Tat gab es drei Tage vorher eine Massenschlägerei mit Macheteneinsatz, Sorgen machen wir uns trotzdem keine. Kurz frisch machen und ab in die Stadt mit der Straßenbahn in der Eisenbahnstraße, die ein wenig Neukölln-Flair verbreitet, uns ansonsten aber völlig normal vorkommt. Wir steigen am Bahnhof aus, und hier sehen wir natürlich auch die ersten Grufties. Doch nach 20 Metern lockert sich der Absatz von meinen Pikes. Echt jetzt? Dreißig Paar daheim und ich erwische eines, das kaputt geht. Zum Glück habe ich zwar noch drei Paar dabei, muss nun aber erst mal zu Deichmann, aber vorher noch schlurfend in den Humana, der heute aber nichts für uns zu bieten hat. Im Schiller Cafe vor der Moritzbastei gibt es ein spätes Frühstück. Da dort anschließend noch gar nichts los ist, ziehen wir noch mal weiter, und im Lisbeths Erben finde ich einen tollen DDR-Modehut aus den Fünfzigern, der morgen gleich in mein Achtziger-Outfit integriert wird. An der MoBa ist nun eine 30-m-Schlange, die schnell länger wird, doch dann geht es eigentlich recht zügig mit der Bändchen-Ausgabe. Ein paar Tropfen bekommen wir ab, schaffen es aber vor den richtigen Regengüssen in die Straßenbahn.
Wir legen uns noch mal hin und chillen, bevor wir uns zum EBM-Warm-up im Felsenkeller aufmachen. Da müssen wir natürlich noch beim Stamm-Vietnamesen GiMyLi essen. Wir haben uns extra viel Zeit gelassen, trotzdem spielt gegen 22 Uhr mit NTRSN erst die dritte von sechs Bands, die immerhin mit ihrem DAF-inspirierten Sound überzeugen können. Ehrlich gesagt sind wir nur wegen Sturm Café da. Es folgt No Sleep By The Machine, deren stupiden Rumms-Monotonie wir leider nichts abgewinnen können. Zum Glück treffe ich dann Freunde und erfahre, dass Sturm Café erst um 0:30 Uhr angesetzt sind. Das war’s, wir sind raus. Dafür ist das Warten dann einfach zu lange, und es folgen ja noch vier Tage Festival.

 ~ Freitag ~
Im Vorfeld ist das Viktorianische Picknick in den Medien schon massivst beworben oder besser ausgeschlachtet worden, also ist der Massenauslauf für uns keine Option mehr. Stattdessen fahren wir lieber zur Agra und genießen die relative Ruhe. Der Vortrag von Mark Benecke ist überraschenderweise nur etwa zu 60 % gefüllt, dennoch stellt er zwischen Psychopathen, Massenmördern und erschreckenden Drogenbandentoten fest: „Endlich wieder normale Leute!“ Auch auf dem Treffenmarkt geht es entspannt zu. Niemand steht im Weg, und mensch kann alles in Ruhe begutachten. Es sind wirklich tolle individuelle und außergewöhnliche handwerkliche Sachen dabei.
Für die Konzerte geht es ins Täubchenthal, wo The Cemetary Girlz den Anfang machen. Aber leider packt mich das live heute nicht richtig, also geht es noch mal raus auf den Hof, der leider einiges an Atmosphäre und Sitzgelegenheiten eingebüßt hat. Auch sind die hinteren Buden nicht einmal geöffnet. The-Rose-of-Avalanche2Wir treffen Freunde, versorgen uns beim REWE nebenan, und erst mit Rose Of Avalanche geht es musikalisch weiter. Endlich mal wieder Gothic Rock, und ohnehin steht die Band schon lange auf meiner „Alte Helden“ Liste. Ich werde nicht enttäuscht, eine schöne Show, die vorn von vielen Engländer*innen supported wird. Da fügen sich Theatre Of Hate direkt im Anschluss bestens an, und das Konzert wird der Knaller. Theatre-of-HateSie eröffnen direkt mit ihrem Überhit „Do you believe in the westworld?“ und reißen einfach alle(s) mit. Noch dazu ist der Sound perfekt. Natürlich sieht Sänger Kirk Brando leider nicht mehr wie der bestaussehendste Farin Urlaub aller Zeiten aus, aber er spielt tatsächlich dieselbe Gitarre wie im legendären Video von 1982. Die Halle feiert den Auftritt. Jetzt hätten wir gerne Twin Noir gesehen, aber zur Moritzbastei hetzen, nur um dann eventuell nicht reinzukommen? Wir erfahren, dass die Band bald beim Katzenclub in München auftreten wird, also bleiben wir da und hoffen für Christian Death das Beste. Wir werden bitter enttäuscht. Es fängt schon damit an, dass Valor gefühlte drei Minuten seinen Mikrofonständer nicht eingestellt bekommt, sodass die Leute schon lachen müssen. Das regt ihn auf, und auch der Sound seiner Gitarre passt ihm nicht. Als das Konzert schließlich beginnt, kann mensch deutlich spüren, dass Valor völlig lustlos ist. Er zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er ständig an seinem Kopfschmuck herumzupft und dabei ziemlich vogelscheuchig wirkt. Christian-DeathMit seiner miesen Laune zieht er auch die anderen runter, denn Maitris Gesang ist teilweise schon als jaulig zu bezeichnen. Schade. Ein Freund von mir ist bitter enttäuscht, vor allem weil das letzte Konzert in der Agra wohl toll gewesen sein soll. Ich zitiere: „Wenn Valor keinen Bock hat, dann soll er einen Kassettenrecorder auf die Bühne stellen und drauf pissen! Das wäre wenigstens ehrlich gewesen und sowas wie ein Statement.“ Das wird in den Top Five der schlechtesten Konzerte meines Lebens in Erinnerung bleiben. Trotzdem gibt es Höflichkeitsapplaus, doch nach Zugabe ruft niemand. Die Umbaupause wird am Kaffeestand überbrückt, und auf der When we were young Party lassen wir den Abend ausklingen.

