Der Tragödie erste Graphic Novel

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Vor einigen Wochen machte Goethes Faust Schlagzeilen, da er als Pflichtlektüre für Bayerns Schulen gestrichen wird. Es folgte die übliche hitzige Diskussion, ob man DAS Meisterwerk der deutschen Literatur einfach so aus den Lehrplänen entfernen sollte, oder aber ob diese über 200 Jahre alte Geschichte heute überhaupt noch Relevanz hat. Zum Glück geht es hier weder um das eine noch das andere, sondern um eine spannende Neubearbeitung des Faust – als Graphic Novel.

Die Geschichte dürfte weitgehend bekannt sein (war ja lange genug Pflichtlektüre ;-) ). Die Übertragung in das Medium der Graphic Novel ist ein sehr interessanter Ansatz, der sich hier, wie ich finde, ganz besonders anbietet. Faust war dramaturgisch gesehen seiner Zeit weit voraus, im Grunde eine abgefahrene Fantasy-Geschichte mit vielen Szenenwechseln und komplexen Sets, denen viele Bühnenfassungen nicht gerecht werden – vom puren Lesen des Textes einmal ganz zu schweigen. Die Graphic Novel ist ein sehr geeignetes Medium, um diese reichhaltige Geschichte ganz ohne die Grenzen dessen, was auf der Bühne machbar ist, zu neuem Leben zu erwecken.

Zur Übertragung des Textes bin ich gespaltener Meinung – man könnte fast sagen, zwei Herzen wohnen, ach!, in meiner Brust, denn Jan Krauß hat bis auf eine Handvoll Phrasen nahezu alle Reime und Versmaße entfernt. Einerseits erinnere ich mich deutlich, wie wir damals in der Schule an manchen archaisch anmutenden Satzstrukturen verzweifelt sind, und denke, diese Vereinfachung macht den Stoff gerade für neue Leser*innen sicher deutlich einfacher zu erschließen. Andererseits will mir als alte Deutsch-Leistungskurslerin „Ich bin nicht schön und auch kein Fräulein. Ich kann allein nach Hause gehen.“ einfach nicht so recht von der Zunge. Des Weiteren führt diese Adaption zu einer extremen Kürzung. Die Geschichte bleibt zwar komplett, aber viele Elemente, mit denen Goethe Stimmungen und Atmosphären erschaffen hat, fehlen. Wenigstens ein paar adaptierte Regieanweisungen hätten da schon einen Unterschied gemacht – so fühlt sich die ganze Sache ein wenig steril und gehetzt an. Für neue Leser*innen könnte das allerdings womöglich sogar ein positiver Punkt sein, denn wenn wir ganz ehrlich sind, hat der Originaltext durchaus ein paar Längen.

Die Zeichnungen selbst sind allerdings mehr als gelungen – Pavlenkos Stil erinnert an slawische Illustrationen und Drucke und lebt von großen Flächen und spärlich eingesetzten Farben. Die Palette bleibt überwiegend in Schwarz, Graublau und Beige und wird nur durch wenige rote Highlights aufgebrochen, die die Dramatik in der Geschichte unterstreichen. Besonders sind auch Pavlenkos ausdrucksstarke Gesichter und Körperhaltungen, die die Leser*innen die Gefühlsregungen und Atmosphäre miterleben lassen.

Zur heutigen Relevanz von Faust oder der Lehrplandebatte kann ich nicht viel sagen, aber die Umsetzung als Graphic Novel ist Pavlenko und Krauß durchaus gelungen und hilft vielleicht dabei, den Stoff einer neuen Generation zu eröffnen. Sie ersetzt das Original natürlich nicht, aber ist eine würdige Übertragung in ein neues Medium – vielleicht entdeckt ja sogar der eine oder andere eine neue Liebe für Faust und Goethe.

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Alexander Pavlenko, Jan Krauß: Faust
editionFaust Verlag, 13.12.2021
Hardcover, 162 Seiten
24,00 €

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