Gothic Pogo

Aus dem französischen Nantes stammt die Band Bleakness, die sich 2016 gegründet hat und mittlerweile nach Lyon umgesiedelt ist. Sie treten in klassischer Dreier-Besetzung an mit Drummer Jake, Bassist Phab sowie Sänger und Gitarrist Nico. Alle haben zuvor schon Erfahrung in anderen Bands gesammelt, und nach einigen EPs in der Vergangenheit ist Functionally instinct ihr offizielles Debütalbum, das nun bei Icy Cold Records erschienen ist. Der Pressetext verrät, dass die drei ihre Version von Punk als Ventil für die Frustration über die politischen Zustände in Frankreich nutzen, was zunächst wenig überraschend ist. Dass dabei aber punkuntypisch melancholische Melodien integriert werden hingegen schon.

„The closing door“ eröffnet dem Titel zum Trotz das Album, und das mit düsterem Punkrock, bei dem das Gitarrenspiel einen Hang zum Gothic Rock und der Bass seine Wurzeln im Post Punk hat. Das setzt sich auch bei „Over and over“ fort, alles harmoniert bestens mit dem teilweise mehrstimmigen Gesang. Überhaupt ist der Gesang angenehm rau und düster, ohne eine vielleicht aufgesetzt wirkende Grabesstimme bemühen zu müssen. Zusätzlich kommt hier sogar ein Saxophon zum Einsatz. „Grand promises“ beginnt mit feinem Gothic Rock, zumindest solange bis der Gesang einsetzt. Mit einem leichten Einfluss von Cronos (Venom waren ja erst unlängst in München, Link zum Bericht) gehen Bleakness in eine ganz eigene Richtung. Alles zusammen führt zu „Towards the end“, das voll abgeht, und zu dem ich Gothic Pogo tanzen möchte. Bleakness machen da weiter, wo Joy Division zu ihren deutlich Punk-beeinflußten Ur-Zeiten unter dem Namen Warsaw aufgehört haben.
Das folgende „Persistent inadequacy“ startet mit einer tollen Drumsequenz, die durch eine flirrende Gothic Rock Gitarre ergänzt wird. Als schließlich der Gesang einsetzt, weckt das Erinnerungen an die Heroes Del Silencio. Auch „Anxiety“ ist exzellenter angepisst klingender Punkrock, bei dem das schöne Bassspiel und vor allem die Gitarre das i-Tüpfelchen ist. Deren Einfluss von Gothic Rock ist mächtig und faszinierend. Mit ähnlichen Zutaten agiert auch „Ruined trajectory“, das dem Vorgänger in nichts nachsteht. 1, 2, 3, 4 und ab geht’s zu „Irrational needs“, das geschwindigkeitsmäßig noch eine Schippe drauflegt, und irgendwas in der Gesangsmelodie erinnert mich beim Refrain unerwarteterweise an Metallica („Welcome Home (Sanitarium)“). „Dead words“ lässt es dafür etwas ruhiger angehen und nähert sich dem Post Punk etwas mehr an, ebenso wie das abschließende „Ghost eyes“, trotz des definitiv erhöhten Energie-Levels.

Fazit: Manchmal muss man ein Album ein paar Mal hören, bevor sich einem der Zugang dazu richtig entfaltet. Es gibt aber auch diese Momente, in denen die Musik einen sofort abholt, und das ist hier der Fall. Functionally instinct rockt auf der einen Seite und besitzt eine eigenständige, rohe Energie. Gleichzeitig lässt es einen auf der anderen Seite entspannen und die Zeit vergessen, auch wenn das zunächst widersprüchlich klingt. Möglich macht das die Kombation aus Punkrock, Post Punk und Gothic Rock, die mir so auch noch nicht untergekommen ist, die ich aber in der vorliegenden Form einfach großartig finde. Bleakness, die erste Entdeckung des Jahres.

Anspieltipps: Towards the end, Anxiety

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

Bleakness: Functionally instinct
Icy Cold Records, Vö. 06.12.2019
MP3 gegen Spende (nicht knausern!) erhältlich über Bandcamp
CD 8,00 € erhältlich über Icy Cold Records
LP 13,00 € erhältlich über Sabotage Records
Homepage: https://www.facebook.com/Bleaknesspunk/
https://www.facebook.com/icycoldrecords/
https://icycoldrecords.bandcamp.com/music

Tracklist:
01 The closing door
02 Over and over
03 Grand promises
04 Towards the end
05 Persistent inadequacy
06 Anxiety
07 Ruined trajectory
08 Irrational needs
09 Dead words
10 Ghost eyes

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