Vor einiger Zeit bin ich mit der Straßenbahn über gut bekannte Münchner Straßen vom Sendlinger Tor Platz nach Giesing und weiter Richtung Schwanseestraße gefahren. Mein Ziel war die Endstation im Südosten von München: der Friedhof am Perlacher Forst. Dieser wurde Ende der 1920er Jahre als dringend nötige Erweiterung zum Ostfriedhof (s.a. Bericht 2015) von Stadtbaurat Hermann Leitenstorfer (Wikipedia) geplant. Leitenstorfer war der Nachfolger von Hans Grässel und erbaute als Leiter des Hochbauamtes ab 1928 auch das Technische Hochhaus an der Blumenstraße.

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Das fast 30 Hektar große Gelände der Nekropole wurde im Laufe der Jahre von der Justizvollzugsanstalt Stadelheim und der Wohnanlage für die amerikanischen Streitkräfte am Perlacher Forst (damals die sogenannte Ami-Siedlung – heute mit neuer Bebauung) eingeengt und konnte dadurch nicht auf die geplanten 100 Hektar anwachsen, die in den Perlacher Forst übergehen sollten (das erklärt auch den Namen des Friedhofs). Am 1. Februar 1931 wurde vorzeitig eröffnet, allerdings war da noch keine ruhige Stätte vorhanden, es war noch viel zu viel Bautätigkeit angesagt, aber die fehlenden Grabstätten waren dringend erforderlich. Dies liegt lange zurück, heute macht das Gelände einen sehr würdevollen Eindruck, und die langen Alleen mit dem hochgewachsenen Baumbestand zeugen von Alter und sind beeindruckend.

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Friedhöfe sind auch immer wieder ein Ausdruck von Historie. Traurige Geschichte spiegelt sich hier aufgrund der Nähe zur Justizvollzugsanstalt wieder: Während des NS-Regimes zwischen 1933 und 1945 wurden viele Verurteilte auf dem Friedhof am Perlacher Forst beigesetzt, zum Beispiel die Mitglieder der „Weißen Rose“ (Phoebe hat darüber bereits eindrucksvoll berichtet).

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KZ-Ehrenhain I

Der KZ-Ehrenhain ist auch mit großer Traurigkeit verbunden: In den Kellerräumen des Krematoriums im Ostfriedhof fand man am Ende des Zweiten Weltkriegs sehr viele Urnen, sie stammten aus unterschiedlichen Konzentrationslagern und Euthanasie-Anstalten. Dafür wurde der Ehrenhain I 1950 nach Entwürfen des Baureferats-Hochbau installiert. Hier sind unter 44 Platten in einem Lindenhain 3996 Urnen beigesetzt (Gräberfeld 58 mit 61). Auf dem Boden des dazwischen liegenden Brunnens befindet sich ein Mosaik, das das Tor zum Jenseits mit dem immer noch gut sichtbaren Stern der Hoffnung darstellt (von Karl Knappe).

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Der KZ-Ehrenhain II (Gräberfeld 77) stammt aus dem Jahr 1954. Hierher wurden 94 Tote überführt, die aus politischen Gründen im Gefängnis Stadelheim ihr Leben lassen mussten.
Auf der Displaced Persons Grabanlage (DP – Gräberfeld 88) befinden sich 1122 Tote aus 12 Nationen aus der dunklen Zeit. Dies waren zwangsverpflichtete Arbeitskräfte, deren Überreste in anonymen Reihengräbern auf verschiedenen Münchner Friedhöfen gefunden wurden. 1960 wurden die Geknechteten zusammen im Gräberfeld 88 beigesetzt.
Im Angesicht dieser Unmenschlichkeit überfiel mich Wut, Ärger, aber auch Angst und Entschlossenheit: Solche Umstände dürfen nie wieder eintreten!

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Es sind aber auch andere Grabdenkmäler auf dem Gelände zu finden: kunstvoll und liebevoll entworfen und gestaltet. Manchmal verbergen sich sicherlich dahinter auch Geschichte und Geschichten wie zum Beispiel bei der Grabstätte des früheren Ministerpräsidenten von Bayern und dem sogenannten „Vater der Verfassung des Freistaates Bayerns“ Wilhelm Hoegner (Wikipedia) oder auch Tragödien wie bei der Ruhestätte von Stephan Beckenbauer (Wikipedia).

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Auf meinem Rückweg zum Ausgang komme ich wieder an der aus Tuffstein gebauten Aussegnungshalle vorbei. Diese hat eine Höhe von 35 Metern und übersteigt damit den Kuppelbau am Ostfriedhof. Von der Bauweise ist sie allerdings schlichter als ihr Konkurrent und leider (wie an einem Sonntag zu erwarten) verschlossen.

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Die Nähe zum Perlacher Forst ist aufgrund der Mauern, Wachtürme, der weiteren Bebauung im Außenbereich und der Durchschneidung durch den entfernt liegenden Mc-Graw-Graben bzw. der Europastraße aufgehoben. Trotzdem oder gerade deswegen hat der Friedhof eine ruhige, parkähnliche Ausstrahlung. Der herrliche Baumbestand und die zahlreichen Vögel und Eichkätzchen unterstreichen dies auch noch (es lohnt sich Nüsse oder Ähnliches dabei zu haben). Interessant fand ich auch die Informationstafeln zur Saatkrähe, die einem immer wieder begegnen. Flora, Fauna und Ruhestätte bilden wieder mal eine Symbiose.

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Mein Rundgang über den Friedhof am Perlacher Forst war angefüllt mit Schönem und Traurigem, aber die ruhige Umgebung verleitet einen auch zum Nachdenken und Durchatmen, etwas, das einem oftmals nur auf solchen Ruhestätten wiederfährt.

Unterstützung bei der Recherche und weitere Infos zum Friedhof am Perlacher Forst über muenchen.de

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