Danzig – Darmstadt – Dallas – Düsterbusch

146_27018_166455[1]Der Leser erfährt aus der Ich-Perspektive der Hauptfigur Anton Kummer, wie er in dem kleinen Kaff Düsterbusch aufwächst. Durch viele kleine Geschichten baut sich langsam sein Werdegang auf, und man kann sehr gut miterleben, wie Anton zu dem jungen Mann heranreift, der keine Lust hat, sich linientreu der Parteiführung anzupassen und den kleinbürgerlichen Mief auf dem Dorf und der DDR überhaupt zu ertragen. Schon früh lernt er Existentialisten und Hippies kennen, die die staatlichen Obrigkeiten ablehnen, was ihn nachhaltig beeinflusst. Immer wieder hat er Ärger in der Schule, Ärger bei der Lehrstelle und Ärger auf der Arbeit. Das einzige, was ihn wirklich interessiert, ist Westmusik, die ihn die Freiheit spüren lässt, die ihm im täglichen Leben fehlt.

Als er das Station to Station Album von David Bowie in die Finger bekommt, ist es endgültig um ihn geschehen, und er träumt davon, einen Club nach dem Vorbild des legendären Londoner Blitz zu eröffnen, der Düsterbusch zu einer internationalen Metropole wachsen lassen soll: Danzig – Darmstadt – Dallas – Düsterbusch. Als die jahrelang geschlossene Dorfkneipe wiedereröffnet wird, bekommt er eine Chance und organisiert eine Party, auf der sogar eine Punk Band spielt. Natürlich haben weder Anton noch die Band eine Genehmigung, und so wird die Party von der Polizei aufgelöst.
Um das System auszutricksen, beschließen er und seine Freunde einen FDJ-Verein zu gründen, um den Veranstaltungen einen offiziellen Charakter zu geben und so die nötigen Genehmigungen erhalten zu können. Und das Konzept scheint aufzugehen: „Es ging jetzt Schlag auf Schlag. Petticoat-Röcke wechselten mit Anzügen, Popperlocken mit verschnittenen Iros, Glatzen mit Schmalztollen, schwarze Nylons mit quietschgrünen Lederhosen und Doc-Martens-Stiefel mit Grufti-Schnabeltretern. Als hätte sich halb London nach Düsterbusch aufgemacht. Dabei kamen die alle aus Cottbus … Aber ich wusste: Das war der Auftakt zu etwas Größerem.“ Wird Anton damit Recht behalten oder wird sein Traum ebenso platzen wie die DDR letztendlich auseinanderfiel?

Das Buch ist passenderweise mit den drei Farben Schwarz, Weiß und Rot ganz im Stil des New Wave gehalten und zeigt den jungen Protagonisten Anton im schwarzen Anzug, weißem Hemd und weißen Socken vor einem roten Discostrahler. Dieser kann auch als japanische Sonne interpretiert werden, ein ebenso beliebtes Motiv im Punk wie die aus Papier ausgeschnittene Silhouette Antons, sodass das Cover authentisch aus der Zeit der Handlung zu stammen scheint. Dazu passt auch die angeraute Oberfläche, die mit einer leichten Rauigkeit eine sehr angenehme Haptik besitzt. Es lohnt sich also ein richtiges Buchexemplar anzufassen.

Fazit: Düsterbusch City Lights ist ein Roman, der den Leser einfühlsam und detailreich in die DDR der 80er Jahre entführt. Ohne selbst dort aufgewachsen zu sein, kann man die Gefühle und Handlungen der Protagonisten daher trotzdem sehr gut nachvollziehen. Dass alles sehr authentisch rüberkommt hat einen Grund – die Rahmenhandlung entstammt tatsächlich aus den persönlichen Erlebnissen des Autors Alexander Kühne, der zusammen mit Freunden Punk und New Wave Partys sowie Konzerte organisierte, u. a. mit WK13, Sandow und der West-Band The Waltons, wie die Internet-Recherche ergeben hat. Ich wünschte, ich wäre dabei gewesen!

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Alexander Kühne – Düsterbusch City Lights
Heyne Hardcore, 29.02.2016
Taschenbuch, 384 Seiten
14,99 €, als Ebook 11,99 €, erhältlich über buecher.de
Homepage: randomhouse.de/verlag/heyne-hardcore/30800.rhd

 

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