Infernalischer Jahresausklang
Wie könnte man die Zeit zwischen Weihnachten und Silvester besser füllen als mit lauter Musik? Das hat sich auch das Münchner Backstage gedacht und in die Tonhalle zu einem Mini-Festival mit dem schönen Titel „Lucifer Rising“ geladen. Ab 18.30 Uhr sorgen dort gleich fünf infernalische Bands für einen Jahresausklang, der sich sehen und vor allem hören lassen kann, und so pilgern wir in einer viel zu lauen Winternacht über den totsanierten Ex-Kunstpark, um ein letztes Mal in diesem Jahr die Haare zu schütteln.
Deathrite, die den langen Konzertabend eröffnen, haben wir vom diesjährigen Sick Midsummer in Österreich noch sehr gut in Erinnerung: im Juli haben uns die Dresdener auf dem Bäckerberg mit ihrer launigen Mischung aus Grind, Oldschool-Death und Thrash ordentlich eingeheizt. Doch die nächste halbe Stunde wird leider eine Enttäuschung, denn Deathrite scheinen gedanklich schon auf der anstehenden Silvesterparty zu sein. Der Sound, viel zu tief und arg dröhnig abgemischt, tut sein Übriges dazu, jede alle Feinheiten in der Musik unter den akustischen Teppich zu kehren, und so sind wir nach einer halben Stunde eher froh, als die Jungs wieder von der Bühne gehen. Die zwischendurch aufblitzenden, richtig schönen Oldschool-Death-Momente zeigen, dass da heute mehr drin gewesen wäre. Deathrite, wir wissen, dass ihr das besser könnt, und freuen uns daher einfach auf euer nächstes Konzert – dann sicher wieder in gewohnter Form!
Act Nummer zwei sind Wiegedood, und ich bin mehr als gespannt, denn die drei Belgier sind meine Sommer-Entdeckung 2019. Harter, rasender Black Metal, gespielt nach allen Regeln der Kunst und mit einem Hauch Melancholie und einer Tonne Atmosphäre; lies: genau meine Kragenweite. Live lassen Wim Sreppoc (Drums), Gilles Demolder (Gitarre) und Sänger und Gitarrist Levy Seynaeve in der folgenden halben Stunde wenig Wüsche offen: Gegeben werden vier der (teilweise überlangen) Songs der letzten beiden Alben, Die doden hebben het goed II beziehungsweise III, beginnend mit den jeweiligen Openern „Ontzieling“ und „Prowl“, die nahtlos ineinander übergehen und eine wahrlich infernalische Soundwand bilden. Beeindruckend ist Levys Wechsel zwischen hohem Black-Metal-Gekreische und dem tiefen, monotonen Gesangspassagen, die vor allem bei „De doden hebben het goed II“, dem Titelsong des zweiten Albums, zum Einsatz kommen. „Parool“, der Rausschmeißer vom aktuellen Album, ist auch der letzte Song des Konzerts und endet live genauso abrupt wie auf der Platte: Musik aus, Licht aus, Konzert zu Ende – ein harsches Erwachen, nachdem wir uns zwei Minuten lang in Trance genickt haben. Ich bin mehr als zufrieden mit dieser Darbietung und freue mich aufs nächste Wiegedood-Konzert, dann hoffentlich mit mehr Spielzeit!
Mitternacht ist an diesem Abend schon um 20 Uhr, als Midnight überpünktlich die Bühne in der Tonhalle entern. Auf die sind wir besonders gespannt, denn auf dem Dark Easter Metal Meeting 2019 traten die Herrschaften tatsächlich um Mitternacht in der gesteckt vollen Backstage Halle auf, sodass wir die US-Dampfwalze an diesem Abend sausen lassen mussten (das Osterkonzert gibt es in voller Länge auf YouTube). Was uns damals aus der Halle entgegendröhnte, hat uns jedoch mächtig gefallen: Motörhead-Galopp mit rauen Black-Metal-Vocals, dreckig, schnell und launig. Mit diesem Rezept ist Bandgründer und einziges Mitglied Jamie „Athenar“ Walters seit 2003 unterwegs, live inzwischen unterstützt von Drummer SS und Gitarrist Commander Vanik, alle verborgen unter schwarzen Kapuzen. Die Musikmischung zündet auch an diesem Abend sofort: Das erstaunlich textsichere Publikum fängt bei den ersten Akkorden von „Vomit queens“ sofort an, die Tonhalle in ein Inferno zu verwandeln, und hört nicht damit auf, bis die letzten Takte von „Unholy and rotten“ verklungen sind. Dazwischen hauen Midnight in rasender Schnelle und ohne großes Gewese einen Gassenhauer nach dem nächsten raus: „Poison trash“, „Satanic royalty“, „Rebirth by blasphemy“, das mit grandiosen Mitsing-Passagen für ordentlich Heiserkeit am nächsten Tag gesorgt haben dürfte, „Violence on violence“ und „You can’t stop steel“ sind nur ein paar Highlights dieses Konzerts, das wie ein Orkan durch die Tonhalle fegt und den Security-Schränken im Graben ordentlich Arbeit beschert.