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Ankalaetha

~ Donnerstag ~

Eigentlich war ich mir wirklich nicht sicher, ob ich überhaupt nach Leipzig fahren würde. Zu schlecht war die Form zuletzt, was generell den Spaß an Konzerten beeinträchtigt hat. Und so ein WGT mit An- und Abreise kostet für mich Wahl-Norwegerin ja doch auch immer ziemlich viele Urlaubstage. Aber dann will der Mann in der Woche vor Pfingsten zum Kills-Konzert in Berlin, und torshammare fragt nach, ob die WGT-WG diesmal etwa anderweitig besetzt werden muss, und ich sehe ein: die Aussicht auf ein Pfingsten ohne „in Leipzig Leute treffen” ist einfach zu traurig. So wird dann aus „Pfingsten ohne WGT” relativ spontan doch lieber „WGT ohne Bändchen”. Wir sehen es mal als Experiment – macht das Spaß so? Schaffen wir es, endlich all das zu machen, wozu sonst zwischen den Konzerten einfach keine Zeit bleibt? Oder wird es einfach nur seltsam und langweilig? Die Anreise am Donnerstag gestaltet sich gleich schon mal ungewöhnlich entspannt – nachdem wir zwischen den Tagen in Berlin und denen in Leipzig eine Pause in Wittenberg eingelegt haben, können wir da einfach in die richtige S-Bahn steigen und direkt bis zum Bayrischen Bahnhof durchfahren.
20240519_134533-1030x579Nachdem die WG dann auch bald wieder vollzählig und das Organisatorische erledigt ist, begleite ich torshammare zur Moritzbastei. Etwas merkwürdig fühlt es sich schon an, wenn man so gar kein Bändchen abzuholen hat, und zumindest oben auf der Terrasse ist auch noch nicht wirklich viel los. Wir gehen erst mal zum Bahnhof und schauen uns da die Steampunk-Ausstellung an. Models und Fotografen haben hier mehr oder weniger berühmte Gemälde im Steampunk-Stil nachgestellt, was durchaus interessant und teilweise auch sehr witzig gemacht ist. Als wir danach zur Moritzbastei zurücklaufen, scheint uns die Innenstadt schon deutlich schwärzer geprägt, und auch auf der Terrasse ist mehr los. Eine Freundin hat mir getextet, dass sie auf dem Weg sind, und torshammare leistet netterweise erst mir und dann uns noch Gesellschaft. Wir trinken noch was, es gibt einiges zu erzählen, wenn man sich seit dem Amphi nicht mehr gesehen hat, aber dann wird es kalt, die anderen gehen nach unten – und ich gehe dann halt mal nach Hause. Schon irgendwie blöd so.

