Wer ist Sjöblom?

cover[1]Nach zehn Jahren, mittlerweile vier regulär veröffentlichten Alben und einem bislang nur digital erschienenen Live-Album mit seiner Band The Exploding Boy legt Sänger und Songwriter Johan Sjöblom ein Soloalbum vor mit Songs, für die im Rahmen der Band kein Platz ist, oder die vielleicht auch gar nicht erst für die Band bestimmt waren. Ich liebe den Sound von The Exploding Boy, die für mich eine der besten Bands im weiten Feld des Post Punk Revivals sind. Insofern bin ich sehr gespannt, wie das hier vorliegende Album klingt, das als sechstes Album von Johan schlicht 6 heißt, wie schon das vierte Album von The Exploding Boy einfach FOUR hieß. Wer wie ich eine der hübschen Digipack-Ausgaben erwischen möchte, muss sich beeilen, denn diese sind auf nur 500 Stück limitiert. Dafür habe ich den Eindruck, dass Johan die CD selbst verpackt und von Hand adressiert hat. Das ist echt indie.

Der Opener „Enemies“ beginnt mit Synthieklängen, die mich ein bisschen an Deine Lakaien erinnern, doch im Refrain werde ich von getragenen Trompetenklängen überrascht. Der Song ist eingängig und zeigt zugleich, dass hier das Experimentierfeld von Johan eröffnet wird. „Oh my Heart“ besitzt einen schnellen treibenden Rhythmus und einen coolen Basslauf, der von The Cure inspiriert sein könnte. Komplettiert wird der Song durch 80er Jahre Keyboardklänge. Er wurde ebenso als Single ausgekoppelt wie das folgende „The Choice“, das zwar deutlich ruhiger angelegt, aber in seiner Wirkung dagegen nicht weniger intensiv ist: „I like it when it’s cold and dark“. Die Gitarren haben starke Nachhall-Effekte, und gerade hier habe ich das Gefühl, dass der Text sehr persönliche Geheimnisse offenbart. „The last Call“ ist trotz der vorherrschenden Melancholie vom Refrain her schon fast eingängig poppig, was im Kontrast zu Johans Stimme steht, die hier ungewohnte Tiefen auslotet. Die Keyboardklänge verbreiten dazu eine sehr dichte Atmosphäre.
„Not a Man for you“ ist vielleicht der eingängigste Song auf 6, obwohl Johans Gesang hier eine verzweifelte Note bekommt. Der gleichbleibende monotone Trommelrhythmus wirkt für sich betrachtet fast trancemässig. Das passt sehr gut zu der surrealen Situation am Ende, wenn sich Johans Stimme verändert, was den Wechsel der Perspektive in der Geschichte unterstreicht. Bei den ersten Takten von „The Loyal“ muss ich sofort wieder an The Cure denken, aber mit dem einsetzenden Gesang ändert sich der Charakter des Songs hin zu Indierock, passenderweise ist der Refrain der lauteste Moment des Albums. Auch „The Girl“ beginnt mit einem The Cure Basslauf und entwickelt sich dann zu einem Indierocksong. „Trains“ ist der letzte Track des Albums und beginnt sehr ruhig, sodass der Focus auf der Stimme Johans liegt. Er besticht durch die ausgefeilten Akustikgitarren, die mich in der zweiten Häfte, wenn der Song etwas schneller wird, sogar an den Hit „What’s up“ der 4 Non Blondes denken lassen.

Fazit:
Johan Sjöblom beantwortet die eingangs gestellte Frage und offenbart sich der Welt auf 6, wie er tatsächlich ist, pur und unverfälscht, nackt und verletztlich. Das kann gefährlich sein, das weiß auch Johan, und so trägt die CD den Aufdruck „Everything You Say Can Destroy You“. Dieses Album ist zu 100 % Sjöblom, hier kann er sich ohne nötige Band-Kompromisse alleine ausleben. Die schlichte Namensgebung ist also nur konsequent. Natürlich lassen sich dennoch Parallelen zu The Exploding Boy erkennen, wo er neben Lars Andersson zu den Hauptsongschreibern zählt. Aber auf 6 sind die Songs noch eingängiger, mehr Dark Indiepop als Postpunk, außerdem sind sie spürbar intimer und weisen auch New Wave Einflüsse auf. Es sind wunderbare Songs entstanden. Melancholie ist dabei die vorherrschende Grundstimmung, die sich zusammen mit Johans einzigartiger Stimme perfekt entfaltet. Fans von The Exploding Boy können blind zugreifen, und auch wer auf melancholischen Postpunk oder The Cure steht sollte unbedingt bei Bandcamp reinhören. Ich hoffe, dass Johan sein Soloalbum möglichst bald live präsentiert, am besten als Vorband von The Exploding Boy.

Anspieltipps: Alles – besonders Oh my Heart, The Choice, Not a Man for you

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

SJÖBLOM – 6
Ad Inexplorata / Manic Depression Records, VÖ: 28.10.2016
CD Digipack 12 € (limitiert auf 500 Stück)
MP3 Download 7 €
erhältlich über Bandcamp

sjoblom.bandcamp.com/
facebook.com/sjoblomofficial/
facebook.com/theexplodingboysweden/

Tracklist:
01 Enemies
02 Oh my Heart
03 The Choice
04 The Last Call
05 Not a Man for you
06 The Loyal
07 The Girl
08 Trains

(2815)