Wer danach noch steht, bekommt eine Schwarze Messe par excellence serviert, denn das Black-Metal-Urgestein Dark Funeral gibt sich die Ehre. Seit 2014 sind die Schweden mit dem neuen Sänger Heljarmadr unterwegs, dessen stimmliche Reichweite wirklich beeindruckend ist: das knarzige Gebell in den Strophen peitscht einem die Gehörgänge, die knurrigen Überleitungen zum Refrain, die hohen Schreie, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen – bei „Unchain my soul“ vom aktuellen Album Where shadows forever reign, mit dem Dark Funeral das Konzert eröffnen, kann Heljarmadr zeigen, was er kann. Aber auch bei den Klassikern macht er eine mehr als gute Figur: Als in der Mitte des Sets, nach „The arrival of Satans empire“ und „Temple of Ahriman“, eine Reise ins Jahr 1996 angekündigt wird, kreischt uns der „Neue“ „The secrets oft he Black Arts“ in die Gehörgänge, als hätte er den Song selbst geschrieben. Noch weiter zurück geht es nach „As I ascend“ vom aktuellen Album dann mit „Open the gates“, erstmals zu hören auf der Demo von 1994, ehe wir uns über „My funeral“ wieder zurück in die Gegenwart arbeiten. Die Stimmung ist hervorragend und die Luft sehr haarig, als Dark Funeral zum finalen Schlag ausholen: „Nail them to the cross“ und „Where shadows forever reign“ beschließen die höllische Raserei, in die uns die Schweden in der letzten Stunde versetzt haben. Zusammen mit Wiegedood für mich das Highlight dieses Abends – ich freue mich aufs nächste Album, das in diesem Jahr hoffentlich das Licht der Welt erblicken wird!
Venom aus dem schönen Newcastle im Norden Englands zünden gleich zu Beginn ein Feuerwerk, und das in mehr als nur einer Hinsicht: die Headliner starten mit ihrem bekanntesten Song „Black Metal“ in den Abend und fahren danach fort, systematisch die ersten Reihen zu rösten, denn immer wieder schießen Flammensäulen und Feuerbälle nach oben, und spätestens bei „100 miles to Hell“ und „Bloodlust“ hat sich der unverkennbare Geruch von verbrannten Haaren in der gesamten Halle ausgebreitet. Die Herren um Sänger, Bassist und Bandgründer Cronos sind extrem gut gelaunt und sehr spielfreudig, vor allem, als sie nach „Bring out your dead“ und „The death of Rock‘n’Roll“ dazu kommen, ein paar ältere Songs „für die alten Bastarde unter euch“ (Cronos)zu spielen: „Don’t burn the witch“ zündet allerdings auch bei dem wesentlich jüngeren Teil des altersmäßig gut durchgemischten Publikums, und so wird auch die „Countess Bathory“ genauso vielkehlig abgefeiert wie die etwas neueren Stücke „Pedal to the metal“ und „Long-haired punks“. Überhaupt lässt die Mischung, die uns Venom kredenzen, kaum Wünsche offen, während sich Cronos, Rage (Gitarre) und Danté (Schlagwerk) vorwärts, rückwärts und seitwärts durch sage und schreibe vierzig Jahre Bandgeschichte arbeiten. Wann immer gerade nichts brennt und die Band eine kleine Pause zwischen den Stücken macht, fordert das Publikum mit lauten „Venom! Venom!“-Sprechchören einen Nachschlag. Und die Engländer liefern: „Suffering dictates“, „Dark night of the soul“, „The evil one“ und schließlich „Warhead“, der vorletzte Song dieses Festivals. Natürlich lassen sich Venom nicht lange zur Zugabe bitten, und so dürfen wir nach „In league with Satan“ mit neuem Volumen im Haar nach Hause gehen.
Wer immer die Idee zu diesem kleinen, aber feinen Festival hatte, verdient unseren Dank. Es war ein grandioser Abend (nach einem etwas zähen Fehlstart) mit gewohnt reibungslosem Ablauf, grandiosem Publikum, das scheinbar aus ganz Süddeutschland angereist ist, und vier absolut fantastischen Bands, der das „Feiertagsloch“ ganz hervorragend zu füllen verstand. Wir hoffen auf eine Wiederholung des Lucifer-Rising-Festivals in diesem Jahr!
Setliste Midnight:
Vomit queens
Poison trash
All Hail Hell
Satanic royalty
Rebirth by blasphemy
Lust filth and sleaze
Violence on violence
Prowling leather
Evil like a knife
You can’t stop steel
Unholy and rotten
Setliste Dark Funeral:
Unchain my soul
The arrival of Satan’s empire
Temple of Ahriman
The secrets of the black arts
As I ascend
Open the gates
My funeral
Nail them to the cross
Where shadows forever reign
Setliste Venom:
Black Metal
Bring out your dead
100 miles to Hell
Bloodlust
The death of Rock ’n‘ Roll
Long-haired punks
Pedal to the metal
Don’t burn the witch
In nomine Satanas
Welcome to Hell
Countess Bathory
Suffering dictates
Dark night (of the soul)
The evil one
Warhead
Zugabe:
In league with Satan
Bilder: torshammare
(9212)
Trackbacks & Pingbacks
[…] Gesang einsetzt. Mit einem leichten Einfluss von Cronos (Venom waren ja erst unlängst in München, Link zum Bericht) gehen Bleakness in eine ganz eigene Richtung. Alles zusammen führt zu „Towards the […]
Kommentare sind deaktiviert.