 ~ Freitag ~
Dank etwas umständlicher Geldautomatensuche und den üblichen Leipziger Freitags-Funklöchern sind wir mal wieder zu spät auf dem Weg zum Picknick, und dann fängt es unterwegs auch noch zu tröpfeln an. Aber zumindest ist es dadurch mal nicht ganz so warm, das ist ja auch was wert. Im Park ist die Überfüllung wieder auf Vor-Corona-Stand angekommen, und der Anteil an Touristen und Fotografen auch. Wir finden aber doch ziemlich schnell die Freunde, mit denen wir verabredet sind, lehnen die angebotenen Tortensärge dankend ab (die sind doch etwas sehr süß …), trinken was und ignorieren das etwas zu bunte Tohuwabohu weitgehend. Ann_Leichenwagen-FrDann kommt unausweichlich der Moment, wo wir langsam mal müssen würden – und verbringen ungefähr eine Stunde damit, in der Schlange anzustehen. Das erweist sich allerdings dank netter Mit-Wartender als unterhaltsamer als erwartet. Gemeinsam müssen müssen verbindet doch ungemein. Nachdem wir endlich durch sind, sind die meisten anderen aus unserer Gruppe schon wieder weg. Wir überlegen, ob wir im Park noch was trinken … – nee, nicht dass wir dann am Ende nochmal müssen! Lieber suchen wir uns in der Innenstadt eine Bar oder so. Der Weg dahin dauert allerdings ein bisschen länger, weil wir unterwegs erstmal noch einige am Straßenrand geparkte Wagen von der Leichenwagen-Prozession ausführlich bewundern. Am Markt angekommen fällt uns auf, dass wir eigentlich auch mal was essen sollten, und bis wir damit fertig sind, ist es ganz schön spät geworden. Eigentlich hätte ich noch nach Plagwitz gewollt, zu einem Vortrag über Friedhöfe in aller Welt, aber als wir aus dem Restaurant kommen, hätte der schon gerade angefangen.
Wir bummeln also noch etwas durch die Fußgängerzone und werden dabei tatsächlich von einer Touristin angesprochen und gefragt, „ob denn hier grade irgendetwas Besonderes los ist, dass alle so spezielle Kleidung tragen?” Wir erklären höflich, wundern uns danach aber doch etwas, ob man es tatsächlich noch schaffen kann, zufällig an Pfingsten nach Leipzig zu fahren, ohne jemals irgendwo was vom WGT gehört oder gelesen zu haben? Es hängen doch etliche Hinweise auf diverse Begleitaktionen an so ziemlich jeder Plakatwand. Sabine-SargkuchenUnd wenn ja, denkt man dann, in Leipzig gibt es immer Kuchensärge und kohlschwarzes Eis, schwarzdekorierte Schaufenster und Gothic-affine Ausstellungen im Bahnhof, das ist hier einfach so üblich? Zugegeben, die Vorstellung hat was.
Schließlich verabschieden sich die Freund*innen in diverse Richtungen, und wir schauen uns ein wenig auf der „Dark Affair” am Wilhelm-Leuschner-Platz um. Ins Marktzelt gehen wir nicht, das heben wir uns noch auf. Hunger haben wir jetzt natürlich auch nicht, insofern kann der Street Food Market nur optisch bewertet werden, Ergebnis: interessant. Inzwischen ist die Band auf der Bühne mit dem Line Check fertig. Es ist auch gar nicht mal so wenig Publikum anwesend – deutlich gemischter zusammengesetzt als an den offiziellen WGT-Spielorten natürlich, aber an Enthusiasmus mangelt es schon mal nicht. Nach einer angemessenen Ankleidepause beginnen die Jungs von Wolfstavar ihr Set mit einem recht, äh, interessanten Intro, und nach dem ersten Song will ich dann doch lieber nach Hause gehen. Diese Art von Pagan-/Folkmetal ist mir ein bisschen zu sehr 2004.

Hier geht es zum WGT-Samstag.

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