Für immer Punk – Part 4/4

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Immortal Bar, Bangkok

Typhoon, den wir in der Mohawk Bar kennengelernt hatten, hat uns sein Kommen schon angekündigt, und so machen wir uns mit dem Taxi auf zur Immortal Bar. Nicht weil wir so dekadent sind, sondern weil das der einfachste und zugleich billigste Weg ist. Dort angekommen sehen wir ihn gerade noch mit zu Spikes gestylten Haaren in den 7Eleven ums Eck reinstolpern, also lauern wir ihm erst auf und holen uns dann auch noch ein Kaltgetränk. Vor der Immortal Bar treffen wir auf seine Freunde von der Band Chaos Of Society. Die Jungs haben schicke bunte Irokesenhaarschnitte, keine Ahnung wie das bei der Luftfeuchtigkeit hier hält. Überhaupt ist gutes Styling wichtig, mit ihren Nietenwesten sehen sie aus, wie man sich gute Punks eben vorstellt. Typhoon trägt sogar eine Lederjacke trotz der Wärme, wir haben nachts noch ca. 28° Celsius.
20181117_200323Wir trinken zusammen draußen aus, leider können die anderen Thais nicht wirklich Englisch und sind uns gegenüber etwas schüchtern. Aber anstoßen klappt dafür prima. Dann geht es hinein in die Immortal Bar, normalerweise Hauptquartier der örtlichen Metal-Szene. Ein Bier gibt es zum Eintritt dazu, und da im Konzertraum noch nichts los ist, setzen wir uns nach nebenan in die überdachte Open Air Lounge. Irgendwann beginnt die erste Band Strive For Nothing, die mich aber trotz aller Bemühungen vom Sänger nicht vom Hocker haut. Die folgenden Murder Bizkitz sind dagegen flott unterwegs, und mit ihrer Version von Hardcore kommt Bewegung in die insgesamt etwa IMG_6055fünfzig Gäste, unter denen viele hier lebende Ausländer sind. Nun bauen Chaos of Society endlich auf, und dann geht es richtig ab, die anwesenden Punks sind fleißig am Pogo tanzen. Typhoon und ein anderer Punk teilen sich immer mal wieder das Mikrofon mit dem Sänger. Hinterher beglückwünschen wir die Jungs zu einem gelungenen Auftritt, sogar die Frisuren haben gehalten.
In der Pause lernen wir weitere „friends from Germany“ kennen, eine Frau aus Estland und ein Israeli, die in Berlin in der Köpi 137 leben, eine Frau aus Indonesien, die nach einem Jahr dort visumstechnisch Deutschland wieder verlassen musste und derzeit ironischerweise auf den Cayman-Inseln arbeitet, wo Deutschlands Superreiche ihre Geheimkonten haben, und ein weiterer Freund aus Israel. Die vier sind mehrere Monate unterwegs und werden als nächstes die Punkszene in Myanmar besuchen. So entwickelt sich ein interessanter multinationaler Abend, bei dem die weiteren Bands fast zu einem Hintergrundrauschen verkommen, vor allem The Die Hards. Wir bekommen wertvolle Tipps zur Punkszene in Indonesien und erfahren, was in Tel Aviv so abgeht. „But as a Punk it’s better to live in Germany“, weil es auch im liberaleren Tel Aviv immer wieder Probleme mit den ultraorthodoxen Juden gibt. Irgendwann gibt es nur noch die teureren kleineren BierflaschenIMG_6066, die Bar wurde quasi leergesoffen. Chaos of Society schaffen es aber irgendwie, eine ganze Tüte voll Bier einzuschmuggeln. Punks sind eben auch in Thailand notorisch knapp bei Kasse. Von den weiteren Bands hinterlässt nur Face Melting bei mir einen guten bleibenden Eindruck, und der Sänger der letzten Band Killing Fields, denn er vermag es zum Thrash Metal abwechselnd tiefe Growls ins Mikro zu rülpsen und Black-Metal-mäßig zu kreischen, ohne sich die Stimmbänder zu zerfetzen. Ein Kommentar zum Klo darf natürlich auch hier nicht fehlen, aber das war tatsächlich einfach eine Club-Toilette, nicht mehr und nicht weniger.
Mit dem Taxi geht es zurück zur Khao San Area, während Typhoon sein Bike nimmt, wo wir uns in einer etwas ruhigeren Seitenstraße auf einer Verkehrsinsel niederlassen. Typhoon weiß, wo man hier noch nachts außer in den Bars Bier bekommt (7Eleven darf ab 23:00 Uhr keinen Alkohol mehr verkaufen) und fährt noch mal schnell mit dem Motorrad los. Dann klemmt er sein Handy an einen Lautsprecher an und spielt dank YouTube den DJ, vor allem Crust Punk hat es ihm angetan. Um uns herum sind hier vor allem rotzbesoffene Thais (Jungs wie Mädels), die nach Hause torkeln. In den letzten Jahren haben auch die Thais Khao San als Ausgehmeile entdeckt und lassen hier, losgelöst von den sonst üblichen gesellschaftlichen Zwängen, die Sau raus. Ich bin mir nicht sicher, ob das eine positive Entwicklung ist. Aber auch sonst im Stadtbild sind uns viel mehr Tätowierungen aufgefallen, vor allem bei den Frauen und das auch dauerhaft sichtbar auf Hals und Händen. Vor wenigen Jahren war das noch undenkbar, hier scheint sich also etwas zu bewegen. Miss Indonesien legt sich irgendwann einfach hin und sc46439199_10217088395020011_6234809938326061056_nhläft, eine beeindruckende Eigenschaft von Asiaten, die ich schon öfters beobachtet habe: Egal wo, egal wann und in jeder unmöglichen Pose schlafen können. Gegen halb drei in der Früh streichen auch wir die Segel, mittlerweile schon heute geht ja auch unser Rückflug. Zum Abschluss schnappe ich mir Typhoons Handy, um noch einen Song aufzulegen. „This is a German classic.“ erkläre ich ihm und spiele „Für immer Punk“ von Die Goldenen Zitronen. Schon bei den ersten Takten lacht er und denkt, ich will ihn verarschen. „This is ‚Forever young‘!“ Ja fast, dann wacht Miss Indonesien wieder auf und singt zusammen mit Miss Estland und uns mit. Klar, die kennen das aus der Köpi 137. Ich kläre Typhoon auf über den Text, und er feiert das voll ab. Noch in der Nacht wird er später bei Facebook posten: „Forever young! Forever Punk! And I’m drunk!“ Wir verabschieden uns endgültig von allen, und dann steht Typhoon plötzlich auf und umarmt uns zum Abschied ganz herzlich. Nun ist uns das schon wieder passiert, und glücklich und wehmütig zugleich treten wir den Heimweg an.

Wir haben eigentlich nur Urlaub machen wollen, und haben ganz nebenbei tolle Menschen kennengelernt. Der Besuch in Hamburg ist schon geplant, und beim nächsten Berlin-Trip werden wir natürlich in der Köpi 137 vorbeischauen. Nach Thailand werden wir es aus organisatorischen Gründen wohl erst in zwei oder drei Jahren wieder schaffen, und in der Zeit kann natürlich viel passieren. Hoffen wir das Beste, aber es heißt ja, man trifft sich immer zweimal im Leben.

https://www.facebook.com/ImmortalBarThailand/
Adresse: 6 Bun Chu Si Alley, Samsen Nai, Phaya Thai, Bangkok 10400, Thailand

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