Goth Pop for sad bastards

Vision-VideoVision Video ist eine amerikanische Band aus Athens, Georgia, und besteht aus Sänger und Gitarrist Dusty Gannon, Emily Fredlock am Keyboard, Bassist Dan Geller und Jadon Fusco, Drums. Nach mehreren digitalen Singles haben sie nun mit Inked in red ihr Debütalbum über Icy Cold Records veröffentlicht. Im kürzlich erschienenen Band-der-Woche-Interview (Link) hat Dusty die Musik selbst als „Goth Pop for sad bastards“ bezeichnet. Ja, da fühle ich mich doch durchaus irgendwie angesprochen. Grund genug für mich also, dem näher auf den Grund zu gehen.

Nach ein paar Takten von „In my side“ meine ich kurzzeitig den Gitarrenlauf zu „Love will tear us apart“ von Joy Division auszumachen, doch dann nimmt der Song eine ganz eigene Wendung. Wir bleiben zwar durchaus im Post Punk, jedoch besitzt die Spielweise von Vision Video viel tanzbare Energie. Auf „Comfort in the grave“ übernimmt Emily den Gesang, wodurch sich Vision Video in die Nähe der leider viel zu früh aufgelösten The Organ bewegen. Mit dieser Art von Melancholie lässt es sich in der letzten Ruhestätte sicherlich gut aushalten. Das fängt ja schon mal gut an, und gut geht es auch mit dem Titeltrack „Inked in red“ weiter, bei dem Dusty wieder in den Gesang einsteigt. Besonders fallen mir die energischen Drums auf, aber auch das Zusammenspiel zwischen Melodie und Schwermut ist toll. Goth Pop, ja das trifft es tatsächlich ganz gut. Auch das folgende „Static drone“ nimmt sich da nicht aus. Das Gitarrenspiel in „Sirens song“ erinnert mich latent an „Losing my religion“ von R.E.M., die rein zufällig auch aus Athens stammen. Doch wegen des Gesangs, vor allem beim Refrain, klingt der Song insgesamt stark nach den von mir verehrten War Tapes. I just love it.
„Organized murder“ startet mit unheimlichen Drone-Klängen, die vielleicht der Bass erzeugt, denn tieftönig geht es dann auch weiter zu. Dabei geht die Gesangsmelodie als Kontrast dazu auch in die höheren Lagen. Sehr cool ist der Echo-Effekt der zwei Stimmen. In „Broken fingers“ muss ich dem Titel zum Trotz die Gitarrenarbeit loben, und überhaupt höre ich den Einfluss von The Smiths heraus. Ich bin hin und weg. „Run“ wird mit filigranem Saitenspiel eröffnet und besticht dann durch die mehrstimmlichen Überlagerungen, die einen coolen Nachhalleffekt erzielen. Gleichzeitig steigert das die Dramatik. „Kandahar“ dagegen ist mehr rhythmusorientiert, bedient sich aber ansonsten ähnlicher Zutaten. Der letzte Song „Agent Orange“ ist für mich eine Zugabe und Überraschung zugleich, denn es ist sträflicherweise lange her, seit ich das Original aus dem Jahr 1979 der nur kurz existenten Ski Patrol gehört habe. Auch in der neuen und zeitgemäßer klingenden Version büßt der Song nichts von seiner ursprünglichen Magie ein: „Agent Orange – I’m on fire“.

Fazit: Anfangs beim ersten Eindruck empfand ich Inked in red etwas gleichförmig, und vielleicht sollte sich Emily öfter an den Gesang wagen für mehr Abwechslung. Doch darüber hinaus entdecke ich mit jedem Hördurchlauf neue Details, sodass die Scheibe stetig an Tiefe gewinnt. Offensichtlich bin ich tatsächlich ein „sad bastard“, denn diese Art von Goth Pop, mit Einflüssen von The Cure, New Order und Siouxsie and the Banshees neben den bereits im Text genannten, ist genau mein Ding. Ich mag es unheimlich, wie die Songs auf Inked in red ihre Melancholie entfalten und dabei trotzdem Energie besitzen und tanzbar bleiben. Denn auch und gerade, wenn man traurig ist, kann man tanzen und sich den Gefühlen hingeben.

Anspieltipps: Comfort in the grave, Sirens song, Agent Orange

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:

Vision Video: Inked in red
Icy Cold Records, Vö. 16.04.2021
MP3 7,00 $ erhältlich über Bandcamp
CD 13,00 €, LP 18 € erhältlich über Icy Cold Records

Homepage: https://visionvideoband.com/
https://de-de.facebook.com/visionvideoband/
https://www.instagram.com/VisionVideoBand/
https://www.facebook.com/icycoldrecords/
https://icycoldrecords.bandcamp.com/music

Tracklist:
01 In my side
02 Comfort in the grave
03 Inked in red
04 Static drone
05 Sirens song
06 Organized murder
07 Broken fingers
08 Run
09 Kandahar
10 Agent Orange

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